Knill Erdgas

Energiekrise: „Fossile Überbrückungsstrategie notwendig“

Nachdem sich die OMV zusätzliche Pipelinekapazitäten für Erdgas aus Norwegen gesichert hat, orten Industrievertreter eine leichte Entspannung, aber noch keine Entwarnung. Vermisst werden weiterhin eine fossile Überbrückungsstrategie und eine klare Kommunikation zur Krisenbewältigung durch die Politik.

Auf der Suche nach Wegen aus der Abhängigkeit von russischem Erdgas bleibt die Situation angespannt. Dass sich Österreichs größter Erdgasversorger, die OMV, zusätzliche Gaspipelinekapazitäten im Umfang von 40 Terawattstunden aus Norwegen gesichert hat, sorgt für Aufatmen in der Industrie. Die Menge entspricht in etwa 45 Prozent des österreichischen Jahresverbrauchs. 

Mittelfristig sei damit die Versorgungssicherheit zwar deutlich erhöht worden, wird attestiert. Aber wie sehen Details des Deals, langfristige Szenarien und konkrete Notfallpläne aus? Antworten auf diese Fragen bliebe die Politik weiterhin schuldig, kritisiert Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung (IV).

Erdgas: Alternativen aus Afrika 

Tatsächlich stehen auch nach dem OMV-Deal weiterhin einige Unsicherheiten im Raum. Zum einen über die Höhe des Einkaufpreises, der bei norwegischem Erdgas traditionell deutlich über dem von russischem Erdgas liegt, zum anderen, ob das Gas dann auch tatsächlich für heimische AbnehmerInnen verfügbar ist. „Eine endgültige Entwarnung für den Herbst und Winter gibt es jedenfalls noch nicht“, gibt IV-Generalsekretär Christoph Neumayer zu bedenken. Auch, weil die OMV nur ein Viertel des gesamten heimischen Gasmarkts abdeckt.

Die von der OMV aktuell ersteigerten Kapazitäten gelten für den Zeitraum von Anfang Oktober diesen bis Ende September kommenden Jahres. „Es geht aber um längerfristige Perspektiven“, drängt Knill darauf, schneller weitere Gasquellen als Alternative zu russischem Erdgas zu erschließen. Als Varianten nennt er LNG (Flüssiggas) aus Afrika oder dem Mittleren Osten, das über kroatische und italienische Häfen nach Österreich kommen könnte beziehungsweise weiteres Erdgas aus Norwegen. Diese fossilen Überbrückungsstrategien brauche es, bis das Ziel einer strategischen Energieautonomie erreicht ist.

7.000 energieintensive Betriebe betroffen

Knill fordert ein klares Versorgungsregime. Es brauche klare Vorgaben und Regeln, wer bei welchem Füllstand mit wie hohen Versorgungsmengen rechnen kann. Und das nicht nur für die rund 50 systemrelevanten Großverbraucher, die ohnehin mit der E-Control in Kontakt stünden, so Knill, sondern für sämtliche betroffenen energieintensiven 7.000 Betriebe, die laut Regierungsplan zur Energielenkung im Notfall von Rationierungen betroffen wären. Die vorliegenden Kriterien seien zu vage, der Informationsbedarf hoch, die Kommunikation seitens der zuständigen Energieministerin mangelhaft, kritisiert der IV-Präsident.

Neidvoll wird dieser Tage von heimischen WirtschaftsvertreterInnen immer wieder über die Grenze nach Deutschland geblickt. Dort spricht Energie- und Wirtschaftsminister Robert Habeck auch deutlich über Worst-Case-Szenarien, die Bevölkerung wird perspektivisch und ganzheitlich informiert. Diesen Schulterschluss zwischen Politik, Wirtschaft und Bevölkerung brauche es auch für Österreich, urgiert der IV-Präsident.

Umstellung auf Öl kompliziert

In Österreich stehen indes zwar öffentliche Aufrufe zum Energiesparen in Haushalten und möglichen Umrüsten von Betrieben auf Öl im Raum. Das allein, so die Industrievertreter, reiche aber aus mehreren Gründen nicht. So sei eine Umstellung auf Öl binnen weniger Monate nur bei rund fünf Prozent der Unternehmen möglich. Bei vielen anderen brauche es viel längere Vorlaufzeiten oder sei überhaupt unmöglich.

Zudem könne die Industrie nicht allein etwaige Versorgungsengpässe abfedern. Sämtliche VerbraucherInnen seien gefordert. Es gehe insgesamt um eine Sicherung des Wohlstands und der Wirtschaft in Europa, unterstreicht Knill die Dimension der aktuellen Situation.

Erdgas bleibt Übergangstechnologie 

„Das einzige Gute an dieser Krise ist, dass wir an Tempo zulegen, was den Umstieg auf erneuerbare Energiequellen betrifft.“ Die Industrie mache diesbezüglich ihre Hausaufgaben. Fakt sei aber, dass Erdgas noch als Übergangstechnologie weiterhin notwendig sei. Es brauche diesbezüglich jedenfalls eine Diversifizierung der Bezugsquellen

Zum Erreichen der Klimaziele seien aber vor allem auch entsprechende Rahmenbedingungen anzupassen, drängt Knill. Noch immer würden beispielsweise Genehmigungsverfahren für entsprechende Infrastrukturprojekte viel zu lange dauern. Damit werden Pläne und konkrete Vorhaben der Industrie für die Transformation Richtung „Green Deal“, also dem Erreichen der Klimaziele bis 2050, erschwert beziehungsweise eingebremst.

Ohne Erdgas nur Schmalspurfrühstück

„Die Klima- und Energiewende muss aber vor allem ökonomisch gedacht werden, weil die Auswirkungen auf alle Bereiche gravierend sein werden“, mahnt IV-Generalsekretär Neumayer. Gleichzeitig dürfe man jedoch weiterhin nicht die Augen vor einem drohenden Gaslieferstopp aus Russland oder vor möglichen Engpässen verschließen. 

Die Auswirkungen auf die Industriebetriebe würden direkt und schnell bis in den Alltag durchschlagen. Knill macht es am Beispiel Frühstück deutlich: Ohne Gas gibt es keine Milch für den Kaffee, weil Molkereien die Milch nicht pasteurisieren können, kein Brot, weil die Öfen in den Bäckereien nicht mehr laufen, keine Wurst, weil sie nicht mehr verpackt werden kann, und keine Zeitung, weil die Papierindustrie steht.

Credits Artikelbild: IV Müller

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