Antigen-Tests

Warum waren unsere Tests so teuer? Zehn Fragen zu den Antigen-Tests

Den Massentests sei dank sind Antigen-Tests derzeit in aller Munde. Oder besser gesagt: in aller Nasen. Womit wir schon beim Thema wären: Wozu braucht es das lästige Staberl? Ist das wirklich gefährlich? Und: Weshalb hat Österreich viel teurer als andere Staaten Schnelltests eingekauft?

Während die eine Welle der Massentests noch läuft, wird schon über eine nächste laut nachgedacht. Denkbar machen diese Möglichkeiten die erst seit wenigen Wochen verfügbaren Antigen-Schnelltests. Und weil in Pandemiezeiten überhaupt alles sehr schnell gehen muss, überholt die Realität oft den Informationsfluss. Deshalb sind wir einmal kurz einen Schritt zurück getreten und haben uns in Ruhe ein paar Fragen zu diesen Schnelltests und dem Drumherum gestellt. Klar, dass wir diese nun auch beantworten.

1. Warum muss man – wie bei den PCR-Tests – auch bei den Antigen-Tests mit einem Staberl durch die Nase in den Rachen fahren?

Immer wieder stößt man in den Sozialen Netzwerken auf dieses Sharepic, das sinngemäß behauptet: Ein hochansteckendes Virus muss doch leichter nachzuweisen sein als nur durch so eine unangenehme Prozedur. Tatsache ist: Um die Wahrscheinlichkeit eines falschen Tests möglichst gering zu halten, versucht man einen Weg zu finden, möglichst viele Viren mit möglichst wenig Aufwand einzufangen.

Um ein möglichst genaues Testergebnis zu erlangen, ist aktuell noch der Nasenabstrich notwendig. Doch schon bald sollen die Tests so feinfühlig sein, dass eine Speichelprobe ausreicht. Foto: Adobe Stock | Microgen

Und hier hat sich in den vergangenen Monaten einfach durch unterschiedliche Expertisen ganz klar ergeben: Ein Abstrich über die Nase ist der aktuell beste Weg zu einem hochwertigen Testergebnis. „Beim Rachenabstrich liegt die Fehlerquote bei falsch Negativen bei bis zu 90 Prozent“, bestätigt kürzlich noch einmal der bei den Massentests in Österreich mitverantwortliche Brigadier und Experte Michael Janisch der Tageszeitung Kurier.

2. Kann ich mit diesem Staberl wirklich ernsthaft verletzt werden?

Dazu kursieren jede Menge verunsichernde Beiträge. Tatsächlich aber ist die Möglichkeit, sich zu verletzen, verschwindend gering. Prof. Dr. med. Wolfgang Wagner, Chefarzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie an der München Klinik Schwabing etwa hat die vielen Falschmeldungen gar zum Anlass genommen, eine eigene Aussendung zu verfassen, die konkret sagt: Bei keiner bzw. keinem von vielen tausend Patientinnen und Patienten ist irgendeine ernstzunehmende Komplikation aufgetreten.

Bei keiner bzw. keinem von vielen tausend Patientinnen und Patienten ist irgendeine ernstzunehmende Komplikation aufgetreten.

Prof. Dr. med. Wolfgang Wagner, Chefarzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie an der München Klinik Schwabing

Klar aber sollte sein, dass diese Abstriche von geschultem Personal vorgenommen werden sollen. Schließlich kann man sich und anderen schon ordentliche Schmerzen zufügen, wenn man mit dem Staberl nicht fachgerecht umgeht. So seien selbst in Beipackzetteln diverser Antigen-Tests falsche Angaben angeführt, monieren die österreichischen FachärztInnen Verena Niederberger-Leppin und Wolfgang Luxenberger. Deshalb haben sie einen eigenen Leitfaden für die richtige Anwendung erstellt. Eben darum werden diese Tests auch nicht an Privatpersonen verkauft, sondern nur an Fachpersonal. Lichtblick für alle, die sich selbst testen wollen: Die ersten Produkte, die mit Speichelproben gut funktionieren, stehen kurz vor der Markteinführung!

