Grüner Strom in der Stahlproduktion

Jetzt soll „grüner Stahl“ Schadstoff-Ausstoß reduzieren

Der Stahlkonzern voestalpine will drei seiner fünf kohlebetriebenen Hochöfen in Österreich auf eine strombasierte Elektrotechnologie umstellen. Die CO2-Emissionen würden massiv sinken. Aber auch „grüner Stahl“ braucht viel Energie. Woher soll die kommen?

Wenn wir einen Elektro-Ofen einschalten, geht in Linz das Licht aus.“ Dieses Bonmont lieferte voestalpine-Vorstandschef Herbert Eibensteiner vergangenes Jahr in einem Interview. Es gilt immer noch. Seine Blackout-Perspektive spannt plakativ den Bogen zwischen gegenwärtiger Infrastruktur und zukünftiger Innovation. Die heißt: grüner Stahl.

Noch werden die Hochöfen des Stahlkonzerns mit Kohle und Koks befeuert – keine Gefahr für die Linzer Beleuchtung. In Zukunft aber soll „grüner Stahl“ produziert und die Hochöfen daher mit Strom betrieben werden. Damit es dann in der oberösterreichischen Metropole nicht finster wird, braucht es deutlich stärkere Stromnetze.

„Grüner Stahl“ statt graue Luft

Denn eine Grundvoraussetzung für eine umweltschonendere Stahlproduktion ist, dass Strom aus erneuerbarer Energie in ausreichender Menge zu Verfügung steht. „Zu wirtschaftlich darstellbaren Preisen und in leistungsfähigen Netzen“, beeilt man sich bei der voestalpine hinzuzufügen.

An diesem Kreuzungspunkt zwischen Vision und Wirklichkeit steht die voestalpine derzeit. Vor ihr liegt die Zukunft einer klimafreundlichen Produktion, hinter ihr eine Vergangenheit, bei der düster dampfende Kaminschlote das öffentliche Bewusstsein dominierten.

Grüner Strom CEO Eibensteiner
voestalpine-CEO Herbert Eibensteiner: Grüner Strom braucht leistungsstarke Energieversorgung.Foto: voestalpine

Dazwischen: Die Gegenwart, in der das Stahl- und Technologieunternehmen noch immer als größter CO2-Emittent des Landes gilt. Es ist für zehn Prozent der österreichischen CO2-Emissionen verantwortlich.

Zukunft mit Strom und Wasserstoff

„Wir haben aber einen ambitionierten Stufenplan entwickelt, mit dem wir einen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten können“, ist CEO Herbert Eibensteiner optimistisch. Am Ende der Wandlung der traditionsreichen Produktionprozesse soll „grüner Stahl“ stehen. Ein Schritt Richtung Nachhaltigkeit.

Denn langfristig plant die voestalpine den Anteil von Wasserstoff und erneuerbarer Energie schrittweise zu steigern, um so bis 2050 CO2-neutral zu produzieren. Bis die dafür notwendigen Technologien tatsächlich verfügbar sind, setzt man auf einen schrittweisen Umstieg von kohlebasierter Hochofen- auf strombasierte Elektrostahlproduktion. Eine Hybridtechnologie.

Briketts aus Eisenschwamm

Das dabei zur Anwendung kommende Verfahren gilt als wichtige Technologie zur Reduktion der CO2-Emissionen. Denn bei der Verarbeitung von Eisenerz zu Eisen wird nicht Kohle und Koks, sondern Erdgas verwendet. Und als umweltfreundliches Vormaterial kommt ein in Briketts gepresster Eisenschwamm zum Einsatz. Er ersetzt in den Hochöfen Koks beziehungsweise Erz und in den Elektroöfen Schrott.

GUT ZU WISSEN

  • Die voestalpine ist ein weltweit führender Stahl- und Technologiekonzern mit kombinierter Werkstoff- und Verarbeitungskompetenz.
  • Die global tätige Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Linz verfügt über rund 500 Konzerngesellschaften.
  • An Standorten in mehr als 50 Ländern auf allen fünf Kontinenten sind insgesamt 49.000 Mitarbeiter beschäftigt.

