Stromanbieter profitieren derzeit massiv von den steigenden Energiepreisen. Die Regierung denkt über Gewinnabschöpfungen nach. Mögliche Folgen wären Schäden für Unternehmen und die Schwächung des Wirtschaftsstandorts.
Die Ankündigung hatte gereicht. Kurz nachdem Überlegungen der Bundesregierung für eine Gewinnabschöpfung bei teilstaatlichen börsennotierten Energieunternehmen publik wurden, sackten die Aktienkurse der betroffenen Unternehmen massiv ab. Bei Österreichs größtem Stromversorger, dem Verbund, an dem der Bund mehrheitlich beteiligt ist, gab es beispielsweise mit einem Minus von knapp 13 Prozent einen der größten Kursstürze der Unternehmensgeschichte.
„Die Aussagen haben zu erheblichen Verunsicherungen geführt“, kritisierte folglich Verbund-Chef Michael Strugl das Vorhaben der Regierung. Ein ähnliches Bild lieferte der Chart des niederösterreichischen Landesenergieversorgers EVN, der ebenfalls zu rund 80 Prozent in öffentlichem Eigentum steht. Insgesamt reduzierte sich der Wert der von der öffentlichen Hand gehaltenen Anteile beim Verbund um 4,1 Milliarden Euro, jener bei der EVN um 260 Millionen Euro.
Gewinnabschöpfung: Bundeskanzler versus Energieversorger
Was war passiert? Bundeskanzler Karl Nehammer ventilierte angesichts der aktuellen Marktsituation – einerseits explodierende Energiepreise für KundInnen, andererseits enorme Zusatzgewinne für Energieversorger – die Idee einer gesetzlichen Gewinnabschöpfung bei Energieunternehmen, an denen die öffentliche Hand (Bund oder Landesenergieversorger) Anteile hält. Betroffen wären davon eben der Verbund oder die EVN.
Das Argument: Dass die enormen Preisanstiege bei fossiler Energie wie Erdgas auch auf den Strom, der aus erneuerbaren Energiequellen wie Wasser- oder Windkraft stammt, durchschlagen, sei „schwer nachvollziehbar“. „Die Marktlogik hilft dem/der EndkundIn nicht“, zeigt Verbund-Chef Strugl Verständnis. Tatsächlich stößt die Verteuerung bei EndkundInnen wenig überraschend auf überschaubare Begeisterung. Sie ist aber Ergebnis von geltenden Marktreglements.
Wie entsteht der Strompreis?
Grundlage für den Strompreis ist nämlich ein besonderes Auktionsverfahren an der Strombörse, die sogenannte Merit-Order. Damit wird – vollautomatisiert – der Preis für die Megawattstunde Strom ermittelt. Erst kommen dabei die Kraftwerke mit dem günstigsten Stromangebot zum Zug. Dann wird stufenweise „aufgefüllt“, bis zuletzt die teuerste Energiequelle den Rest des aktuellen Strombedarfs abdeckt. Damit findet Strom aus ökologisch nachhaltigen Technologien wie Wasser, Wind und Sonne immer AbnehmerInnen.
Jede Viertelstunde wird abgerechnet. Für diese Viertelstunde bestimmt dann das teuerste Kraftwerk den gesamten Preis. Derzeit ist dies meist ein Gaskraftwerk, weshalb der Gaspreis auf die Strompreise durchschlägt. Die Energiequelle bestimmt damit den Preis. Wenn der Wind ordentlich bläst, der Wasserstand in den Flüssen hoch und gleichzeitig der Strombedarf niedrig ist, ist der Strom billig. Bei Kälte, wenig bis gar keiner Sonneneinstrahlung, Windstille oder Niedrigwasser in den Flüssen oder auch zur Netzstabilisierung braucht es dagegen „Nachhilfe“ aus Gaskraftwerken. Das treibt den Energiepreis in die Höhe.
Deshalb plädieren einige politische AkteurInnen, auf europäischer Ebene für faire Regeln in der Preisbildung zu sorgen. Man solle auf die derzeitige Ausnahmesituation Rücksicht nehmen und Maßnahmen treffen, die zu Entlastungen führen. Eine klare Absage gibt es für Aussagen und Absichten, die dem Kapitalmarkt, dem Standort und damit auch Arbeitsplätzen schaden.
Verschreckte InvestorInnen
Schließlich würden internationale InvestorInnen im Falle derartiger Ad hoc-Eingriffe in rechtliche und steuerliche Rahmenbedingungen verschreckt. Wichtige Investitionen würden in andere Länder fließen. Für heimische Unternehmen wird so die Finanzierung über den Kapitalmarkt schwieriger und generell teurer.
Zudem könnte es verfassungsrechtliche Komplikationen geben. Nämlich dann, wenn man eine Gewinnabschöpfung auf (teil)staatliche Unternehmen beschränkt und rein private Energieversorger nicht betroffen sind. „Alle Erzeuger profitieren von den höheren Preisen im Energiebereich. Und zwar völlig unabhängig davon, ob jemand mit Wasserkraft, Wind, Sonne, Kohle oder Gas Strom erzeugt, privat oder staatlich“, gibt Verbund-Chef Strugl zu bedenken.
Gewinnabschöpfung: Bremse für Erneuerbare
Darüber hinaus haben derartige staatliche Interventionen auch negative Folgewirkungen für das Erreichen der angepeilten Klimaschutzziele. Denn durch die geschwächte Handlungsfähigkeit werde auch der Investitionsspielraum jener Unternehmen eingeschränkt, die in den kommenden Jahren in den Ausbau der erneuerbaren Energien und damit in den Kampf gegen den Klimawandel investieren wollen.
Je umfangreicher und rascher aber in die österreichische Energieinfrastruktur investiert wird, desto stärker schone man nicht nur das Klima, sondern desto eher sinke auch die Abhängigkeit von fossilen Quellen aus dem Ausland und in weiterer Folge die Strompreise. „Die einzige Chance, dass wir die Preise mittelfristig runterkriegen, ist, dass wir schnell viel erneuerbare Erzeugung bauen“, drängt Strugl in einem Interview. Nur das wirke preisdämpfend.
GUT ZU WISSEN
- Der Staat ist Mehrheitseigentümer beim Verbund. Somit erhält er aus den Gewinnen nicht nur eine Dividende, sondern auch Steuern, die durch die erhöhten Erträge in größeren Mengen in die Staatskasse fließen.
- Die Möglichkeit, über die Hauptversammlung eine Erhöhung der Dividende zu erreichen, bestünde für den Staat somit bereits.
- Diese Mittel könnten dann zielgerichtet für Entlastungsmaßnahmen eingesetzt werden.
- Einem zusätzlichen Abschöpfen der Gewinne stehen WirtschaftsexpertInnen daher skeptisch bis klar ablehnend gegenüber.