3. Warum hat Österreich viel mehr für die Tests bezahlt als andere Staaten?

Tatsächlich hat Österreich für die erste Welle an Massentests ungefähr sieben Euro pro Test bezahlt, während etwa die Slowakei nur vier Euro bezahlt haben soll. „Bei diesem Vergleich werden jedoch Birnen mit Äpfeln verglichen“, wird von Expertenseite nun ins Treffen geführt. Wenn man nur den Preis kennt, weiß man noch nicht, um welche Qualität es sich bei den jeweiligen Produkten handelt. Und in der Tat seien gerade viele namhafte und noch mehr namenlose Anbieter unterwegs, um mehr oder weniger gute Antigen-Tests zu verkaufen. In Fachkreisen ist man sich sicher: Der Preis sollte hier nicht der Hebel sein, sondern die Qualität, also die Genauigkeit des jeweiligen Tests.

4. Wie genau sind die Antigen-Tests eigentlich wirklich?

Die Qualität der unterschiedlichen Antigen-Tests wird in den zwei Parametern Spezifität und Sensitivität angegeben. Vereinfacht heißt das: Die Sensitivität zeigt an, ob alle Kranken auch als Kranke erkannt werden. Die Spezifität gibt an, ob alle gesunden, getesteten Menschen auch als Gesunde erkannt werden. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts etwa hat soeben die aktuell gängigsten unter die Lupe genommen und gröbere Schwankungen festgestellt.

Gleichzeitig hat das Institut aber auch fünf Produkte als besonders gut gelobt und empfiehlt diese. Aber selbst bei den als weniger präzise bewerteten Produkten lag die Spezifität immer noch bei 88,24 %!

5. Lässt nur der Staat testen oder nutzen auch Unternehmen Massentests als Instrument?

Eine aktuelle Blitzumfrage der Industriellenvereinigung zeigt ganz deutlich, dass Österreichs Industriebetriebe regelrechte Vorreiter sind, wenn es um das Testen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geht. Der Umfrage zufolge ermöglichen und finanzieren mehr als jeder zweite Betrieb (54 %) COVID-19-Testungen – entweder im Betrieb, im Labor oder bei anderen Anbietern.

Georg Knill
IV-Präsidente Georg Knill: „Die Unternehmen in der Industrie betreiben einen massiven Aufwand für Sicherheit, Schutz und Gesundheit ihrer Beschäftigten!“Foto: IV | Alexander Müller

Fazit: Fast jeder dritte Beschäftigte (31 %) in der Industrie wurde bereits freiwillig getestet – das sind beinahe 315.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der 1,02 Mio. Arbeitskräfte in den heimischen Produktionsunternehmen. IV-Präsident Georg Knill stolz: „Die Unternehmen in der Industrie betreiben einen massiven Aufwand für Sicherheit, Schutz und Gesundheit ihrer Beschäftigten. Damit unterstützen sie die öffentlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie maßgeblich.“

6. Können diese Tests auch gefälscht werden, wie es bei Masken passiert ist?

Das wäre natürlich bei Antigen-Tests besonders dramatisch. Zumal man ehrlicherweise sagen muss, dass die Gefahr von Produkten mit gefälschten Zertifikaten in der Tat gegeben ist. Dabei muss man auch wissen, dass fast alle Tests entweder in China oder in Korea gefertigt werden. Genau deshalb wird aus Fachkreisen der Ruf immer lauter, eben nicht bloß auf den Preis der Tests zu achten, sondern auch auf das Unternehmen, das dahintersteht.

So bieten auch große Konzerne wie etwa Roche oder Siemens Antigen-Tests an. Das bedeutet zwar nicht, dass sie sie selbst fertigen, aber dass sie sie selbst nach ihren strengen Kriterien prüfen, bevor sie auf den Markt kommen. Wenn nämlich ihr Markenname darauf prangt, sind auch sie für etwaige Probleme verantwortlich.

7. Gibt es ein Zertifikat für Antigen-Tests?

Kurz und knapp: Nein! Es gibt tatsächlich keine unabhängige Stelle, die sagt, welcher Test ein „Gütesiegel“ bekommt und welcher nicht. Zwar müssen alle Produkte freilich mit dem sogenannten CE-Zertifikat für den österreichischen Markt zugelassen werden. Die dazu notwendigen Daten werden jedoch von den Herstellern selbst übermittelt, sind also nur bedingt aussagekräftig. Die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts dazu sind aktuell wohl die einzigen wirklich ernstzunehmenden (siehe Punkt 4).

