Siemens Drehgestelle

Erfolgsschiene: ICE fährt auf Technologie aus Graz ab

Die Deutsche Bahn vergrößert ihre ICE-Flotte. Davon profitiert auch das Industrieunternehmen Siemens Mobility in Graz, wo die Drehgestelle für die Hochgeschwindigkeitszüge entwickelt und produziert werden. Jetzt gibt es einen Millionenauftrag.

Mit bis zu 320 km/h rasen ICE-Züge durch Deutschland. So benötigen sie beispielsweise für die Strecke München-Hamburg gerade einmal fünf Stunden und 41 Minuten. Die Drehgestelle – also der drehbare Rahmen, in dem die Radsätze gelagert sind – für diese Hochgeschwindigkeitszüge produziert Siemens Mobility in Graz. Der steirische Standort ist das globale Kompetenzzentrum für die Entwicklung, Fertigung und Montage von Fahrwerken, Dachstromabnehmern und Fahrwerkskomponenten in der Mobilitätssparte des Konzerns.

Die Schienen in die Steiermark wurden bereits 1993 gelegt. Die damalige Simmering-Graz-Pauker (SGP) bekam damals den Zuschlag für die Fahrwerke der zweite Generation der ICE. Da war Siemens bereits zu 26 Prozent an der SGP beteiligt (später übernahm man den Standort ganz) und außerdem schon einige Jahre beim Prestigeprojekt der Deutschen Bahn mit an Bord.

ICE: Größter Produktionsstandort in Graz

Die Anfänge des ICE reichen nämlich bis in die 1970er-Jahre zurück. Aber es dauerte bis 1991, bis mit dem Linienbetrieb des ICE das Hochgeschwindigkeitszeitalter in Deutschland tatsächlich begann. Schon für diese erste ICE-Generation lieferte Siemens. Seit dem Jahr 2000 und der dritten Generation entwickelt und baut die Mobilitätssparte des Konzern die Intercity-Express-Züge – kurz ICE – gänzlich unter eigener Federführung.

Siemens-ICE4
10.900 PS, 320 km/h Spitzengeschwindigkeit: Die Radachsen für den ICE kommen aus Graz.Foto: Siemens

Wichtige Drehscheibe ist dabei der Siemens Mobility-Standort in Graz. Er ist einer der weltweit größten Entwicklungs- und Fertigungsstandorte für Fahrwerke von Schienenfahrzeugen und hat den weltweit höchsten Automatisierungsgrad in der Fahrwerksproduktion. Durch die Verzahnung von Vorentwicklung, Entwicklung, Fertigung, Projektmanagement bis hin zum Customer Service und die enge Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Graz nutzt man das volle Potenzial der digitalen Transformation und Innovation.

ICE: 320km/h Höchstgeschwindigkeit

Die Fahrwerke beziehungsweise Drehgestelle aus dem Werk in Graz sind dafür ein Beweis. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Fahrsicherheit (Stabilität, Entgleisungssicherheit). Zudem erhöhen sie den Fahrkomfort, ermöglichen eine reduzierte Lärmemission und gewährleisten ein geringstmögliches Maß an Rad- und Infrastrukturverschleiß. 

Mittlerweile hält man bei der vierten Generation ICE. Dennoch will die Deutsche Bahn jetzt wieder verstärkt auf eine Weiterentwicklung der seit 1997 im Betrieb stehenden dritten Generation zurückgreifen und bestellte bereits 2020 bei Siemens 30 sogenannte ICE3neo-Modelle. Der Grund: Der ICE3neo ist mit seinen 10.900 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 320 km/h deutlich schneller als die vierte Baureihe (ICE4). Sie ist nur für knapp 250 km/h zugelassen. Das Neo-Modell hat zudem dank Spezialfolien frequenzdurchlässige Scheiben. Damit verbessert sich der Mobilfunkempfang während der Fahrt deutlich.

DIE SCHNELLSTEN ZÜGE

  • Ein Prototyp des ICE schaffte 1988 mit 406,9 km/h einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord für Züge.
  • Heute gilt der französische TGV mit 574 km/h als schnellster Zug auf Rädern.
  • Ein Prototyp der japanische Magnetschwebebahn Shinkansen erreichte 2015 603 km/h.
  • Der Transrapid Shanghai gilt als schnellster Zug im täglichen Regelverkehr. Er verkehrt zwischen Flughafen und Stadt und erreicht 430 km/h.
  • Die höchste Geschwindigkeit eines Zuges in Österreich erreicht der Railjet: 230 km/h.

Milliarden-Auftrag für Siemens

Noch bevor der erste ICE3neo Ende des Jahres im Regelbetrieb zum Einsatz kommt, hat die Deutsche Bahn jetzt einen Folgeauftrag an Siemens vergeben und weitere 43 Zuggarnituren bestellt. Auftragsvolumen: rund 1,5 Milliarden Euro. Von der Großbestellung profitiert naturgemäß auch das Grazer Siemens-Werk. Pro Zug mit acht Waggons kommen nämlich 16 Drehgestelle zum Einsatz. So kommen zur Order von 480 Drehgestellen für die erste Charge jetzt weitere 688 dazu.

Siemens-ICE-Fahrwerk
Ein ICE besteht aus insgesamt 5.800 Einzelkomponenten. Unter anderem sind 320 Kilometer Kabel in einer Zuggarnitur verlegt.Foto: Siemens

Das Fahrwerk für den ICE 3neo sei eine Weiterentwicklung des Drehgestells, das schon im ICE2 mit gut 950 Stück im Einsatz ist, erklärt Siemens-Sprecher Michael Braun. Es sei ein „echter steirischer Exportschlager“ und bereits 6.500-mal verkauft worden. Neben der Deutschen Bahn ist es auch bei anderen europäischen Bahnbetreibern wie der Niederländischen Staatsbahn oder der spanischen Renfe im Einsatz.

39 Mal bis zum Mond

So arbeitet Siemens Mobility derzeit zwei Großaufträge parallel ab. Bis 2024 stehen 137 ICE4-Züge für die Deutsche Bahn auf der To-do-Liste. Dazu kommen jetzt die ICE3neo. Und parallel entwickelt Siemens längst seine neueste Generation von Hochgeschwindigkeitszügen: den Velaro novo, wiederum mit starker Beteiligung aus Graz.

Die hohe Nachfrage hat auch mit der Qualität und der Langlebigkeit der Fahrzeuge zu tun. Die Nutzungsdauer beträgt in der Regel mehr als 30 Jahre. Beispielsweise fährt ein ICE der ersten Generation, der 1991 in Betrieb genommen wurde, immer noch. Er hat bereits rund 15 Millionen Kilometer abgespult. Das entspricht in etwa 39-mal der durchschnittlichen Strecke von der Erde zum Mond.

GUT ZU WISSEN

  • Ein ICE besteht aus rund 5.800 Komponenten von 320 Zulieferern, in Summe sind das rund 40.000 Teile.
  • Mehr als 320 Kilometer Kabel und 18 Kilometer Schweißnähte sind pro Fahrzeug verbaut.
  • Die Recyclingquote der ICE-Züge liegt bei mehr als 95 Prozent, beim ICE 3 sind es beispielsweise 98,1 Prozent.
  • Die ersten ICE3neo werden ab Ende dieses Jahres zwischen Nordrhein-Westfalen und München im Einsatz sein. Bis 2029 soll der letzte der nun insgesamt 73 bestellten ICE 3neo-Züge ausgeliefert werden.
Credits Artikelbild: Siemens

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