Die Digitalisierung ist am Acker und auf den Feldern angekommen. Zur Bewirtschaftung setzen Landwirte Apps und Satellitennavigation ein. Ein oberösterreichisches Unternehmen gilt als Pionier der Automatisierung.
Es hatte den Hauch einer Revolution: 1875 erhielt Franz Pöttinger sein erstes Patent für eine Futterschneidmaschine, mit der sich die Bauern am Acker mühsame Handarbeit ersparten. Knapp 150 Jahre später ist erneut Revolutionäres angesagt: Die Heuernte wird (wieder) zur Handarbeit. Statt Sense und Rechen kommen jetzt aber ein Tablet oder Handy zum Einsatz.
Am Bildschirm wird dabei mit ein paar Klicks die zu bewirtschaftende Wiesenfläche definiert. In weiterer Folge klickt man in der App an, ob es sich um steiles Gelände handelt, ob der Boden nass und wie hoch der Ertrag in Tonnen pro Hektar ist. Abschließend wird noch der Status abgefragt – wobei das für Nichtsachkundige zum Vokabeltest wird: Gemäht oder abgeerntet (ok, versteht man)? Gezettet (noch nie gehört!) oder geschwadet (keine Ahnung!)?
ACKERDEUTSCH FÜR ANFÄNGER
- zetten: So wird das Wende von Erntegut (Heu, Gras) bezeichnet.
- schwaden: So nennt man das Zusammenfassen von Gras, Heu oder Stroh zu gleichmäßigen Reihen (Schwaden), damit es die Ballenpresse, der Feldhäcksler oder ein Ladewagen aufnehmen kann.
Über die App werden die Felder zunächst einzelnen Fahrzeugen und Maschinen zugeteilt. Während der Ernte ist feldspezifisch der jeweils aktuelle Stand einsehbar: Wird gerade gemäht, gezettet, geschwadet oder geerntet? Sobald eine Fläche fertig bearbeitet ist, kann die Traktorfahrer:in den Feldstatus aktualisieren. Dadurch ist ersichtlich, welche Flächen für den nächsten Arbeitsschritt bereit sind.
App steuert optimierte Erntekette
Die Erntekettenoptimierung ist damit aber noch nicht zu Ende. Unter Berücksichtigung der Erntemengen und der Entfernung vom Feld zum Silo wird auch die Verdichtungsleistung am Silo digital angepasst. Denn das Walzfahrzeug am Silo kann anhand der Daten das nach und nach angelieferte Erntegut entsprechend verteilen und verdichten. Das Futter bekommt damit die bestmögliche Qualität.
Entwickelt wurde diese App bei Pöttinger. Das Familienunternehmen aus Grieskirchen in Oberösterreich zählt zu den international führenden Herstellern von Maschinen für Grünland-, Bodenbearbeitung und Sätechnik. Das Portfolio wurde mehr als 150 Jahre nach der Gründung mittlerweile auch auf digitale Landtechnik ausgeweitet.
Tausendsassa und Visionär
1871 sah Franz Pöttinger, Urgroßvater der heutigen Führungsgeneration und gelernter Uhrmachermeister, aber auch Schlosser, Schmied und Brunnenbauer, dass die Stunde des maschinell gestützten Fortschritts in der Landwirtschaft gekommen war. 1875 erhielt der Tausendsassa dann das eingangs erwähnte Patent für seine Futterschneidmaschine.
Unter seinem Sohn Alois wuchs der Handwerksbetrieb immer mehr zu einem Industrieunternehmen und fertigte Obstmühlen, Obstpressen, Schrot- und Mehlmühlen, Kreissägen, Schleifapparate sowie Silo- und Futterhäcksler in Serie. Die Begeisterung für Maschinen und Automatisierung blieb Familienerbgut. So war Pöttinger stolzer Besitzer des dritten Automobils, das in Oberösterreich für den Straßenverkehr zugelassen wurde. In der eigenen Fabrik produzierte er indes „Elektromotorwägen für Druschzwecke von 6 bis 15 PS, mit und ohne Motor“.
Modernste Produktionsanlagen
Unter der nächsten Generation verlagerte sich In den 1950er Jahren der Produktionsschwerpunkt auf landwirtschaftliche Maschinen wie Heuerntegeräte und Kartoffelroder sowie ein neuentwickeltes Buschholzhackgerät. Mit diesen Maschinen konnten Waldbauern minderwertiges Holz effizient aufbereiten.
Heute – mit eigenem, aus der Belegschaft stammendem Management und der vierten Generation im Aufsichtsrat – verfügt das Unternehmen über das weltweit modernste Ladewagenmontageband, eines der modernsten Sätechnikwerke Europas, eine hochwertige Lackieranlage und neueste Laserschneidemaschinen. Im eigenen Technologie – und Innovationszentrum werden die Maschinen unter praxisnahen Einsatzbedingungen geprüft. Das Prüfzentrum zählt zu den modernsten der Landtechnik. Auch viele andere internationale Produzenten lassen ihre Erzeugnisse hier auf Herz und Nieren testen.
Größere Maschinen für größere Felder
Mittlerweile baut Pöttinger unter anderem eigene Rundballenpressen, Rollhacken und Hackgeräte, die weltweit auf Äckern unterwegs sind. Zudem wurde das Unternehmen mehrfach für technische, mechanische und digitale Weiterentwicklungen von Landmaschinen ausgezeichnet.
Bei den autonom arbeitenden Landmaschinen, die durch Elektrifizierung und Automatisierung immer größere Flächen bewirtschaften können, liegt der Fokus auf möglichst schonende Arbeitsverfahren, die den Böden möglichste wenig Wasser entziehen. Damit reagiert man einerseits auf die steigenden ökologischen Anforderungen und andererseits auf den Trend, dass immer weniger Agrarunternehmer immer mehr und größere Flächen bewirtschaften müssen.
GUT ZU WISSEN
- Das Familienunternehmen Pöttinger wurde 1871 in Grieskirchen in Oberösterreich gegründet.
- Aktuell werden rund 2000 Mitarbeiter:innen weltweit beschäftigt. Zuletzt wurde ein Umsatz von über 500 Millionen Euro erwirtschaftet.
- Es gibt Vertriebsstandorte in 14 Ländern weltweit von Australien bis Kanada und Irland bis China und Produktionsniederlassungen in Österreich, Deutschland und Tschechien (Entwicklungszentrum für Bodenbearbeitung).
- In Stoitzendorf wird seit Herbst 2022 – nach Grieskirchen und St. Georgen – ein dritter Produktionsstandort in Österreich betrieben.