8. Welche Tests werden in Österreich eingesetzt?

Abgesehen davon, dass bei den ersten Massentests aufgrund einer gewissen Hektik nicht ganz klar ist, wie, welche Tests von wo zu welchem Preis bezogen wurden, setzt man nun auf das wohl sinnvollste Mittel bei der Beschaffung: der Ausschreibung. Aktuell läuft eine groß angelegte Ausschreibung über ein maximales Volumen von 180 Millionen Euro zur möglichst preiswerten Beschaffung möglichst hochwertiger Tests. Klar ist schon jetzt, diese Menge wird nicht ein einzelner Hersteller liefern können.

Wirklich valide wird das Datenmaterial allerdings erst, wenn 50 % der Bevölkerung mitmachen.

Komplexitätsforscher Peter Klimek

Und klar ist aufgrund der Kriterien hierbei auch schon: Unternehmen außerhalb der EU können die Parameter weniger leicht erfüllen. Eben damit will man wohl schon eine erste Hürde zur Qualitätssicherung einziehen. Außerdem wird eben auch hierbei schon hinter vorgehaltener Hand debattiert, wonach die Vergabe nicht, wie sonst üblich, nach dem besten Preis geschieht. Es sollen eben weitere Qualitätskriterien bei der Entscheidungsfindung einbezogen werden.

9. Was haben Massentests überhaupt für einen Sinn?

Jedenfalls helfen Massentests der Bundesregierung und den zuständigen ExpertInnen dabei, die aktuelle Situation besser einschätzen zu können. Wirklich valide wird das Datenmaterial allerdings erst, wenn 50 % der Bevölkerung mitmachen. Zu diesem Schluss kommt Komplexitätsforscher Peter Klimek von der Med-Uni Wien in einem Standard-Interview. Und im Idealfall würde dann auch noch jede Person zweimal pro Woche getestet werden.

Man kann also vereinfacht sagen: Massentests helfen, und je größer die getestete Masse ist, um so mehr helfen sie – die Situation einzuschätzen. Problematisch dabei ist wohl, dass vermutlich jene Personengruppen, die das Thema weniger ernst nehmen, auch nicht testen gehen, diese aber wiederum jene Personengruppen sind, in denen das Virus besonders leicht weitergeben wird. Eben deshalb wenden sich derzeit nicht nur Politiker mit Appellen an die Öffentlichkeit, sondern auch zahlreiche Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur.

10. Werden die Antigen-Tests endlich wieder Theatervorstellungen und Feste möglich machen?

Diese Schnelltests könnten tatsächlich eine von mehreren Maßnahmen sein, um Veranstaltungen wieder möglich zu machen. Zumindest in einem gewissen Rahmen. Davon ist Martin Brezovich, Vorstand des „event marketing board austria“ (emba) überzeugt. „Diese Tests geben eine zusätzliche Sicherheit. Sie ermöglichen, dass hochinfektiöse Menschen gut und schnell herausgefiltert werden können.“

Martin Brezovich
emba-Vorstand Martin Brezovich: „Theater, Konzerte, Corporate Events werden unter anderem dank dieser Tests vielleicht bald wieder stattfinden können.“Foto: emba

Gleichzeitig mahnt er jedoch: „Das sollte nicht dazu führen, dass Menschen, die einen Test gemacht haben, glauben, alles ist wie vorher.“ Schließlich seien Antigen-Tests eben nicht so präzise wie die PCR-Tests, die nach wie vor unangefochten als Goldstandard gelten. Außerdem gibt Brezovich zu bedenken, dass echte Partys mit jubelnden Menschentrauben auch mit Antigen-Tests nicht stattfinden werden.

Aber: „Theater, Konzerte, Corporate Events werden unter anderem dank dieser Tests vielleicht bald wieder stattfinden können.“ Zumal schon in absehbarer Zeit Produkte vorliegen werden, die in zwei bis drei Minuten ein valides Ergebnis liefern können. Wichtiger Nachsatz: „Voraussetzung, dass uns diese neue Technologien helfen werden, ist, dass auch die Gesetzgeber diese zulässt.“ Sonst seien selbst die genauesten und schnellsten Schnelltests für die Event-Branche sinnlos.

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