Green Deal

Erneuerbare Energie: Bremst die Wirtschaftskrise den „Green Deal“?

Der „Green Deal“ der EU soll das Erreichen der Klimaschutzziele garantieren. Die Wirtschaft steht aber aktuell aufgrund der Corona-Pandemie vor ganz anderen Herausforderungen. Wie lassen sich Klima-Rettung und Konjunktur-Wiederbelebung unter einen Hut bringen?

Sie gilt als eine der Krisengewinner: die Umwelt. Der Schadstoffausstoß reduzierte sich nämlich schon während des ersten Lockdowns schlagartig. Auch in der zweiten Auflage der staatlich verordneten Vollbremsung verbessern sich Luftgütewerte, Wasserqualität und Naturverbrauch. Ist der „Green Deal“ der EU damit eine „g’mahte Wies’n“?

„Green Deal“? So übertitelt sich das ehrgeizige Klimaschutzprogramm der Europäischen Union. Darin festgeschrieben sind strenge Grenzwerte, Ziel- und Zeitvorgaben sowie Maßnahmen für eine umfassende Schadstoffreduktion.

Gefährdet der „Green Deal“ Arbeitsplätze?

Sind diese „Hausübungen“ für die Mitgliedsstaaten aufgrund der Corona-bedingt eingeschränkten Wirtschaftsleistungen ohnehin leicht schaffbar? Oder sind die „Green Deal“-Ziele zu streng? Kosten sie am Ende Arbeitsplätze, weil sie ein Ende der energieintensiven Industrie zur Folge hätten? 

Fest steht: Der Lockdown liefert messbare ökologische Benefits, weil Reisewarnungen den Bus-, Auto- und Flugverkehr in den Parkmodus zwingen. Weil Handelsbeschränkungen die Container- und Kreuzschifffahrt auf Grund laufen lassen. Weil stillgelegte Produktionsanlagen und leergeräumte Geschäfts- und Büroflächen keinen Energiebedarf haben, wodurch Kraftwerke und Kohlebergwerke ihren Betrieb drosseln. Einerseits.

Positiver Trend trotz Hürden

Andererseits produziert der Lockdown eine ökonomische Misere. Auch die lässt sich quantifizieren. So revidieren Wirtschaftsforscher beinahe wöchentlich ihre Prognosen für die nächsten Monate nach unten. Und Kreditschutzverbände warnen vor einer aufgestauten Pleitewelle. Sie könnte losbrechen, sobald Steuerstundungen und Förderprogramme auslaufen.

Grundsätzlich aber, und das mag kurios anmuten, zeichnet sich ein eindeutig positiver Trend ab. Wie stark er sein wird, wird sich weisen.

„Green Deal“: Österreich hat Vorreiterrolle

So bipolar die Standpunkte sind, so entscheidend ist im Sinne der Sicherung von Arbeitsplätzen und Wohlstand ein Ineinandergreifen von Ökologie und Ökonomie. Ein gegenseitiges Ausspielen würde nämlich ein ressourcenschonendes Wachstum gefährden, warnen Experten.

Österreich hat diesbezüglich eine Vorreiterrolle zu verteidigen. Beispiele: Nirgendwo auf der Welt wird eine Tonne Zement mit weniger CO2-Emissionen produziert als in Österreich. Auch die heimische Eisen- und Stahlindustrie ist internationale Benchmark in Sachen Nachhaltigkeit. Dazu kommen rund 2500 Unternehmen, die sich mit Umwelttechnologien beschäftigen.

Konsumenten sind gefordert

Und dann wären da neben den Unternehmen noch die Konsumenten. Ihr Verhalten wird mitentscheidend für einen Erfolg des „Green Deals“ sein. Kommt es zu einem sprunghaften Nachholen im Kaufen und Verbrauchen? Gibt es ein schnelles Comeback alter Verhaltensmuster, sobald die Geschäfte wieder vollständig aufsperren?

GUT ZU WISSEN

  • Klimaneutralität bedeutet, dass von 2050 an keine neuen Treibhausgase aus Europa in die Atmosphäre gelangen.
  • Damit soll das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens erreicht werden, die Erderwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit bei 1,5 Grad zu stoppen.
  • Dazu gehört ein Zwischenziel für 2030: Bis dahin sollen die Emissionen um 50 bis 55 Prozent unter dem Wert von 1990 liegen.
  • Das Erreichen des 55-%-Ziels würde einen massiven Finanzierungsbedarf ins gesamteuropäische Energiesystem von bis 4.000 Mrd. €. Ergeben (aufgerechnet bis 2030).
  • In Österreich haben sich ÖVP und Grüne im Regierungsprogramm bereits auf das Jahr 2040 als Ziel für die Klimaneutralität geeinigt.

Diese „Alles-beim-Alten“-Perspektive versetzt wiederum Klimaschutzorganisationen in Alarmbereitschaft. War’s das jetzt schon wieder mit dem Schongang für die Umwelt? Sind all die hehren Bekenntnisse zu regionaler Wirtschaftsförderung statt globalisierter Gewinnmaximierung nur heiße Luft? „Eine Krise ist keine moralische Heilanstalt“, relativiert Zukunftsforscher Matthias Horx in einem Interview trocken.

Klimaschutz als Wachstumsimpuls

Umso entscheidender ist das lenkende Handeln der Politik. In der ersten Phase der Krise stand noch wirtschaftliche Soforthilfe im Fokus. Nach erfolgreicher Stabilisierung geht es gerade in Sachen Klimaschutz jetzt darum, Perspektiven und Steuerungsmodelle zu entwickeln, die nachhaltig wirken.

