Joe Biden

Neuer Präsident, alte Probleme: Was kommt mit Joe Biden?

Die USA haben einen neuen Präsidenten. Und was hat die Welt davon? Auf Joe Biden wartet ein Baustellen-Marathon: Pandemie-Bekämpfung, Konjunkturankurbelung, Klimaschutz, Handelskonflikte. Darf man sich auf eine Kehrtwende einstellen?

Die ersten Schritte in die Nach-Trump-Ära ging der neue US-Präsident Joe Biden schnell. Und im Rückwärtsgang. Er folgte dem Motto: „Vorwärts Kameraden, wir müssen zurück“ – zurück ins Pariser Klimaschutzabkommen, zurück an den Verhandlungstisch der Welthandelsorganisation (WTO), zurück in die Weltgesundheitsorganisation (WHO), zurück zu mehr Kooperation. Die Weltmacht will zurück zu alter Stärke.

Joe Biden
Eines der allerersten offiziellen Facebook-Postings des neuen Präsidenten Joe Biden.Foto: Facebook | Joe Biden

Aber was darf man sich von der neuen Administration in Washington tatsächlich erwarten? Die Umgebungsbedingungen sind herausfordernd. Die Corona-Pandemie ist mit ganzer Kraft in der amerikanischen Wirklichkeit angekommen.

Zahl der Corona-Toten höher als jene der im Zweiten Weltkrieg Gefallenen

Die Zahl der Corona-Toten in den USA ist mit rund 406.000 mittlerweile höher als jene der während des Zweiten Weltkriegs im Kampf gefallenen oder auf andere Weise gestorbenen US-Soldaten. Die Ausgaben zur Eindämmung der Pandemie klettern ebenso rasant wie die Arbeitslosenzahlen.

Abseits der wirtschaftlichen Grabenkämpfe mit China und Normalisierungsbemühungen mit der EU steht auf geopolitischer Ebene ein strategisches Hakelziehen mit Russland und dem Iran auf der Tagesordnung. Und „daheim“ in den USA wartet eine verunsicherte und gespaltene Gesellschaft.

Kann Joe Biden das alles reparieren? Worauf muss man sich mit dem neuen Mann im Weißen Haus einstellen? Sind die Hoffnungen auf eine Normalisierung überzogen? Was wird man in Österreich vom Machtwechsel bemerken? Michael Löwy, Experte für Internationale Beziehungen, liefert Antworten.

Michale Löwy
Michael Löwy ist Experte für Internationale Beziehungen. Er hat sich für Fakt & Faktor die aktuelle Situation in den USA angesehen und analysiert.Foto: IV

Werden sich die Wirtschaftsbeziehungen zu Europa entspannen?

Kooperationsklima statt Konfliktkultur? Die EU und USA sind füreinander die jeweils wichtigsten Exportpartnerinnen und binden 30 Prozent des Welthandels. Der Wert des Warenhandels zwischen den USA und der EU wuchs zwischen 2009 und 2019 von 296 auf 616 Milliarden Euro.

Es war Obama, der als ersten Akt das Gipfeltreffen mit der EU abgesagt hat!

Michael Löwy, Experte für Internationale Beziehungen

Unter Trump hat sich aber fortgesetzt, was schon mit Vorgänger Barack Obama begann: Die Abkehr von Europa und die Hinwendung zum asiatisch-pazifischen Wirtschaftsraum, dem viel größeres Wachstumspotenzial zugemessen wird. „Das wird sich unter Biden nicht ändern“, ist Michael Löwy überzeugt. Es werde zwar zu einer Entspannung und Verbesserung der Beziehungen mit Europa kommen, aber keine Rückkehr zu den engen transatlantischen Beziehungen von einst geben. „Es war Obama, der als ersten Akt das Gipfeltreffen mit der EU abgesagt hat“, erinnert Löwy.

Wird TTIP wiederbelebt?

