Kommentar: War es das mit der Globalisierung?

Endlich Ende: Das Corona-Tal scheint durchschritten. Aber wie geht es jetzt weiter? Hat die Globalisierung Zukunft? Braucht die österreichische Wirtschaft die Welt? Braucht die Welt die österreichische Wirtschaft? Ganz eindeutig ist nur eine Antwort, meint Fakt & Faktor-Chefredakteur Klaus Höfler.

Musste das alles so kommen? Der Zusammenbruch der Wirtschaft, der Kollaps der Globalisierung, die Selbstzerstörung einer auf Profitmaximierung fokussierten Konsumgesellschaft? Standen wir nicht ohnehin schon auf der Kippe – und Corona gab nur den entscheidenden „Schubser“?

Fragen wie diese poppten schon kurz nach Beginn der pandemischen Restriktionen auf. Sie stehen noch im Raum – auch wenn kritische Rückblicke in Zeiten optimistischen Nachvorneschauens nicht en vogue sind. Das liegt vor allem auch am Marketingtalent der Zukunft. Sie verkauft sich als verheißungsvolles Versprechen. Als Arena des Aufbruchs. Als Bühne der Besserung. Nur: Was ist das Narrativ des Neuen?

Globalisierung stößt auf Widerspruch

Der tradierte Erzählfluss ist abgerissen. Eine Polarisierungsdynamik, die die Erfolgsgeschichte der Globalisierung hinterfragt, hat Platz gegriffen. Deren Kernthese, dass – wenn Waren, Arbeit, Kapital und Personen möglichst ungehindert zirkulieren können – der Wohlstand wächst, weil alle ihre Stärken ausspielen können, stößt auf Widerspruch. Auch wenn die Statistik dagegenhält. So ist mit wachsender Globalisierung die Zahl der Menschen, die in absoluter Armut leben, seit den 1980er-Jahren gesunken: laut Weltbank von 37 auf derzeit 8,5 Prozent. Global betrachtet ist die Schere zwischen Arm und Reich damit nicht auseinandergegangen. Vielmehr ist die Spreizung enger geworden.

Was wäre überhaupt die Alternative? Protektionismus? Regionalisierung? Gerade für eine kleine Exportnation wie Österreich, in der jeder zweite Arbeitsplatz direkt oder indirekt durch den Außenhandel generiert und ein Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung durch ausländische Endnachfrage bestimmt wird, würde das den Ausnahmezustand wohl nur verlängern.

Kirchplatzdenken ist fehl am Platz

Ja, das Überdenken weltweiter Vernetzung, das Knüpfen weniger komplexer Lieferketten, die Reduktion von internationalen Abhängigkeiten ist das Gebot der Stunde. Aber in einer Volkswirtschaft, die derart – von Rohstoffen über Vorprodukte bis zu Absatzmärkten – vom Ausland abhängt, wäre zu viel Dorfidyll und Kirchplatzdenken wenig hilfreich. 

Es ist Hauptaufgabe der Politik, diesbezüglich eine gerechte Ordnung zu schaffen, um tatsächlich gestärkt aus der Krise herauszugehen. Schafft sie das? Schwierig! Die Pandemie hat schonungslos Schwachstellen offengelegt. Es hapert beispielsweise an lebenswichtigen Strukturen für Innovationssysteme – nämlich, dass die Schnittstellen zwischen privatem und öffentlichem Sektor gut und zeitgemäß aufgestellt sind. Da liegt noch immer viel im Argen. In den politischen Institutionen dominiert von der EU-Ebene über nationale Parlamente bis hin zu Gemeindestuben ein komplexer „Clash of Interests“ aus Ideologien und Interessen.

Neue Qualität der Flüchtigkeit

Dazu kommen allgemeine Heraus- und Überforderungen wie die Digitalisierung, die unser Bewusstsein neu formatiert hat. Die Art des Erwerbs, der Weitergabe und der Speicherung von Wissen hat sich – beschleunigt durch Corona – verändert. Es herrscht eine neue Qualität der Flüchtigkeit. Es gibt eine Verdichtung unfassbarer Vielfalt. Es dominiert eine Vereinfachung komplexer Zusammenhänge. Diese beschleunigte Oberflächlichkeit entwertet vielfach die Gegenwart, weil sie schon gestern nicht mehr auf dem Stand von morgen war. 

Aber muss man deswegen gleich kampflos ins Exil der Kapitulation emigrieren? Sicher nicht. Denn eines ist fix: Die Zukunft kommt. Ganz losgelöst von den Prognosen unseres Untergangs.

 

Credits Artikelbild: Titlebild: Adobestock | Hurcka

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