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Entfesselte Best Ager: Wenn Pensionisten den Unruhestand vorziehen

Die BabyboomerInnen gehen in den Ruhestand und stellen den Arbeitsmarkt damit vor eine große Herausforderung. Dabei wollen manche gar nicht aufhören, sondern noch einmal richtig durchstarten. Wie etwa Richard Kaan. Ein Trend, der sich gerade in Hinblick auf den Fachkräftemangel positiv auswirken könnte.

Das Lieblingsrestaurant hat plötzlich über Mittag geschlossen. Der Flug in den Urlaub wird ersatzlos gestrichen. In der Kinderkrippe ist kein Platz mehr frei. Der Grund ist immer der gleiche: Es fehlt das Personal. Und obwohl man vielerorts erkannt hat, dass Handlungsbedarf besteht, und Unternehmen vermehrt versuchen, die Lehre aufzuwerten oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern, gibt es einen Pool an potenziellen Arbeitskräften, in dem noch kaum gefischt wird: rüstige Seniorinnen und Senioren. Rund 1,75 Millionen Menschen über 65 leben derzeit in Österreich, das sind fast 20 Prozent der Bevölkerung. Und die nächsten stehen schon in den Startlöchern.

Viele Best Ager sind oft noch nicht bereit für den Ruhestand

Doch nicht alle träumen Ruhestand. So ergab eine Umfrage von „Seniors4Success“, dass rund 60 Prozent der befragten PensionistInnen gerne freiwillig in irgendeiner Form für das Unternehmen weitergearbeitet hätten. 

Best Ager
Richard Kaan ist einer von jenen Best Agern, die von Ruhestand nichts wissen wollen. Ganz im Gegenteil.Foto: Jimmy Lunghammer

„Heute gehen vermehrt rüstige und agile Menschen in Pension und verbleiben dort oft mehr als 20, ja 30 Jahre – Tendenz stark steigend. Aber viele von ihnen würden gerne – manche sofort, manche auch erst nach einer Übergangsphase – wieder arbeiten, wieder tätig sein“, bestätigt auch Richard Kaan, mit 68 Jahren selbst „Best Ager“. 40 Jahre lang war er als selbstständiger Unternehmer tätig gewesen, dann kam der Pensionsbescheid. Statt sich zur Ruhe zu setzen, beschloss er jedoch, zu neuen Ufern aufzubrechen. 

Lebenssinn durch wertvolle Arbeit

Heute sieht er sich als Botschafter für die Generation 50+, hält Vorträge und schreibt Bücher zu diesem Thema. Sein Ziel: den Wert der (Berufs-)Tätigkeit auch nach der Pensionierung sichtbar zu machen. Denn das Arbeiten stiftet Lebenssinn, erklärt er. „Es ermöglicht, einen Beitrag für die Gesellschaft und deren Fortschritt zu leisten. Es bietet die Gelegenheit, am sozialen Leben teilzuhaben.

Menschen im Pensionsalter sollten die Chance haben, zu möglichst guten steuerlichen Konditionen zu arbeiten.

Richard Kaan, Sprachrohr der Best Ager

Es macht spürbar, dass man noch gebraucht wird, es hält jünger und gesünder.“ Weitere Benefits seien das Erfolgsgefühl, das sich einstellt, wenn man eine neue Herausforderung gemeistert hat, und nicht zuletzt der Lohn, der angesichts der aktuellen Preissteigerungen für manche sogar lebensnotwendig sein kann. Speziell bei Frauen, die oft wegen der Kinderbetreuung enorme Gehaltseinbußen in Kauf nehmen müssen, ist die Gefahr, in die Altersarmut zu rutschen, besonders groß.

Alter von Vorteil

Doch auch die Gesellschaft ist auf SeniorenmitarbeiterInnen angewiesen. Das wissen wir spätestens seit Corona, als wegen des Personalmangels bereits pensionierte KrankenpflegerInnen, ÄrztInnen oder LehrerInnen einspringen mussten. Zudem profitieren Unternehmen von gemischten Teams, also von der personellen Vielfalt der MitarbeiterInnen. Während die meisten bei „Diversity“ aber an Geschlecht oder Herkunft denken, wird die Altersdiversität oft noch vernachlässigt. Dabei trägt der Erfahrungs- und Wissensaustausch zwischen den Generationen maßgeblich zum Erfolg vieler Projekte bei.

Plan B wie „Best Ager”

Eine Win-win-Situation sozusagen. Doch woran hapert es noch? Zum einen bedarf es Vorbereitung, und zwar von beiden Seiten. Der ideale Zeitpunkt, um mit der entsprechenden Planung zu beginnen, sei ab dem 50. Geburtstag, empfiehlt Richard Kaan. Er selbst hat in diesem Alter, rund 30 Jahre nach seinem Jusstudium, zwei Masterstudien in den Fächern Journalismus und integrierte Kommunikation abgeschlossen.

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Richard Kaan sagt: „Ich arbeite nicht mehr, ich bin jetzt tätig.“ Die Thesen hinter dieser Aussage hat er in Bücher gepackt. Um möglichst viele Nachahmer zu motivieren.Foto: Jimmy Lunghammer

Aber auch ArbeitgeberInnen sollten sich rechtzeitig darüber Gedanken machen, wie man MitarbeiterInnen im Pensionsalter halten könne. „Dafür braucht es spezielle Angebote wie flexible Zeitregelungen oder geeignete Aufgaben wie Mentorentätigkeiten, Nachwuchsbetreuung oder Ähnliches,“ erklärt Richard Kaan.

Ebenso nimmt er die Regierung in die Pflicht. Denn noch werden arbeitswilligen SeniorInnen Steine in den Weg gelegt, wie etwa die Kosten für Sozialversicherung sowie Lohn- bzw. Einkommenssteuer. Der 68-Jährige fordert daher, dass Menschen im Pensionsalter die Chance haben sollten, möglichst steuerbegünstigst zu arbeiten. Ein Freibetrag in einer gewissen Höhe wäre zum Beispiel ein guter Anfang, so sein Vorschlag. 

Bleibt nur zu hoffen, dass sich Lösungen finden und es Menschen im Pensionsalter leichter gemacht wird, berufstätig zu bleiben. 

Credits Artikelbild: Jimmy Lunghammer

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