Der Güterverkehr auf Österreichs Straßen stellt uns vor eine der größten Herausforderungen in der Klimapolitik. Das Ziel ist klar: vermeiden, verlagern und saubere Alternativen finden. Eine davon könnten eHighways mit Oberleitungen für LKW sein.
Von den meisten Dingen wollen wir lieber mehr als weniger: mehr Zoll beim Bildschirm, mehr Spielzeug für unsere Kinder, mehr Auswahl im Kleiderschrank. So rollen zigtausend LKW durchs Land, um Rohstoffe, Produkte und Einzelteile heranzukarren. Damit verbunden sind allerdings auch massive Emissionen und Umweltbelastungen. Und davon wollen wir bekanntlich weniger. Denn bis 2040 möchte Österreich klimaneutral sein. Mit dem derzeitigen Kurs wird sich das aber nicht ausgehen.
Auf der Suche nach Alternativen spielt Elektromobilität eine wichtige Rolle. Geforscht wird an entsprechenden Quellen: Batterie? Wasserstoff? Oberleitungen? Ein Mix aus allem? Innovationsdruck ist jedenfalls ausreichend vorhanden. Denn gegenüber dem Jahr 1990 haben sich die Treibhausgasemissionen des Straßengüterverkehrs auf fast neun Millionen Tonnen im Jahr 2019 verdoppelt, heißt es in einer Analyse des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ).
Plus 45 Prozent beim Güterverkehr
Damit war der LKW-Verkehr für rund 36 Prozent der Emissionen verantwortlich, die vom Straßenverkehr verursacht wurden, Tendenz steigend. Denn Prognosen des Zentrums für Transportwissenschaft und Logistik der WU Wien zufolge wird der Güterverkehr in und durch Österreich bis 2040 um rund 45 Prozent zunehmen. Ein Plus, das man selbst durch eine Erhöhung des Anteils der Bahn im Güterverkehr nicht auffangen kann. Vermeiden liegt uns also offensichtlich nicht, verlagern allein ist zu wenig. Bleiben noch saubere Alternativen.
Zwei Technologien, von denen man sich viel verspricht, sind der Wasserstoff- und der Batterieantrieb. Vor allem letzterer ist bereits am PKW-Markt im Kommen. Aber auch einige LKW-Hersteller setzen schon auf Elektromodelle. Derzeit sind diese aber noch doppelt so teuer wie Lastwagen mit fossilem Antrieb, was viele abschreckt. Eine weitere Frage ist, wo die Schnellladestationen stehen sollen, um ganze Flotten laden zu können. Denn wenn zigtausende LKW Strom tanken, braucht man erstens viel Platz, da das Laden länger dauert als herkömmliches Tanken, und zweitens genügend Strom.
Sind eHighways die Lösung?
Abhilfe könnten elektrifizierte Autobahnen, sogenannte eHighways, schaffen. Strecken, auf denen Lastkraftwagen, ähnlich wie Züge, O-Busse oder Straßenbahnen während des Fahrens mit sauberem Strom versorgt werden. Oberleitungen für LKW? Was in Österreich noch diskutiert wird, wird in Deutschland bereits auf drei Strecken, die mit Technologie von Siemens Mobility ausgestattet sind, getestet. Der erste eHighway Deutschlands liegt in Hessen auf der A5 zwischen den Anschlussstellen Zeppelinheim/Cargo City Süd des Frankfurter Flughafens und Darmstadt/Weiterstadt.
Das mag nicht sonderlich spektakulär klingen, aber auf diesem Autobahnabschnitt fahren mehr Fahrzeuge als auf den meisten anderen Strecken in Deutschland. 135.000 Kraftfahrzeuge sind es pro Tag, darunter 14.000 LKW. Die ideale Teststrecke also. Seit Mai 2019 ist „Elisa“ (kurz für: elektrifizierter, innovativer Schwerverkehr auf Autobahnen), wie der elektrifizierte Abschnitt der A5 liebevoll genannt wird, befahrbar.
