Neustart nach Corona

Und dann? Wie der Neustart nach Corona gelingen kann

Österreich ist eine der führenden Industrienationen in der EU. Was muss passieren, damit das so bleibt und wir unseren „Platz am Stockerl“ verteidigen können? Zehn Punkte für einen erfolgreichen Neustart nach Corona.

Koste es, was es wolle!“ – Dieser Satz der Bundesregierung wurde zum Mantra staatlicher Krisenbewältigung. Nicht nur in Österreich. Aber allein hierzulande sollen es heuer und im nächsten Jahr 50 Milliarden Euro sein, die in Hilfs- und Förderprogramme fließen, die Staatsschulden in Rekordhöhen klettern lassen, aber den Neustart nach Corona möglich machen sollen.

Neustart nach Corona: „Teuer, aber leistbar“

Nicht nur hierzulande fragt man sich in stillen Momenten: Können wir uns das überhaupt leisten? „Teuer, aber leistbar“, beruhigt der Finanzminister. Aber wer soll das alles einmal (zurück)zahlen? Wie kann dieser Weg aus der Krise abseits breit asphaltierter Subventionsautobahnen aussehen? Welche Reformen braucht ein Neustart nach Corona? Wie kann Österreich seinen Platz im Spitzenfeld der europäischen Industrienationen behaupten?

1) Immer ins Büro? Das war einmal

Am 11. März wurde die weltweite Ausbreitung des Coronavirus von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Pandemie erklärt. Wenige Tage später verlagerte sich das berufliche Leben für viele ins Daheim: Homeoffice. Es war neben Ausgangsverboten und Klopapierengpässen die markanteste Zäsur. Was kann und soll davon für einen Neustart nach Corona konserviert werden?

Neustart nach Corona
Fixstarter beim Neustart nach Corona: Das Homeoffice kam mit dem Lockdown – und wird bleiben.Foto: Adobe Stock | lordn

Zweifellos hat die Pandemie den Trend zu flexiblen Arbeitskonzepten und Digitalisierung nachhaltig beschleunigt und verstärkt. Mit Zoom, MS Teams, WebEx & Co. sind neue Mitbewohner daheim eingezogen. Sie sind gekommen, um zu bleiben. Es hat sich nämlich gezeigt, dass für viele Aufgaben eine permanente physische Anwesenheit im Büro oder Betrieb nicht zwingend notwendig ist. Parallel sind die Anforderungen an Technik und Raumangebot, Hygienestandards, Flexibilität und Kommunikation massiv gewachsen.

2) Digitalisierung mit Vollgas

Was das für das Büroleben von morgen bedeutet? „Dass es signifikante Einsparpotenziale hinsichtlich Flächenbedarf, Dienstreisen und Raumkosten gibt. Gleichzeitig sind aber zusätzliche Investitionen in die Ausstattung der Heimarbeitsplätze zwingend erforderlich“, heißt es in der Studie „Back to Work: Advance, Retreat, Adapt, Recover“ der Unternehmensberatung Bain & Company.

Betriebe, die flexible Arbeitsstrukturen für agile Teams schaffen, haben schon jetzt aus dieser „neuen Normalität“ Profit geschlagen. Statt auf der Entwicklungstreppe Schritt für Schritt Richtung digitaler Zukunft zu klettern, hat man erzwungenermaßen den Hochgeschwindigkeitslift genommen.

3) Altes aufbrechen und ändern

Dieser Highspeedwandel und Digitalisierungsboost liefert den Unternehmen für den Neustart nach Corona größtmögliche Stabilität trotz sich permanent wandelnder Bedingungen.

Änderungen interner Strukturen sind das eine, Änderungen externer Geschäftsbeziehungen das andere. Auch da hat Corona viel aufgebrochen und freigelegt. Manches wird bleiben. Bleiben müssen – um wettbewerbsfähig zu sein. Manches wird sich ändern. Ändern müssen – um wettbewerbsfähig zu werden.

4) Risiko trifft Resillienz

Die Unternehmensberatung Kearney nennt in ihrem „Post Covid 19 – Back to the Future“-Leitfaden drei Felder, in denen sich Unternehmen fit für den Neustart nach Corona machen müssen: Digitalisierung, Portfoliobereinigung und Lieferkettenoptimierung.

Es geht also um ein genaueres Hinschauen, um bessere Planung. Risiken müssen neu bewertet, die „Resilienz“ von Produktionsprozessen, also die Anpassungsfähigkeit und Robustheit bei Störungen, stärker in Entscheidungen einbezogen werden, beschreibt Clemens Fuest diesen strategischen Änderungsbedarf. Fuest ist Präsident des ifo-Instituts in Deutschland und Autor des Buches „Ist unsere Wirtschaft noch zu retten?“.

5) Einseitige Abhängigkeiten vermeiden

In einem auf Globalisierung aufgesetzten Wirtschaftssystem ist aber nicht zu erwarten, dass sich internationale Wertschöpfungsketten im großen Stil auflösen. Auch dass es statt des „Just-in-time“-Produktionsmodells einen Rückfall in ein schwerfälliges und kostspieliges Lagerhaltungssystem gibt, ist unwahrscheinlich.

