Felbermayr Brennertunnel

300-Tonnen-„Tausendfüßler“ im Brennertunnel

Bis 2032 wird unter dem Brenner die längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt gebaut. Für die Grabungsarbeiten sind riesige Spezialmaschinen aus Oberösterreich im Einsatz.

Während sich oben der Urlauber- und Transitverkehr auf der Autobahn drängt, wird ein paar Stockwerke weiter unten im Berg an einer der größten Baustellen des Landes gearbeitet. Knapp 600 Meter unter der Brennerpasshöhe entsteht ein Eisenbahntunnel, der am Ende zu den längsten der Welt zählen wird. Daran beteiligt ist ein Unternehmen aus Oberösterreich.

Von Felbermayr aus Wels waren im Brenner spezielle Transportmaschinen im Einsatz. Sie gleichen einem monsterartigen Tausendfüßler. Bis zu zwölf Reifen an Reifen eng aneinandergereihte Achsen haben die Fahrzeuge, mit denen die bis zu 270 Tonnen schweren Komponenten für die Tunnelbohrmaschinen an ihren Einsatzort gebracht wurden. Zusammen mit dem Fahrgestell mussten so fast 300 Tonnen „Lebendgewicht“ durch den engen Stollen mit bis zu zwölfprozentigem Gefälle transportiert werden. Ein Einsatz am Limit. Und im Kriechtempo.

Bremstest im Brenner

„Wir sind in den Grenzbereich der Bremsen gekommen“, bestätigt man bei Felbermayr. Zur Risikominimierung wurde als zusätzliches Bremsfahrzeug eine Schwerlastzugmaschine eingesetzt. Allein für die ersten drei Kilometer benötigte das Gespann drei Stunden. Für die gesamten sechs Kilometer bis zur Montagekaverne im Stollen, wo die Tunnelbohrmaschine zusammengesetzt wurde, war man fünf Stunden unterwegs. Bei den rund 30 Transporten pro Tunnelbohrmaschine mussten auch enge Kurven durchfahren werden. Dort war zentimetergenaues Manövrieren gefragt.

Felbermayr-Brennertunnel
Lenken auf engstem Raum: Der Spezialtransporter bringt die Tunnelbohrmaschine an ihren Arbeitsplatz im Berginneren.Foto: Felbermayr

Projektleiter Markus Meusburger weiß auch von Herausforderungen mit „leichteren“, aber sperrigen Bauteilen zu berichten. So sind manche Stücke bis zu 15 Meter lang, vier Meter breit und vier Meter hoch. Um nicht an der Tunneldecke anzustoßen, saß ein Mitarbeiter fünf Stunden auf der Ladung, um seinen Kollegen, der den Selbstfahrer gesteuert hat, genau einweisen zu können.

Tonnenschwere Tunnelbohrmaschine

In der Montagekaverne wurden die Maschinenteile mittels eines Spezialgerüsts mit 1.000 Tonnen Hubkraft abgeladen und nach und nach zusammengebaut. Dazu gehörte auch der 250 Tonnen schwere Bohrkopf mit 10,7 Metern Durchmesser, der davor schon mit insgesamt 97 Transportfahrten aus Deutschland zur Baustelle gebracht wurde.

Dazu kommt noch der sogenannte Nachläufer. Er beinhaltet unter anderem die gesamte Infrastruktur, die für den Transport von Abbruchmaterial, Trafos, Elektrik, Wasserleitungen, Druckluft, Ausbaumaterial notwendig ist. In betriebsfertigem Zustand wiegt jede der beiden identen Tunnelbohrmaschinen dann 2.000 Tonnen.

Felbermayr-Brennertunnel
Der Bohrkopf der Tunnelbaumaschine im Brennertunnel: 250 Tonnen schwer, fast elf Meter im Durchmesser.Foto: Felbermayr

Die Maschinen werden noch eine Weile im Einsatz sein. Zwar wird schon seit 2008 gegraben und 2019 war noch eine Fertigstellung bis 2028 angekündigt. Mittlerweile ist die Inbetriebnahme aber auf frühestens 2032 verschoben worden. Ab dann sollen die Züge mit bis zu 230 km/h in 25 Minuten durch den Basistunnel von Innsbruck nach Franzensfeste in Südtirol rasen.

Der gut zehn Milliarden Euro teure Eisenbahntunnel durch den Brenner gilt ob seiner Dimension als Rekordprojekt. Die 55 Kilometer Länge allein sind schon ein internationaler Spitzenwert für eine unterirdische Eisenbahnverbindung. Inklusive der Umfahrung von Innsbruck Richtung Kufstein wird die Tunnelstrecke sogar 64 Kilometer lang sein. Und damit sieben Kilometer länger als die bisherige Weltrekordröhre im Gotthard in der Schweiz.

Drei Loks für einen Zug

Ost- und Weströhre sind jeweils eingleisig und bis zu 70 Meter voneinander entfernt. Alle 333 Meter gibt es Verbindungen („Querschläge“) zwischen den beiden Hauptröhren. Sie sind für Instandhaltung und Logistik wichtig und können bei Unfällen auch als Fluchttunnel genutzt werden. Dazu kommen noch drei Zufahrtstunnel im Abstand von circa 20 Kilometern. Auch sie dienen der Instandhaltung und der Sicherheit, da sie direkt zu Notbahnhöfen führen, wo eine schnelle Evakuierung möglich ist.

Auch das Gefälle hat sich gegenüber der alten Röhre deutlich reduziert, was mehr Geschwindigkeit, höhere Transportlasten und weniger Mitteleinsatz möglich macht. Denn bislang ist es aufgrund der bis zu 25 Promille steilen Steigungen der zwischen 1860 und 1867 erbauten Trasse notwendig, je nach Zuggewicht bis zu drei Lokomotiven einzusetzen. Durch die „Einflachung“ auf maximal vier Promille Steigung kann eine Lokomotive mehr als die doppelte Masse ziehen als bisher.

GUT ZU WISSEN

  • Die Felbermayr Holding GmbH ist die Dachorganisation für 29 operative Tochtergesellschaften, deren Tätigkeitsschwerpunkte sich im Wesentlichen auf Transport- und Hebetechnik sowie Tief- und Hochbau konzentrieren.
  • Mit 77 Standorten in 18 Ländern ist die Firmengruppe Felbermayr europaweit vertreten und beschäftigt aktuell rund 3.000 Mitarbeiter:innen.
  • 2022 erwirtschaftete das 1967 vom Vater des aktuellen und gleichnamigen Geschäftsführers Horst Felbermayr gegründete Familienunternehmen einen konsolidierten Nettoumsatz von etwa 677 Millionen Euro.
Credits Artikelbild: Felbermayr

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