Unser Modekonsum erzeugt Müllberge. Das Recycling funktioniert aber nur schlecht. Die heimische Textilindustrie will das ändern und setzt auf nachhaltige Innovationen – und vegane Handtücher.
Kleider machen Leute. Und Abfallberge. Mehr als 15 Kilo Textilmüll produziert jeder Mensch in Europa im Durchschnitt pro Jahr. Und es wird nicht weniger. Bis 2030, so eine McKinsey-Studie, könnten es bereits 20 Kilo pro Kopf sein.
Das Problem: Mehr als 65 Prozent landen ohne Umwege direkt in der Müllverbrennung oder auf der Mülldeponie. Nur ein Drittel der aus dem eigenen Schrank eliminierten Kleidung wird wiederverwertet. Im besten Fall bekommt sie als Secondhandmode ein „neues Leben“, ihr Potenzial als Rohstoff in einem Recyclingzyklus bleibt aber weitgehend ungenutzt. Weniger als ein Prozent wird aktuell in der EU als Textilfasern für neue Mode wiederverwertet.
Textilmüll-Recycling als Jobmotor
Dabei könnten – wenn das volle technische Recyclingpotenzial genutzt und mehr Textilien gesammelt würden – bereits im Jahr 2030 zwischen 18 und 26 Prozent des Textilmülls für die Herstellung von neuen Kleidungsstücken wiederverwertet werden, rechnet die Studie vor. Demnach würden dadurch nicht nur vier Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, sondern auch ein profitabler Wirtschaftszweig mit 15.000 Jobs in Europa entstehen. Umsatzpotenzial laut Studienautor:innen: sechs bis acht Milliarden Euro.
Basis für diesen systemischen Wandel von linearen Modellen hin zu einem kreislauffähigen Zukunftsmarkt sind neue Technologien und breit aufgestellte Kooperationen. Auch in Österreich. „Ein Unternehmen allein kann das drängende Problem der Textilabfälle nicht lösen. Es sind proaktive Partnerschaften notwendig, um voranzukommen und einen echten systemischen Wandel herbeizuführen“, ist Sonja Zak, Head of Textile Sourcing & Cooperations Lenzing Gruppe, überzeugt.
Zellstoff aus Stoffresten
Das Unternehmen aus Oberösterreich zählt zu den weltweit führenden Spezialisten für Textilfasern und Vliesstoffe. Zusammen mit der ARA (Altstoff Recycling Austria), dem Wäschevermieter Salesianer Miettex und der Caritas sowie dem schwedischen Zellstoffproduzenten Södra hat man ein gemeinsames Recyclingprojekt gestartet.
Im Rahmen der Kooperation will man eine breitere Nutzung von zellulosehaltigen Alttextilien in großtechnischem Maßstab ermöglichen. Dafür werden gebrauchte Haushalts- und Bekleidungstextilien sowie Zuschnittreste aus der Baumwollproduktion gesammelt, daraus Zellstoff produziert und schließlich zu neuen Lyocell- und Viskosefasern verarbeitet. Ziel ist es, bis 2027 in der Lage zu sein, 50.000 Tonnen Textilabfälle pro Jahr zu verarbeiten.
Textile „Restlverwertung“
Für Lenzing ist es diesbezüglich bereits die zweite Kooperation mit einem skandinavischen Partner. Erst Ende vergangenen Jahres hat man mit dem schwedischen Textilrecyclingunternehmen Renewcell eine enge Zusammenarbeit vereinbart. In den kommenden fünf Jahren sollen 80.000 bis 100.000 Tonnen des zu 100 Prozent recycelten textilen Faserzellstoffs aus Schweden kommen und von Lenzing zu Zellulosefasern für Bekleidung und andere textile Anwendungen verarbeitet werden.
Dafür hat man zudem eine Technologie entwickelt, die das Verfärben und Vergilben von Kleidungsstücken und Stoffen aus holzbasierten Zellulosefasern während Hochtemperatur-Fertigungsverfahren vermindert. Die neue Lösung kommt vorerst für Unterwäsche, später auch für Oberbekleidung zum Einsatz.
Vegane Handtücher
Auch beim burgenländischen Textilhersteller Vossen setzt man auf Nachhaltigkeit – und eine unkonventionelle Kooperation. Zusammen mit „Veganista“, dem auf veganes Eis spezialisierten Wiener Unternehmen der ebenfalls aus dem Burgenland stammenden Schwestern Susanna Paller und Cäcilia Havmöller, hat man eine Spezialserie vegan produzierter Hand- und Strandtücher aufgelegt. Die sommerliche Farbgebung (blau, grün, rot, violett) der flauschigen Frottierprodukte folgt dabei vier ausgewählten Veganista-Eissorten, die Kollektion wird zur Gänze ohne tierische Hilfsstoffe produziert.
Vossen brachte zwar bereits 2019 das weltweit erste vegane Handtuch auf den Markt und produziert mittlerweile alle Handtücher vegan, derartige Herstellungsprozesse sind in der Branche aber noch ein Nischenphänomen. Meist kommen bei handelsüblichen Handtüchern tierische Produktionshilfsstoffe zum Einsatz. Beispielsweise kann in der Spinnerei, wo Fasern zu Garn versponnen werden, tierische Fettsäure zum Glätten verwendet werden. Auch im späteren Verarbeitungsschritt, der sogenannten Schlichte, bei der das Garn widerstandsfähig gemacht wird, bevor es in der Weberei zu einem Gewebe geglättet und reißfest gemacht wird, sind nicht alle Zusatzstoffe vegan. Bei Vossen schon. Das hier verwendete Schlichtemittel besteht aus Mais- und Kartoffelstärke.
Schonende Färbetechnologie
Der Nachhaltigkeitsansatz bei Vossen ist umfassend. So wird das für die Produktion benötigte Wasser der Raab, einem Fluss in der Region, entnommen und nach Beendigung des Färbeprozesses wieder so sauber aufbereitet, dass es direkt ins kommunale Abwasser zurückgeleitet werden kann. Gefärbt wird mit dem umweltschonenden Kaltklotzfärbeverfahren. Statt mit Hitze und Chemie wird die Farbe mittels eines kalten Prozesses ins Gewebe gebracht. Das ist hautfreundlich und spart Wasser und Energie.
Kein Schaden in Zeiten wie diesen. Denn auch Vossen spürt aktuell die explodierenden Energiepreise. Das Unternehmen benötigt für die Produktion der Frottierwaren große Mengen Strom und Gas. Zwar wird zu hundert Prozent Öko-Strom verwendet, die Kosten für Energie haben sich aber innerhalb eines Jahres verdoppelt. Das drückt den Ertrag, obwohl der Umsatz stabil ist.
GUT ZU WISSEN
- Vossen wurde 1925 in Gütersloh gegründet. 1968 wurde der österreichische Standort in Jennersdorf gegründet. Seit 2004 gehört das Unternehmen zur Linz Textil AG.
- Jährlich werden rund 5,3 Millionen hochwertigste Frottierprodukte – wie Handtücher, Badetücher, Bademäntel und Badeteppiche – produziert.
- Vossen beschäftigt rund 250 Mitarbeiter:innen und bildet dabei in acht verschiedenen Lehrberufen aus.