1800 Millionen Tonnen Rohstahl

Strom statt Kohle also. Diese Methode verursacht deutlich weniger CO2-Ausstoß. „Warum erst jetzt?“, könnte man sich fragen. Das Verfahren ist ja nicht neu. Laut World Steel Association wurden 2018 weltweit 1800 Millionen Tonnen Rohstahl produziert, davon knapp 29 Prozent mit Elektrolichtbogenöfen.

Für die 7,3 Millionen Tonnen österreichischen Stahl lag der Anteil der elektrischen Produktion dagegen bei nur zehn Prozent. Als „Bremse“ fungierte fehlende Qualität.

30 Prozent weniger CO2

Die voestalpine forscht daher intensiv daran, auch unter Anwendung emissionsreduzierter bis -freier Produktionsverfahren hochwertige Stahlqualitäten herstellen zu können. Langfristig sollen dieselben anspruchsvollen Güten wie heute – allerdings CO2-neutral mittels wasserstoffbasierten Technologien – erzeugt werden.

Mit der Hybridtechnologie kann der CO2-Ausstoß um ein Drittel gesenkt werden. Was es dafür aber in jedem Fall braucht? Ausreichend Strom – damit in Linz eben nicht das Licht ausgeht.

Eine Milliarde Euro

Die drei Anlagen benötigen nämlich nicht nur rund eine Milliarde Euro Investitionsvolumen, sondern auch rund drei Terrawattstunden zusätzlichen Strom aus grünen Quellen. Soll dieser Strom beispielsweise aus Wind gewonnen werden, müsste man die Anzahl der Windräder in Österreich fast verdoppeln.

Als Weiterentwicklung der strombasierten Stahlerzeugung liegt der Fokus auf der CO2-freien Erzeugung von Wasserstoff. Seit Mitte November läuft am voestalpine-Standort in Linz ein entsprechendes Pilotprojekt. In dieser derzeit weltgrößten und modernsten Elektrolyseanlage wird mit Hilfe von erneuerbarer Energie Wasser in seine Grundkomponenten Wasserstoff und Sauerstoff gespaltet.

Forschungsprojekt in Linz

Es ist ein Forschungsprojekt, bei dem in Kooperation mit Siemens, Verbund und Partnern aus der Wissenschaft getestet wird, wie künftig die industrielle Produktion von grünem Wasserstoff gelingen kann. Er soll langfristig fossile Energieträger in der Stahlproduktion ablösen.

Grüner Strom Wasserstoffpilotanlage
„Grüner Stahl“ braucht saubere Energiequellen. In dieser Pilotanlage in Linz wird an der industriellen Produktion von Wasserstoff geforscht.Foto: voestalpine

Für diese Technologietransformation wird es aber auch wesentlich die Unterstützung der öffentlichen Hand und der EU beim Ausbau der Versorgungsinfrastruktur brauchen.

Halber Stromverbrauch Österreichs

„Denn wollten wir unsere Stahlproduktion allein in Linz komplett auf Wasserstoff umstellen, würden wir die 500-fache Leistung dieser Anlage benötigen“, sagt voestalpine-Chef Eibensteiner. Dann wäre es rund um Ars Electronica Center und Altem Rathaus wieder schnell finster.

Rechnet man den zweiten Produktionsstandort Donawitz dazu, wären 33 Milliarden Kilowattstunden Strom für die völlige Umstellung aller fossilen Prozesse auf erneuerbare Energie nötig. „Das ist ungefähr die Hälfte der gesamten Stromproduktion Österreichs. Das könnten wir nicht mehr allein mit Produktion im Inland decken“, so Eibensteiner.

Bis 2050 CO2-neutral

Ganz abgesehen von den derzeit noch hohen Kosten für „grünen“ Strom. Vor allem im Vergleich mit Importstahl ist das ein beträchtlicher Wettbewerbsnachteil. Ausländische Produzenten müssen nämlich vielfach keine vergleichbaren Kosten für CO2-Emissionszertifikate decken.

Die Anstrengungen der voestalpine bleiben jedenfalls groß. Allein in den vergangenen zehn Jahren wurden über 2,4 Milliarden Euro in Umweltschutzmaßnahmen investiert. Bis 2050 will man durch den Einsatz von grünem Wasserstoff im Stahlerzeugungsprozess die CO2-neutral produzieren. „Grüner Stahl“ wäre damit Wirklichkeit.

Credits Artikelbild: Adobe Stock | Sondem

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