Parlament klimaaktiv Restaurierung

Alles green in Wien: Das renovierte Parlament als Klima-Rolemodel

Gutes Klima für die heimische Politik: Mit dem „klimaaktiv-Standard“ erhielt das frisch renovierte Parlamentsgebäude die höchste Auszeichnung des Klimaschutzministeriums für hochwertige Sanierungen. Aber welche Kriterien muss so ein klimaaktives Gebäude erfüllen?

Für den dänischen Architekten Theophil Hansen war das österreichische Parlament am Ring sein Lebenswerk. 139 Jahre nach Baubeginn 1874 benötigte das geschichtsträchtige alte Gemäuer allerdings ein Facelifting. Die Zeit hatte nach mehr als 130 Jahren ununterbrochenen Betriebs ihre deutlichen Spuren an dem historischen Gebäude hinterlassen. Nicht nur Schäden und Mängel wurden immer offensichtlicher, sondern auch fehlende Barrierefreiheit. 

Zehn Jahre dauerte das gesamte Renovierungsprojekt, fünf Jahre lang wurde saniert und modernisiert. In Spitzenzeiten waren in den vergangenen fünf Jahren mehr als 550 Arbeiter:innen gleichzeitig auf der Baustelle tätig. Ein Team hochspezialisierter Restaurator:innen kümmerte sich vor Ort und in verschiedenen Fachwerkstätten um die Sanierung und Instandsetzung der originalen Ausstattung und Bausubstanz. Eine besondere Herausforderung war Theophil Hansens Wunsch, Materialien aus allen Teilen des damaligen Habsburgerreichs zu verwenden: Die Kombination verschiedenster Steinarten, Metalle, Hölzer und mehr erforderte große Genauigkeit und fachliche Kompetenz.

Sitzungssaal Parlament
Der frisch renovierte Sitzungssaal im Parlament mit Besuchergalerie unter dem neuen Kuppeldach.Foto: Parlament/Topf

Seit heuer erstrahlt das Baujuwel am Ring nun wieder in zeitgemäßem Glanz und öffnet seine Pforten für den parlamentarischen Betrieb und Besucher:innen. Und weil das Gebäude nun allen Anforderungen der modernen Zeit entspricht, wurde es für die Sanierung nach dem „klimaaktiv-Standard“ ausgezeichnet. Aber was bedeutet das eigentlich?

#1 Klimaaktiv zur Goldmedaille

Gold geht an: Österreich! Das Parlament wurde nach den anspruchsvollen Kriterien von klimaaktiv sowie den umfassenden Qualitätskriterien der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (ÖGNB) renoviert und erhielt dadurch die Auszeichnungen „klimaaktiv Gold“ und „ÖGNB Gold“ – also quasi die Goldmedaillen in Sachen Nachhaltigkeit. 

Parlamentsdirektor Harald Dossi und Bundesministerin Leonore Gewessler bei der Überreichung der klimaaktiv Gold- Plakette.

#2 Energieeffizienz? Da geht noch mehr!

Für die Herren (und wenigen Damen), die im 19. Jahrhundert das Parlament betraten, war „Energieeffizienz“ noch ein Fremdwort. Elektrisches Licht setzte sich gegen Ende des Jahrhunderts durch und kam erst in den 1920er-Jahren in manche Wiener Haushalte.

Anno 2023 steht dagegen auch im Haus am Ring Energiesparen ganz oben auf der Agenda. Die umfassend sanierten und energieeffizienten neuen Fenster und eine von Grund auf modernisierte Gebäudetechnik sorgen dafür, dass im Vergleich zum Altbestand 50 Prozent der Energie eingespart werden kann. 

#3 Lichtkonzept mit Köpfchen

Die Beleuchtung des Parlaments wurde deshalb praktisch zu Gänze auf moderne stromsparende LED-Technologie umgestellt. Ein umfassendes Energie- und Komfortmonitoring sorgt im Betrieb dafür, dass der Verbrauch so niedrig wie möglich gehalten wird.

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Restaurateur:nnen bei den Arbeiten an den Kristalllustern der Parlamentsdirektion.Foto: Thomas Topf

#4 Reine Luft im Sitzungssaal

Auch wenn im Parlament bei hitzigen politischen Debatten dicke Luft herrscht, ist deren Qualität jetzt so gut wie nie. Sowohl bei der klimaaktiv Sanierung des historischen Bestands als auch bei der Schaffung zahlreicher neuer Nutzflächen wurde nämlich ein umfassendes Chemikalienmanagement umgesetzt. Zusätzlich wird durch eine modernere Lüftungstechnik gewährleistet, dass die Innenraumluft auch im Vollbetrieb besonders schadstoffarm ist.

Parlament Renovierung Lüftung
Jeder der 183 Sitze im Parlament hat unter sich einen eigenen, nummerierten Belüftungsschacht.Foto: Parlament/Olah

#5 Kupferdach als Münze

Neugedachte Nutzungsbereiche im gesamten historischen Gebäude sorgen jetzt für einen schonenden Umgang mit Flächenbedarf und Ressourcen. Die Räume sind in weiten Bereichen auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Apropos Ressourcen: Das frühere Kupferdach des Parlaments erhielt in Kooperation mit der Münze Österreich ein Upcycling und lebt jetzt als „Demokratiemünze“ weiter.

#6 Ein Ort für alle

Mit der Sanierung hat sich das Parlament aber auch nach außen hin geöffnet und präsentiert sich seinen Besucher:innen barrierefrei und serviceorientierter als zuvor. Das „Demokratikum“ empfängt Interessierte mit einem Infopoint und dem Parlamentsshop. Direkt anschließend befindet sich die Bibliothek, wo Benutzer:innen die Bestände vor Ort durchstöbern, Bücher entlehnen und weitere Services nutzen können.

Ein Highlight versteckt sich im Dachgeschoß: Im Restaurant Kelsen (benannt nach dem Juristen Hans Kelsen, der als „Vater“ der österreichischen Verfassung gilt) werden mit regionalen Gemüseraritäten auch vegetarische sowie vegane Menüs gekocht, das im Ganzen gekaufte Biofleisch wird nach dem „Nose to Tail“-Konzept direkt im Parlament verarbeitet.

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Ungewohnter Anblick: Die historische Säulenhalle während der Renovierung.Foto: Johannes Zinner
Credits Artikelbild: Parlament/Zolles-Hofer

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