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Trotz Europhorie wackelt der Bier-Rekord

Bier sei krisensicher, dachte man immer. Doch das war vor der Pandemie. Nun haben zwar die Lokale wieder geöffnet, und auch der Anpfiff zur Fußball-EM ist erfolgt, aber wird man darauf anstoßen, als wäre nichts gewesen oder heißt auch hier der Endgegner Corona? Eine bierige Analyse.

Ohne Bier gäbe es den FC Liverpool nicht. Denn gegründet wurde der englische Fußballverein im Jahr 1892 von einem gewissen John Houlding. Er besaß nicht nur eine Brauerei und ein Hotel mit Pub, sondern auch ein Fußballfeld an der Anfield Road, auf dem ursprünglich der FC Everton trainierte. Allerdings nur so lange, bis der Geschäftsmann, der nebenbei auch Oberbürgermeister der Stadt Liverpool war, die Pacht erhöhte – von 100 auf 250 Pfund. Außerdem forderte er das Monopol für den Getränkeverkauf im Stadion. Damit schoss John Houlding sich jedoch ins Abseits, und der FC Everton verlegte seine Heimspiele in den Goodison Park, der nur wenige hundert Meter Luftlinie von Anfield entfernt liegt.

Was jetzt? Der Brauereibesitzer hatte zwar immer noch sein Stadion, aber keine Mannschaft, um es mit Menschen zu füllen, die seine Bierfässer leeren würden. Also stellte Houlding ein neues Team zusammen und gründete den FC Liverpool.

In guten wie in schlechten Zeiten?

Man könnte also sagen, dass Fußball und Bier eine lange und innige Beziehung führen – mit Höhen und Tiefen. Und das natürlich nicht nur in England. Aber übersteht sie auch eine Pandemie, die dazu führte, dass Lokale über mehrere Monate hinweg geschlossen und Fußballspiele vor leeren Rängen ausgetragen werden mussten?

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Geschäftsführer Thomas Gerbl und sein Team stellen sich dem Angstgegner Corona: Die Brauerei rettete während der Krise nicht nur Bier, sondern auch viele Arbeitsplätze.Foto: Stiegl

Wir haben bei Thomas Gerbl nachgefragt. Er ist Geschäftsführer von Stiegl, der größten Privatbrauerei des Landes. Die gute Nachricht gleich vorweg: Stiegl ist bestens auf die Euro vorbereitet und hat genug Bier gebraut und eingekühlt. Die schlechte: Den Rekord aus dem Jahr 2006 wird man auch heuer nicht knacken. Denn damals wurden während der Fußball-WM im Juni 19 Millionen Stiegl-Halbe getrunken. Oder um es bildlich darzustellen: In nur einem Monat haben Stiegl-Fans den Inhalt von fast vier olympischen Schwimmbecken (50 Meter lang, 25 Meter breit und 2 Meter tief) geleert. Damit liegt die Latte einfach zu hoch.

Angstgegner Corona

Um an diese Zahlen auch nur annähernd heranzukommen, fehlen schlichtweg die Großevents. Vielleicht auch die Stimmung. Denn die Pandemie sitzt uns noch tief in den Knochen. Große Nahrungsmittelhersteller halten deshalb, was den Werberummel zur Fußball-Europameisterschaft angeht, den Ball flach oder verzichten gänzlich auf Kampagnen. Bei Stiegl will man sich vom Angstgegner Corona hingegen nicht einschüchtern lassen. Im vergangenen Jahr brachte man trotz geschlossener Wirtshäuser das neue Stiegl-Hell auf den Markt. Heuer setzt man bewusst auf ein Euro-Gewinnspiel mit eigens gestalteten Bierdosen und 12er-Tragerl.