Hybridantrieb und smarte Stromabnehmer
Neben der Fahrbahn ragen in beiden Richtungen insgesamt 229 Betonpfosten empor und jeweils in fünf Metern Höhe in den rechten Fahrstreifen hinein. Dort sind sie über Stromleitungen miteinander verbunden. Jene LKW, die im eHighway-System genutzt werden, sehen aus wie eine Mischung aus Straßenbahn und Lastwagen. Genau wie herkömmliche LKW verfügen sie über einen Verbrennungsmotor, zusätzlich können sie aber auch rein elektrisch betrieben werden.
Der Hybridantrieb bildet gemeinsam mit einem intelligenten Stromabnehmer das Kernelement des Systems. So erkennt der LKW von selbst, wann er welchen Antrieb nutzen muss, indem er mithilfe von Sensoren ständig überprüft, ob eine Oberleitung vorhanden ist. Ist dies der Fall, fährt er den Stromabnehmer aus. Über diesen wird dann, sobald Kontakt besteht, der Elektromotor angetrieben und gleichzeitig die Batterie aufgeladen. Wenn die Oberleitung endet oder der Lastwagen den Blinker setzt, um zu überholen, wird der Stromabnehmer wieder eingefahren und die Batterie oder ein Dieselgenerator springen automatisch an. Bremst oder beschleunigt ein Lastwagen, kann die Energie auch wieder rückgeführt und über die Fahrleitung an andere abgegeben werden.
Das Ziel ist klar, der Weg noch nicht
Der Testbetrieb auf der A5 läuft noch bis 2022, zwei weitere Autobahnabschnitte sind in Deutschland dazugekommen. Auch in Schweden und den USA hat Siemens Mobility auf Teststrecken Oberleitungssysteme für Elektrohybrid-LKW installiert. Bis jetzt zieht Siemens Mobility eine positive Bilanz und rechnet vor, dass jährlich 7.000.000 Tonnen an CO2-Emissionen vermieden werden könnten, wenn 30 Prozent des Schwerlastverkehrs auf deutschen Autobahnen elektrifiziert und mit erneuerbarer Energie versorgt werden würden.
Auf dem Papier sind eHighways tatsächlich eine saubere Alternative, um Emissionen deutlich zu reduzieren. Noch sind aber einige Fragen offen, etwa ob überhaupt genügend sauberer Strom vorhanden ist, um den Güterverkehr zu elektrifizieren? Wer trägt die Kosten? Funktionieren die Oberleitungen bei jeder Witterung? Und was passiert, wenn andere Länder nicht mitziehen? So heißt es weiter testen, planen und investieren, bis hoffentlich rechtzeitig eine Lösung gefunden wird.
GUT ZU WISSEN
- Künftig kooperieren Siemens Mobility, ein eigenständig geführtes Unternehmen der Siemens AG, und Continental Engineering Services (CES) bei der Entwicklung und Fertigung von Stromabnehmern für LKW.
- Siemens Mobility ist Spezialist für Bahnelektrifizierung, CES ist Entwicklungs- und Produktionsdienstleister für Automative-Technologien.
- Entscheidend ist, dass beim eHighway nicht alle Autobahnkilometer elektrifiziert werden müssen. In Deutschland empfiehlt die „Nationale Plattform Zukunft der Mobilität“, bis 2030 das Kernnetz mit Oberleitungen auszustatten.
- Das deutsche Autobahnnetz ist insgesamt zwar 13.000 Kilometer lang. Rund zwei Drittel des Kraftstoffverbrauchs von Lastwagen fallen aber auf den meistbefahrenen 4.000 Kilometern an. Ziel ist es daher, diese zu elektrifizieren und dadurch den CO2 -Ausstoß des LKW-Verkehrs deutlich zu reduzieren.