Ein steirisches Unternehmen verwandelt altes Speiseöl in einen Grundbestandteil von Biodiesel. Gesammelt wird das Altöl in der Gastronomie, aber auch von Privathaushalten.
Der Zufall war 2015 in Wien zu Gast, kam aus Indien und hieß Dharmendra Pradhan. Der damalige indische Minister für Öl und Gas war für eine OPEC-Konferenz in der Stadt und ließ sich abseits von Meetings und Panels ein Projekt im Wiener Ölhafen in der Lobau zeigen. Dort wurden Abfälle in erneuerbare Energiequellen verwandelt. Es handelte sich dabei um die Produktionsanlage für Biodiesel des steirischen Unternehmens Münzer Bioindustrie.
Der indische Minister zeigte sich begeistert. Sein Land, mittlerweile das bevölkerungsreichste der Erde, hatte und hat nämlich nicht nur einen gewaltigen Energiehunger, es steht auch im Bereich Abfallwirtschaft vor enormen Herausforderungen. Für Münzer tat sich ein enormer Wachstumsmarkt auf, den man auszunutzen wusste.
220 Millionen Liter Biodiesel
Verantwortlich dafür ist eine zusammen mit Forscher:innen der Karl-Franzens-Universität Graz entwickelte Technologie, wie man Altspeisefette und -öle zu alternativen Energieträgern weiterverarbeiten und damit wiederverwerten kann. Ein Gamechanger. Heute werden in Österreichs größter derartigen Anlage 220 Millionen Liter Biodiesel pro Jahr hergestellt. Große Teile fließen über eine Leitung direkt Richtung OMV-Tanklager, wo sie konventionellem Diesel beigemengt werden.
In der Biodieselproduktion fallen aber auch Nebenprodukte an, die unter anderem in der Düngemittelindustrie, als Frostschutz in der Scheibenwischanlage oder in Desinfektionsmitteln Verwendung finden.
Pommes als Rohstoff
Der Rohstoff für all diese Verwendungen stammt vor allem aus der Gastronomie. Münzer sammelt Altspeisefette und -öle von Fastfoodketten, Spitzenrestaurants und Würstelständen. Zunehmend werden aber auch Privathaushalte angezapft. So läuft seit heurigem Juni in Wien eine Kooperation mit der OMV. An 17 Tankstellen kann man in handelsüblichen, nicht mehr gebrauchten Plastikflaschen abgefülltes Altspeiseöl unkompliziert abgeben. In der Steiermark hat Münzer aktuell bereits mehr als 250 Sammelpunkte in Gemeinden installiert.
Das Geschäft floriert. Der Umsatz des 1991 vom Vater des heutigen Geschäftsführers Ewald-Marco Münzer im steirischen Sinabelkirchen gegründeten Unternehmens hat sich binnen sechs Jahren mit 470 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Werke in Dhaka und Nairobi wurden eröffnet. Insgesamt wuchs die Belegschaft auf knapp 450 Mitarbeiter:innen, die Hälfte davon arbeitet in Österreich.
Biokraftstoff auch für die Eisenbahn
Angst, dass im Zuge der fortschreitenden Elektrifizierung des Fahrzeugbestands bald der Kundenmarkt für Alternativtreibstoffe wie (Bio-)Diesel schrumpfen könnte, hat man bei Münzer nicht. „Zum einen wird auch die Bestandsflotte zu versorgen sein, zum anderen sehen wir gerade den Transportbereich, aber auch die Schifffahrt und Teile des Bahnverkehrs als einen Wachstumsmarkt.“
Man könne sich durchaus die Frage stellen, warum auf der Schiene nicht mit wesentlich höheren Biokraftstoffbeimengungen gearbeitet wird, wundert man sich bei Münzer: „Heimisches Altspeisefett für den heimischen Bahnverkehr klingt doch ganz gut, vor allem wenn das Altspeisefett auch noch aus der Gastronomie im Bahnhofsbereich stammt.“
Gesetzgeber als Bremse
Unabhängig davon sind weitere Wachstumsschritte geplant. So soll in Pillichsdorf in Niederösterreich eine neue Anlage entstehen, die aus ausschließlich biogenen Abfällen – wie etwa Speiseresten –, aber auch aus Prozessrückständen aus der firmeneigenen Biodieselanlage Biogas erzeugt. Dieses soll dann ins österreichische Gasnetz eingespeist werden.
„Aktuell stehen wir jedoch vor dem Problem, dass sich die heimische Umweltpolitik nicht auf klare Regeln und Rahmenbedingungen im Bereich Biomethan einigen kann“, beklagt man bei Münzer. Konkret geht es um das Erneuerbaren-Gase-Gesetz (EGG), das schon lange überfällig ist und dringend benötigte Investitionssicherheit für Anlagenbetreiber garantieren würde. „Der so notwendige Ausbau erneuerbarer Energie braucht keine politischen Ankündigungen, sondern rechtlich fundierte Investitionssicherheit“, drängt man bei Münzer.
In Indien ging es einst schneller. Kurz nach dem Werksbesuch in Wien hat Münzer in Indien ein eigenes Tochterunternehmen gegründet, das im Bereich Altspeisefettsammlung und Biodieselproduktion Pionierarbeit geleistet hat. Eröffnet hat die Anlage in Navi Mumbai Minister Pradhan eröffnet. Kein Zufall.