Kelly’s ist einer der größten Abnehmer für Erdäpfel und Mehl in Österreich. Was daraus wird? Knabbergebäck. Corona bescherte diesem Markt Rekordumsätze.
Was Coca-Cola und Soletti gemeinsam haben? Die Legende, dass nur eine Person das genaue Rezept kennt. Die Wirklichkeit sieht zumindest bei den stricknadeldicken, knusprigen Laugenstangerln etwas anders aus: Das gesamte Team des Qualitätsmanagements bei Kelly’s weiß bis ins kleinste Detail, wie viel wovon wann wohin kommt, damit am Ende krosse Snacks in der Packung landen.
Allein die Einkaufsliste für die beliebte Zwischendurch- und Nebenbeimahlzeit ist beeindruckend: Rund 29.800 Tonnen Erdäpfel werden jährlich verarbeitet. Dazu kommen zwei Tonnen Maisgries, 13.000 Tonnen Mehl und 1.100 Tonnen Salz. Allesamt aus österreichischer Produktion. Das Salz kommt von den Salinen Austria, die Erdäpfel liefern 93 VertragslandwirtInnen aus der Region rund um das Kelly’s Hauptwerk in Wien-Donaustadt.
Kelly’s: 25.000 Tonnen Knabbergebäck
Die Ackerfrüchte kommen aus dem Burgenland und Niederösterreich – der kürzeste Anlieferweg ist dabei gerade einmal sechs Kilometer lang. Nicht immer ist es aber dieselbe Erdäpfelsorte, nicht immer hat es der Frittiermeister somit mit Knollen mit derselben Stärkemenge zu tun – immer aber soll am Ende derselbe Geschmack und dieselbe Qualität herauskommen.
Verarbeitet werden die Rohstoffe im Stammwerk in Wien zu Chips, Popcorn, Pellets (Pombären) und Extruder (Snips). Insgesamt sind es Waren mit einem Gesamtgewicht von 12.000 Tonnen, die hier produziert werden. Dazu kommen noch einmal 13.000 Tonnen, die am zweiten Kelly’s-Standort in Feldbach in der Steiermark hergestellt werden – hier aus den Produktfamilien Laugengebäck, Cracker und Popped Snacks.
Umsatzplus dank Corona
Der Absatz- und Umsatzmotor brummt. Und das seit Jahren. 2006 erwirtschaftete man noch einen Umsatz von 106 Millionen Euro. 2015 waren es schon 163 Millionen, im vergangenen Jahr bereits 215,2 Millionen Euro – gegenüber 2019 ein Plus von knapp über zehn Prozent. „Schuld“ daran ist nicht zuletzt Corona.
Möglicherweise haben wir das Glück und können im Rahmen der Fußball-EM vom Snackkonsum zu Hause profitieren.
Aus Mangel an Alternativen zum Sofasurfen in den eigenen vier Wänden griffen die ÖsterreicherInnen verstärkt zu den raschelnden Verpackungen mit ihren knuspernden Trostspendern. Für die Hersteller eine lukrative Entwicklung: Knapp 400 Millionen Euro Umsatz ist der Knabbergebäckmarkt in Österreich „schwer“. Im coronageprägten Jahr 2020 gab es laut dem Marktforschungsinstitut AC Nielsen ein Gesamtwachstum von 13 Prozent.
„Diät“ bei Inhaltsstoffen
Und die Aussichten fürs heurige Jahr sind heiter: „Möglicherweise haben wir das Glück und können im Rahmen der Fußball-EM vom Snackkonsum zu Hause profitieren“, heißt es bei Kelly’s fast schüchtern. Bislang erwiesen sich derartige Großereignisse immer noch als aufgelegter Elfmeter in Sachen Verkauf.
Um einer anderen Statistik – über 50 Prozent der ÖsterreicherInnen gelten laut marketagent.com nach dem Body-Mass-Index als übergewichtig – diesbezüglich keinen Zündstoff zu liefern, folgt Kelly’s bei den Inhaltsstoffen der Produkte seit 15 Jahren einem strengen „Diätkurs“.
Verzicht auf Palmöl
So sank der Anteil an gesättigten Fettsäuren seit 2006 um 75 Prozent, der Zusatz von künstlichen Geschmacksverstärkern seit 2007 um 85 Prozent. Seit 2009 verwendet Kelly’s bei jedem neuen Markenprodukt nur noch natürliche Aromen. Und seit vergangenem Jahr verzichtet man zudem gänzlich auf Palmöl.
Der jüngste Coup: Kelly’s „4 in 1 Chips“, die die vier Trendfoods Linsen, Reis, Bohnen und Erbsen in einem Produkt kombinieren. Ob das die Verstoffwechslung von Knabbergebäck in Hüftgold bremst? Schon jetzt liegt der Pro-Kopf-Verbrauch in Österreich bei 4,5 kg Chips, Laugengebäck und Co. pro Jahr? Tendenz: steigend. Vor zehn Jahren waren es „nur“ drei Kilo.
US-Soldat als Gründervater
Es sind jedenfalls Teile einer Unternehmensgeschichte, die immer schon auch den Geschmack des Zeitgeists traf. So liegen die Wurzeln im von Aufbruchsstimmung und Neubeginn-Spirit geprägten Staatsvertragsjahr 1955. Damals gründete der ehemalige US-Besatzungssoldat Howard Morse Kelly zusammen mit dem Österreicher Herbert Rast die „American Popcorn Company“. Zehn Jahre später wurde das Unternehmen in Kelly Ges.m.b.H umbenannt.
1976 wuchs das Unternehmen um die Hollabrunner Chips-Produktion (wo bis 2003 produziert wurde), 1985 kam die die Feldbacher Backwarenfabrik – die Heimat der Solettis – dazu. Die Steirer ergänzten die Kelly’s-Erfolgsgeschichte durch ein Beispiel aus dem Kapitel „Pragmatische Lebensmittelindustrie“, deren Wurzeln bis 1949 zurückreichen. Damals produzierte die Feldbacher Bäckerei Zach unter anderem Brezeln, die aus dünnen Teignudeln geformt wurden. Händisch. Um die Produktion zu vereinfachen, verzichtete man versuchsweise auf das Flechten und produzierte gerade Teigstreifen.
Gardemaß: elf Zentimeter
In Zusammenarbeit mit der Maschinenfabrik Krobath wurde schließlich ein Rotationsschneider entwickelt, um größere Mengen schnell und effizient produzieren zu können. Diese Maschine konnte genau elf Zentimeter lange Teigstreifen schneiden. Die Länge blieb das Gardemaß der dünnen Laugensalzstangerl und ist es heute noch.Die Produktionsanlage in Feldbach gilt als die größte Backstraße für Salzstangerl in Europa. 3.000 Tonnen davon werden pro Jahr produziert.
GUT ZU WISSEN
- Kelly’s hat 2020 an den beiden Standorten in Wien und Feldbach 31.320 Tonnen Knabbergebäck produziert.
- Die Chips werden zu 100 Prozent aus heimischen Erdäpfeln hergestellt. Mit den VertragslandwirtInnen werden mit einem Vorlauf von zwei Jahren die Mengen und Sorten vereinbart.
- Mit 356 MitarbeiterInnen wurde im Jahr 2020 ein Umsatz von 215,2 Millionen Euro erwirtschaftet (plus 10,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr).
- Kelly’s und Soletti sind sogenannte „Superbrands“ und zählen zu den beliebtesten Marken in Österreich.