Die Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen wurden dagegen von Donald Trump aufgekündigt. Wird es unter seinem Nachfolger eine Art Wiederbelebungsversuch geben? Michael Löwy bleibt vorsichtig: „Es ist noch zu früh, um das beurteilen zu können.“ Entsprechende Signale der EU und Forderungen aus der österreichischen Industrie gibt es jedenfalls. Löwy drängt diesbezüglich auf einen pragmatischen Zugang. „Zumindest für Teile des Gesamtpakets kann es ja Einigungen geben – das wäre besser als gar kein Abkommen.“

Die Abhängigkeit von guten Wirtschaftsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten trifft Österreich mehrschichtig: Einerseits sind die USA nach Deutschland wichtigster Handelspartner.. andererseits sind die USA wichtigster Handelspartner Deutschlands, vor allem des für Österreich wichtigsten Bundeslands Bayern.

Wird der Handelskrieg mit China fortgesetzt?

Das Verhältnis zu China – Stichwort: Handelskrieg – gilt als vergiftet. „Diese Zuspitzung wird sich aufweichen“, glaubt Michael Löwy, „verschwinden wird sie aber nicht.“ Unter Biden wird es wieder ein stärkeres Aufeinanderzugehen geben, aber keine völlige Trendumkehr: China bleibt wirtschaftspolitisch Hauptkonkurrent auf der Weltbühne.

Unter Biden wird es wieder ein stärkeres Aufeinanderzugehen geben, aber keine völlige Trendumkehr.

Kann Joe Biden die Ankurbelung der US-Wirtschaft gelingen?

Ganz so dramatisch wie in Europa ist die Wirtschaft der USA aufgrund der Corona-Krise nicht eingebrochen. Und wäre das Virus nicht gekommen, die Wahl wäre vielleicht anders ausgegangen. Denn unter Trump sank die Arbeitslosigkeit und es stieg die Beschäftigungsquote der schwarzen Bevölkerung, der Latinos und Hispanics. Ausgerechnet unter dem Turbokapitalisten verringerte sich die Ungleichheit in den USA, bilanziert „Der Spiegel“.

Donald Trump
Interessanter Aspekt: Unter Donald Trump sank die Arbeitslosigkeit und es stieg die Beschäftigungsquote der schwarzen Bevölkerung, der Latinos und Hispanics. Corona überschattet diese Bilanz jedoch.Foto: Facebook | Donald Trump

Corona überschattete in der Endphase aber Trumps wirtschaftliche Erfolge. Die Arbeitslosenquote lag zuletzt (November) bei 6,7 Prozent und damit deutlich über dem Vor-Corona-Niveau (Corona brachte zu Jahresmitte 2020 gar einen kurzzeitigen Anstieg auf rund 14 Prozent). Aber: Rekordarbeitslosigkeit gibt es aktuell auch in jedem europäischen Staat, unabhängig von der Regierung.

Und: Die enormen Schwankungen basieren auf der Hire & Fire-Tradition in den USA: Es gibt einen nur schwachen arbeitsrechtlichen Schutz gegen Kündigungen. Daher entlassen Unternehmen MitarbeiterInnen auch schneller. Umgekehrt gibt es aber auch schneller wieder Anstellungen, sobald die Konjunktur anzieht.

Kommt mit Joe Biden das Ende des Protektionismus?

Nein, daran glauben WirtschaftsexpertInnen nicht. Trumps „America first“ wurde abgelöst von Bidens „Buy American“. Das Bevorzugen der eigenen Unternehmen soll Arbeitsplätze sichern (was unter Trump ja auch gelang). Michael Löwy rechnet sogar mit einer teilweisen Verschärfung. Er verweist auf die von Biden angekündigte Strafsteuer für US-Unternehmen, sollten sie ihre Produktion ins Ausland verlegen, um dann die fertigen Produkte in die USA zu liefern.

Wird Joe Biden die Spaltung der Gesellschaft kitten können?

Michael Löwy differenziert: „Auch in einem ähnlich großen Markt wie der EU gibt es eine enorme Vielfalt an Meinungen und Kulturen.“ Die gesellschaftliche Spaltung in den USA sei vor allem auch ein Produkt der Zuspitzung im Wahlkampf oder zumindest immer schon ein Problem gewesen.

