Glasfaserverstärkte Kunststoffrohre sind wie Lebensadern der Zivilisation. Sie halten Ver- und Entsorgungs- sowie Produktionsströme am Laufen. Ein Kärntner Unternehmen expandiert damit jetzt nach Lateinamerika.
Sie sind unsichtbare Begleiter des Menschen, systemerhaltender Teil seiner Infrastruktur in urbanen Ballungsräumen, aber auch durch einsame Regionen. Sie bewähren sich als Transportrouten zur Anlieferung und zum Abtransport lebenswichtiger Materialien und sind anpassungsfähig und widerstandsfähig: Ohne Rohrleitungen würde der Alltag nicht funktionieren.
Die Unternehmensgruppe Wietersdorfer sorgt dafür, dass er funktioniert. Das Kärntner Unternehmen hat sich neben der Produktion von Baustoffen wie Zement, Beton und Kalk vor allem auch auf die Entwicklung und Herstellung von Rohrsystemen spezialisiert. Über ein Netz aus Tochterfirmen in Europa, Afrika und Amerika ist die Holding mittlerweile in 26 Ländern vertreten: Resultat eines Expansionskurses, der vor allem in den letzten Jahren eingeschlagen wurde.
Kunststoffrohre für Lateinamerika
So ist man nach dem Einstieg in Nordamerika 1987 und in den afrikanischen Markt (Marokko) im Jahr 2021 seit heuer auch in Lateinamerika aktiv. Wietersdorfer hat mit August nämlich die O-tek Internacional S.A.S. vollständig übernommen. Die O-tek verfügt über Produktionsstandorte in Kolumbien und Mexiko sowie eine 25,1-Prozent-Beteiligung an einem Produktionsstandort in Argentinien für glasfaserverstärkte Kunststoffrohre (GFK).
WIE EIN ROHR ENTSTEHT
Rohrleitungssysteme aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) zählen zu den am vielfältigsten eingesetzten Rohrwerkstoffen. Aufgrund der Vorteile der Faserverbundtechnologie, der Material- und Designmöglichkeiten werden die Rohre in der Wasserver- und -entsorgung, der chemischen Industrie, der verarbeitenden Industrie, der Erdöl- und Gasindustrie sowie vielen weiteren Anwendungsbereichen verwendet.
GFK-Rohre werden in zwei unterschiedlichen Verfahren hergestellt: Sie werden entweder geschleudert – das heißt geschnittenen: Glasfasern, Kunstharze und Quarzsande werden in eine sich schnell drehende Matrize eingebracht, der Aufbau erfolgt von außen nach innen. Oder sie werden mit quasi endlosen und geschnittenen Glasfasern, Kunstharz und Sand um einen Formkern gewickelt; der Aufbau erfolgt in diesem Fall von innen nach außen.
Mit rund 600 Mitarbeiter:innen in Kolumbien, Mexiko und Argentinien sowie einem für heuer erwarteten Jahresumsatz von 100 Millionen US-Dollar bedient die O-tek-Gruppe Absatzmärkte in zahlreichen lateinamerikanischen Ländern, darunter Argentinien, Brasilien, Mexiko, Kolumbien, Dominikanische Republik, Peru und Paraguay.
Potenzial von 30 Millionen Menschen
Für Wietersdorfer bedeuten diese neuen Märkte nicht nur eine geografische Diversifikation, sondern auch eine Verbesserung der Risikodiversifizierung und Resilienz. „Indem wir uns auf neue, erfolgsversprechende Märkte ausrichten, sichern wir nicht nur die Weiterentwicklung unseres GFK-Geschäftsfelds, sondern tragen auch dazu bei, die Infrastruktur und damit die Lebensqualität von Millionen von Menschen zu verbessern“, erklärt Michael Junghans, CEO der Wietersdorfer Gruppe.
Die bei O-tek produzierten glasfaserverstärkten Kunststoffrohre mit einem Durchmesser von bis zu drei Metern und Druckstufen von bis zu 32 bar kommen nämlich vor allem bei Infrastrukturprojekten im Trink- und Abwasserbereich zum Einsatz. In beiden Segmenten. Aber auch im Bereich der Wasserkraft bietet der lateinamerikanische Markt enormes Potenzial. Denn nur die Hälfte der lateinamerikanischen Haushalte sind bisher an entsprechende Kanal- und Abwassersysteme angeschlossen. 30 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.
Entsalzungsanlagen in Afrika
Große Infrastrukturprojekte stehen damit in Aussicht. GFK-Rohre eignen sich aufgrund ihrer hohen mechanischen Festigkeit, ihrem geringen Gewicht und ihrer Beständigkeit gegen Chemikalien, Korrosion und UV-Strahlung sowie ihrer Temperaturstabilität, Umweltfreundlichkeit und Langlebigkeit dabei besonders gut für Trink- und Abwasserprojekte im großen Umfang.
Hinzu kommt, dass durch die Verlagerung der Produktionskapazitäten von China zurück nach Nord- und Südamerika sich weitere Marktpotenziale auftun. O-tek ist bei Wietersdorfer neben Hobas und Amiblu das dritte Unternehmen im Bereich GFK-Rohre. Das Geschäftsfeld trägt heute mit 403 Millionen Euro bereits mehr als 40 Prozent des Gruppenumsatzes. So produziert man in den USA seit 2021 nichtkreisförmige Rohre und betreibt seit letztem Jahr eine neue Wickelrohranlage. In Afrika ist man über ein Tochterunternehmen an der Errichtung von Entsalzungsanlagen und Wasserleitungen beteiligt.
GUT ZU WISSEN
- Die WIG Wietersdorfer Holding mit Hauptsitz in Klagenfurt ist ein Industrieunternehmen in der Baustoff- und Rohrbranche.
- Zu den Geschäftsfeldern des Unternehmens zählen Zement & Beton, Kalk, Industriemineralien, GFK-Rohrsysteme und thermoplastische Rohrsysteme.
- Mit ihren Tochterunternehmen Alpacem, InterCal, Amiblu, Hobas, O-tek, Poloplast und Calcit ist die Holding in 26 Ländern vertreten.
- Insgesamt beschäftigt das Unternehmen im In- und Ausland 3.515 Mitarbeiter:innen und ist an 58 Produktions- und Vertriebsstandorten aktiv.
- Im Jahr 2022 erwirtschaftete die Wietersdorfer Gruppe einen Umsatz von 974 Millionen Euro (plus 22 Prozent gegenüber 2021). Rund 90 Prozent des Umsatzzuwachses sind auf das Engagement auf internationalen Märkten zurückzuführen.
- Das Unternehmen ist seit seiner Gründung im Jahr 1893 durch Philipp und Gottlieb Knoch zu hundert Prozent in Familienbesitz.