Abwarten und Bier trinken

Prognosen über den Bierkonsum während der heurigen Fußball-EM wagt Thomas Gerbl aber nicht anzustellen. Dazu fehlen Erfahrungs- sowie Vergleichswerte. „Nachdem große Public Viewings zur EM heuer nicht stattfinden, haben wir einfach einen guten Fußballmonat für Handel und Gastronomie eingeplant, denn vermutlich werden einige Gastronomen und Gastronominnen die Matches übertragen.“

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Prall gefüllte Stadien oder das sonst so beliebte Public Viewing wird es bei dieser EM wohl nicht geben. Die Salzburger Traditionsbrauerei hofft jedoch auf gut besuchte Gasthäuser.Foto: GEPA pictures/ Philipp Brem

Für den Fall, dass die angedachten Public Viewings zu den Finalspielen in der Stiegl-Brauwelt genehmigt werden, sei man gerüstet. „Wir haben eine eigene Schnelltest-Station für unsere Gäste eingerichtet, damit auch Spontanbesuche möglich sind. Bei Schönwetter haben wir uns außerdem etwas Neues einfallen lassen. Denn dann fließt unser Stiegl-Goldbräu frisch aus unserem Bierbrunnen“, verrät Thomas Gerbl.

Reine Geschmacksfrage

Erfinderisch wurde Stiegl auch während der Lockdowns. Obwohl letztes Jahr im Frühjahr zwischen all dem Toilettenpapier auch mehr Bierkisten als sonst im Einkaufswagen landeten, musste die Brauerei zigtausend Fässer Bier wieder von Skihütten und Gasthäusern zurückholen. Dabei wird der Gerstensaft mit zunehmendem Alter nicht schlecht, sondern einfach nur anders. „Bier ist ein Frischeprodukt und verändert natürlich seinen Geschmack, doch wie wir wissen, ist dieser ja zum Glück verschieden.

Wir haben eine eigene Schnelltest-Station für unsere Gäste eingerichtet, damit auch Spontanbesuche möglich sind.

Stiegl-Geschäftsführer Thomas Gerbl über angedachte Public Viewings in der Stiegl-Brauwelt

Auf alle Fälle kann Bier, auch wenn es älter ist, bedenkenlos genossen werden. Manche Bierstile werden durch eine längere Lagerung sogar geschmacklich interessanter. Doch ein klassisches Märzen wie unser Goldbräu oder auch unser neues Helles schmecken am besten frisch“, erklärt der Stiegl-Geschäftsführer.

Verkochen statt vernichten

Was macht man nun aber mit tausenden Fässern Bier, die zwar noch gut sind, aber nicht verkauft werden dürfen, weil das Mindeshaltbarkeitsdatum kurz vor dem Ende steht? Wegschütten wie in England, wo fast 50 Million Liter Bier im Abfluss landeten? Die Salzburger Traditionsbrauerei entschied sich für einen anderen Weg. Einen nachhaltigeren, der nicht nur Bier retten, sondern auch neue Arbeitsplätze für Frauen schaffen sollte. Denn gerade die sind besonders von der Corona-Krise betroffen.

Gemeinsam mit der Organisation „frauenanderskompetent“ startete Stiegl deshalb ein Kreislaufwirtschaftsprojekt. Arbeitslose Frauen wurden in die Brauküche geholt, um mit Unterstützung von FachbetreuerInnen Bier zu Suppen, Chutneys oder Saucen zu verkochen. Die Bierprodukte sollen aber nur der Anfang eines größeren, vom AMS unterstützten Projekts sein. Weitere werden folgen, wobei nicht nur Lebensmittel wiederverwertet werden, sondern auch andere Produkte, wie z. B. Jeans. Gut zu wissen, dass dank solcher Initiativen Hopfen und Malz nicht verloren sind.

Über Stiegl:

Die Stieglbrauerei im Salzburger Stadtteil Maxglan wurde 1492 erstmals urkundlich erwähnt und gilt somit als Salzburgs älteste noch produzierende Privatbrauerei. Der Name leitet sich von einer kleinen Stiege neben dem Bräuhaus ab. Sie führte damals von der Gstättengasse hinunter zum Almkanal, von wo man das Brauwasser holte. Seit mehr als 120 Jahren ist die Brauerei im Besitz der Familie Kiener. Insgesamt beschäftigt Stiegl rund 750 MitarbeiterInnen und beliefert etwa 15.000 WirtInnen. Als einzige Brauerei in Österreich betreibt Stiegl seit knapp 30 Jahren auch eine eigene Bio-Landwirtschaft und seit 2015 in Wildshut ein eigenes Biergut, wo alles selbst gemacht wird, angefangen vom Anbau seltener Urgetreidesorten über die Verarbeitung in der eigenen Mälzerei und Rösterei bis hin zum Brauvorgang.

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