Joe Biden
Kann Joe Biden die Gesellschaft wieder einen? Die Hoffnung ist da.Foto: Facebook | Joe Biden

Die Vermögensverteilung in den USA ist jedenfalls „radikalisiert“: Der größte Teil des Vermögenszuwachses ging im letzten Jahrzehnt an die Bestverdienenden. Sie hatten auch die größten Einkommenszuwächse zu verzeichnen. Ihnen gehören jetzt knapp 80 Prozent des Gesamtvermögens. Das reichste Prozent der US-Bevölkerung hält rund 30,4 Prozent des Gesamtvermögens, die untere Hälfte zusammen nur 1,9 Prozent. 25 Prozent haben keine Ersparnisse.

Joe Biden will große Unternehmen höher besteuern

Vor dem Hintergrund beispielsweise eines lückenhaften Gesundheitssystems ist diese Spreizung ein soziales Pulverfass. Biden will dagegen steuern. Er hat unter anderem eine Steuerreform angekündigt, bei der der Spitzensteuersatz wieder auf 39 Prozent angehoben und niedrige Einkommen entlastet werden. Zudem will Biden eine Mindeststeuer von 15 Prozent für Unternehmen, die mehr als 100 Millionen Gewinn machen. Und für Gewinne im Ausland sollen die Unternehmen zukünftig 21 statt 10,5 Prozent an Steuern in den USA abliefern. „Gerade jetzt, wo auf OECD-Ebene über einen Mindeststeuersatz für Konzerne verhandelt wird, ist das ein deutliches Signal der USA, auch auf globaler Ebene effektive Lösungen zu finden“, sagt Dominik Bernhofer in einer Analyse für den „trend“.

Für Gewinne im Ausland sollen die Unternehmen zukünftig 21 statt 10,5 Prozent an Steuern in den USA abliefern.

Und auch das grundmarode Gesundheitssystem will Biden im Rahmen seines 1,6 Billionen Euro schweren Konjunkturprogramms reformieren. Es soll breiter zugängig sein, ohne dass sich die AmerikanerInnen zwangsversichern müssen.

Was bedeutet Joe Biden für Europa?

„Die EU muss sich als selbstständige Akteurin und größte Handelsmacht positionieren und definieren, welche Art der Globalisierung mit Wettbewerbsregeln, Digital- und CO2-Steuern sie will“, sagt Ex-Wifo-Chef Karl Aiginger. Nur weil die USA zurück auf dem internationalen Parkett sind, kann die EU sich darum nicht herumschummeln, eine eigene Position zu haben.

Europa hat verabsäumt, sich als militärischer Ansprechpartner zu etablieren.

Micherl Löwy, Experte für Internationale Beziehungen

Und auch Michael Löwy sieht für die EU auch abseits purer Wirtschaftspolitik eine Bringschuld: „Europa hat verabsäumt, sich als militärischer Ansprechpartner zu etablieren.“ Sicherheitspolitik sei für große Staaten aber wichtig und werde oft mit Wirtschaftspolitik vermischt. Insofern glaubt er zwar an eine klimatische Entspannung, warnt aber vor voreiliger Euphorie.

Die Beziehung zwischen Österreich und den USA in Zahlen:

Die USA sind nach Deutschland die zweitbedeutendste Exportdestination für österreichische Waren, die sechstwichtigste für Dienstleistungen und der drittgrößte Investor in Österreich.

  • Heimische Betriebe schaffen in den USA rund 48.500 Arbeitsplätze.
  • Von den 700 österreichischen Unternehmen mit Präsenz vor Ort sind ca. 200 produzierend tätig.
  • In Österreich sind etwa 335 US- Firmen aktiv
  • US-Investitionen in Österreich sichern ca. 16.500 Arbeitsplätze.
  • Mit einem täglichen Warenhandelsvolumen von 1,7 Milliarden Euro sind die USA und die EU  die am engsten miteinander verflochtenen Wirtschaftsräume der Welt.

Der Warenhandel:
Österreichische Exporte in die USA: 7,6 Milliarden Euro
Österreichische Importe aus den USA: 4,33 Milliaren Euro

Der Dienstleistungshandel:
Österreichische Exporte in die USA: 2,03 Milliarden Euro
Österreichische Importe aus den USA: 2,2 Milliaren Euro

Die Direktinvestitionen:
2019 passiv: 12,24 Milliaren Euro
2019 aktiv: 12,28 Milliarten Euro

Credits Artikelbild: Facebook | Joe Biden

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