„Die Resilienz von Produktionsprozessen, also die Anpassungsfähigkeit und Robustheit bei Störungen, gewinnt an Bedeutung“, sagt Clemens Fuest vom ifo Institut.Foto: ifo

„Riskant sind weniger internationale Wertschöpfungsketten per se, sondern die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten oder Standorten“, warnt Fuest. Das gilt es zu vermeiden. Um besser für Störungen gerüstet zu sein, könne es sogar notwendig sein, das internationale Produktionsnetzwerk auszubauen. Sagen die einen.

6) „Glokalisierung“ als neue Strategie

Andere, wie die Wirtschaftsforscherin Dalia Marin, gehen davon aus, dass es eine Rückverlagerung in die Industrieländer selbst geben wird: „Firmen werden das Risiko nicht mehr eingehen wollen, dass durch den Ausbruch einer Epidemie ein starker Ausfall entsteht“, glaubte Marin kurz nach dem ersten Lockdown.

Am erfolgversprechendsten ist wohl das, was Neuhochdeutsch „Glokalisierung“ heißt: Lokaler Fokus bei Lieferanten und Kunden, mit starker globaler Tangente. Weil ein Markt wie Österreich nicht als Alleinversorger überleben kann und außerdem im Ausland nicht nur Zulieferer, sondern auch wichtige Absatzmärkte liegen.

7) Der durchsichtige Lieferant

Dafür braucht es völlige Transparenz der eigenen Lieferketten, um auch dort frühzeitig Doppelgleisigkeiten, Engpässe, Überkapazitäten, Ausfälle oder gar Insolvenzen zu erkennen. Das kann am Ende zwar zu höheren Produktionskosten führen, da durch die Aufteilung auf mehrere Lieferanten unter Umständen Preisnachlässe als Großabnehmer wegfallen.

Neustart nach Corona
Wer liefert was? Um Fehlerquellen frühzeitig ausmachen und flexibel bleiben zu können, wird bei Lieferketten maximale Transparenz wichtiger.Foto: Adobe Stock | Drazen

Dieser Kostensteigerung steht aber ein Gewinn an Versorgungssicherheit und im besten Fall eine Entlastung der Umwelt durch Verkehrsvermeidung gegenüber. Ein Mehrwert in Zeiten, in denen Unsicherheit wuchert und Umweltbewusstsein wächst. Das lockt neue KundInnen an.

8) Start-ups als Vorbild

Apropos KundInnen. Die BeraterInnen von Bain & Company empfehlen auch gestandenen Unternehmen, sich Start-ups zum Vorbild zu nehmen. Zurück zum Ursprung also. Heißt: Vor der Wiederaufnahme des Betriebs genau untersuchen, welche KundInnenbedürfnisse in welchen Regionen man mit welchen Produktkategorien tatsächlich bedienen kann. Dadurch können Geschäftsmodelle und Prozesse so ausgerichtet und nachjustiert werden, dass sie trotz sich verändernden Märkte und schwankender Nachfragen zielsicher funktionieren.

9) Gefragt: Reformen 

Nicht nur Monika Köppl-Turyna, seit Ende September Chefin des Wirtschaftsforschungsinstituts Eco Austria, sieht auch den Staat in Sachen Neustart gefordert. Was Hilfs- und Förderprogramme angeht, ist Treffsicherheit gefragt; was die Effizienz der eigenen Strukturen betrifft, ist Verbesserung gefordert. In beiden Bereichen gilt: Eine rasche Umsetzung erhöht die Wirkkraft.

Neustart nach Corona
„Business as usual können wir uns nicht leisten“: Monika Köppl-Turyna, Direktorin von EcoAustria, mahnt vom Staat Reformen ein.Foto: EcoAustria | Franz Neumayr

Deshalb müssen, so Köppl-Turyna, ewig hinausgezögerte Konsolidierungspläne und lange versprochene Reformvorhaben beispielsweise in der öffentlichen Verwaltung endlich angegangen werden. „Business as usual können wir uns nicht leisten“, mahnt sie in einem Interview.

10) Gesucht: Innovationen

In einer Lockdown-Krisenkulisse, die sämtliche Mobilität aus dem Wirtschaftsalltag gesaugt hat, den Geist fliegen und die Ideen sprühen zu lassen, erfordert auch von ErfinderInnen und in den Entwicklungsabteilungen der Unternehmen besondere Kraftanstrengungen.

Damit der Neustart nach Corona gelingt, braucht es aber Innovationen. Und Mut zur Veränderung. Und Geduld. Denn so instabil und unvorhersehbar sich die Lage auch darstellt: Statt auf kurzfristige Effizienz gilt es, auf langfristige Stabilität zu setzen. Statt straffer Top-down-Führung ist dezentraleres Agieren angesagt, statt starrer Periodenplanung eine kontinuierliche Marktbeobachtung.

Unternehmen müssen Freiräume nutzen, aber im Notfall Maßnahmen auch schnell wieder zurücknehmen und anpassen können. „Fixe Flexibilität“, lautet das Credo der neuen Normalität.

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