„Eine Krise ist keine moralische Heilanstalt.“

Zukunftsforscher Matthias Horx

Die mitgelieferte Hoffnung: Die Förderprogramme mögen eine doppelte Wirkung erzeugen. Zum einen schnell Nachfrage und Aufträge ankurbeln. Zum anderen langfristig das Klima schützen, weil umweltschonende Investitionen und Innovationen unterstützt werden.

Klimaneutrale EU bis 2050

Der Bedarf an Wachstumsimpulsen in der Coronakrise ist zweifellos groß. Noch dazu drängt die Zeit. Denn die EU peilt in ihrem „European Green Deal“ die Klimaneutralität bis 2050 an. Der Fahrplan beinhaltet konkrete 50 Aktionen und Maßnahmen in der Energiewirtschaft, Bauwirtschaft, Industrie und im Verkehr.

„Unser Ziel ist, unsere Wirtschaft mit unserem Planeten zu versöhnen.“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen

Die Vision: Weniger Treibhausgase, mehr Jobs. Ein Zielkonflikt? Gefragt sei eine Strategie „für ein Wachstum, das mehr zurückgibt als es wegnimmt“, sagt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Ursula Von de Leyen
EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen: Ziel des „Green Deal“ ist ein Wachstum, das mehr zurückgibt als es wegnimmt.Foto: EC | Etienne Ansotte

Das alles kostet Geld. Viel Geld. Laut EU-Kommission hat das Minus-55 %-Ziel bei den CO2-Emissionen einen europaweiten Finanzierungsbedarf von bis zu 4000 Milliarden Euro zur Folge.

„Green Deal“ oder lausiger Deal?

Ein Kostenpunkt, der von der Industrie scharf kritisiert wird: „Das würde aufgerechnet bis 2030 bedeuten, dass das Brutto-Inlandsprodukt so gut wie nicht mehr wächst.“ Das wiederum kann mit der parallel ins Spiel gebrachten „Neuen Wachstumsstrategie“ nicht einhergehen. Man müsse aufpassen, dass der „Green Deal“ nicht zu einem lausigen Deal würde.

Um das zu verhindern, müssen innerhalb des großen Plans die kleinen Verbesserungen synergetisch ineinandergreifen. Fest steht: Partielle, unkoordinierte Maßnahmen ergeben wenig Sinn. Sie führen nur Volkswirtschaften oder zumindest einzelne Wirtschaftszweige in existenzielle Nöte. Nennenswerter positiven Impact auf die Umwelt: keiner.

 Fairer Rahmen um Abwanderung zu vermeiden

Es geht um faire Rahmenbedingungen – auch im Vergleich mit ausländischer Standortkonkurrenz und deren Klimaschutzvorgaben. „Es bringt nichts, wenn die österreichische klimaschutzeffiziente Stahlindustrie ins Ausland abwandert“, warnen Wirtschaftsforscher.

Green Deal Verbund-Vorstand Michael Strugl
Verbund AG-Vorstand Michael Strugl: Investitionen in erneuerbare Energie bringen zusätzliche Wertschöpfung.Foto: Verbund

Umgekehrt zeigen abgestimmte Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien einen hohen lokalen Wertschöpfungseffekt. Drei Euro, die in die Energiewirtschaft investiert werden, bringen eine zusätzliche Wertschöpfung von zwei Euro für den Neustart der heimischen Wirtschaft, zitiert Verbund AG-Vorstand Michael Strugl in einem Interview eine Studie von Frontier Economics

Förderungen für den Umweltschutz

Diese Chance will die Regierung trotz Corona nutzen. Die Prämie für klimaschutzrelevante Projekte, wurde im Rahmen des Corona-Maßnahmenpakets mit 14 Prozent der Investitionssumme festgelegt. Sie kann in Kombination mit anderen Umweltschutzsubventionen auf bis zu 50 Prozent anwachsen. 

Allein im Rahmen des „Umweltförderung im Inland“-Programms (UFI) wurden Mitte des Jahres 327 Klimaschutz- und Umweltprojekte mit einem Förderwert von rund 23,3 Millionen Euro genehmigt. Durch diese Projekte werden rund 78.000 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart. Und die Wirtschaft angekurbelt, damit weder der Klimaschutz noch die Konjunktur zu Corona-Opfern werden.

Gesetz nicht rechtzeitig fertig 

Ein großes Ziel. Aber um den Verbrauch von Erdöl, Gas und Kohle bis 2030 zu halbieren, braucht es einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energiesysteme. Die Mühen der postfossilen Sanierung unseres Planeten zeigen sich am Beispiel des Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG). Der Nachfolger des Ökostromgesetzes hätte mit 1. Jänner 2021 in Kraft treten sollen. Das Ziel: Ein Totalumbau des heimischen Stromsystems im Sinne des „Green Deals“.

Daraus wird vorerst nichts. Das Gesamtpaket wurde in der Hektik des Pandemiealltags nicht rechtzeitig fertig. So heißt es für den Klimaschutz noch „Bitte warten!“. Ausgebremst vom Corona-Virus.

Fazit

Einmal schnell die Welt retten – das wird sich mit ein paar strengen Regeln alleine nicht machen lassen. Es braucht neben schönen Überschriften und klaren Zielen vor allem faire Rahmenbedingungen, mit denen die Wirtschaft noch wirtschaften kann. Und es braucht verantwortungsvoll handelnde Konsumenten. Alle Beteiligten sollten aber wissen: Die Zeit drängt!

Credits Artikelbild: visoot

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