Ausblick 2022

Ausblick: Fünf Themen, die uns 2022 erwarten

Das Jahr geht, das Virus bleibt. Die Konjunkturprognosen für 2022 zeigen zwar nach oben, angesichts anhaltender Turbulenzen braucht es aber neben Optimismus auch neue Lösungen für alte Probleme.

365 neue Tage liegen vor uns. Mit im Gepäck: neue Perspektiven und Projekte, aber auch einige Herausforderungen der letzten Monate, deren Lösung im neuen Jahr noch einige Anstrengung benötigen wird. Was also bleibt? Was kommt? Und was braucht es? Ein kurzer Blick auf fünf anhaltend aktuelle Themenfelder – welche Entwicklungen zu erwarten und welche Änderungen 2022 notwendig sind.

1 Cybercrime – die wachsende Gefahr aus dem Netz 

Es ist die Schattenseite der Digitalisierung: Cyberkriminalität. Gerade die Pandemie erwies sich als fruchtbarer Boden für das Böse. Laut der KPMG-Studie „Cybersecurity in Österreich 2021“ verzeichnen 38 Prozent der Unternehmen eine Zunahme von Cyberangriffen seit Beginn der Corona-Krise. Allein im vergangenen Jahr stieg die Zahl der angezeigten Delikte um 26 Prozent auf knapp 36.000. 2019 waren es noch rund 28.500 gewesen, vor fünf Jahren „nur“ knapp über 13.000.

Hacker
Milliardenschäden: Die Zahl der Cybercrime-Attacken auf Unternehmen ist massiv angestiegen.Foto: adobe stock | ra2-studio

Die Gründe sind vielfältig, die Folgen gravierend. Insgesamt waren bislang beachtliche 60 Prozent aller österreichischen Unternehmen Opfer eines derartigen Angriffs, der Großteil sogar mehrmals. Allein 2021 beläuft sich der wirtschaftliche Schaden durch Cyberangriffe auf rund sechs Milliarden Euro

Die Bandbreite der geschädigten Unternehmen reicht von kleinen Familienbetrieben bis hin zu großen Industriekonzernen. Was es braucht, ist ein strategisches Vorgehen des Staates, eine erhöhte Sensibilität bei den Führungsetagen der Unternehmen für Cybersecurity und ein entsprechendes Bewusstsein in der Belegschaft für die latente Bedrohung. 

„Es bräuchte regelmäßige Schulungen wie bei Brandschutzübungen“, raten Sicherheitsexperten. Ab einer gewissen Unternehmensgröße sollten aufgrund steigender Komplexität Cybersecurity-Profis übernehmen, da es zunehmend schwieriger wird zu erkennen, was wirklich hilft und notwendig ist. „Wenn man hier nach den Kosten fragt, dann ist Nichtstun jedenfalls die teuerste Lösung“, mahnt Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung.

2 Lieferketten – regionales Know-how gegen globale Abhängigkeit

Leere Klopapierregale, die Fahrradabteilungen leergekauft, ewige Wartezeiten auf Autos: Die Corona-Pandemie riss wuchtige Löcher in die globalen Lieferketten. Spürbar war die Versorgungsunsicherheit vor allem, als die Produktion wieder überraschend schnell ansprang, aber das Angebot mit der starken Nachfrage nicht Schritt halten konnte. Containerhäfen in Asien wurden zum fragilen Flaschenhals.

Containerhafen
Keine Entspannung: Die Transportkosten am internationalen Containermarkt haben sich vervielfacht. Foto: adobe stock | tuastockfoto

Die Folgen: Das Minderangebot führte zu explodierenden Rohstoff- und Transportkosten und aufgrund von Kapazitätsengpässen bei Komponenten zu Produktionsdrosselungen oder überhaupt Stilllegungen. Besonders betroffen waren und sind beispielsweise die heimische Autoindustrie und der Maschinenbau – Stichwort: Chipmangel. Allein im zweiten und dritten Quartal 2021 haben die Lieferengpässe laut Österreichischer Nationalbank die heimische Wirtschaft insgesamt 750 Millionen Euro gekostet

Die Misere hat bei Unternehmen zu einem Umdenken im Einkaufs- und Beschaffungsmanagement geführt. Preisgetriebene Just-in-time-Kontrakte werden allerorts evaluiert, Lieferantenverhältnisse transparent gemacht und Frachtverbindungen angepasst. Standortnähe und Diversifikation, widerstandsfähige Alternativsysteme, die Abhängigkeiten von globalen Warenströmen reduzieren, gewinnen an strategischer Bedeutung. Immer lauter werden auch jene Stimmen, die im Hinblick auf eine stabile Grundversorgung zu mehr europäischer Eigenständigkeit drängen. Die neue Chipfabrik von Infineon in Villach dient diesbezüglich als Vorzeigeprojekt.

3 Infrastruktur – Ausbau statt Blackouts  

Die Mahnung kam im Doppelpack. Im Jänner sorgte eine Frequenzstörung in einem kroatischen Umspannwerk für überlastete Stromleitungen zwischen Ungarn, Kroatien und Serbien und Rumänien. Zur Jahresmitte kam es dann zu Ausfällen in Spanien, Portugal und Frankreich. Europa schrammte damit knapp ein einem großflächigen Stromausfall – einem sogenannten Blackout – vorbei. 

Leitungsmonteure
Stabilisierungsmaßnahmen im Stromnetz kosten in Österreich zehn Millionen Euro pro Monat.Foto: APG

Für die Wirtschaft hätte dies fatale Folgen: Würde unter der Woche der Strom in ganz Österreich für 24 Stunden ausfallen, läge der volkswirtschaftliche Schaden laut ExpertInnen bei 1,2 Milliarden Euro. Ganz verhindern lassen sich Netzschwankungen und kleinere Ausfälle ohnehin nicht. Die Austrian Power Grid (APG), die das österreichische Hochspannungsnetz betreibt, weist allein für das Jahr 2020 260 Störfälle aus, bei denen aktiv reagiert werden musste. Diese Redispatch-Maßnahmen kosteten 134 Millionen Euro, also mehr als zehn Millionen Euro pro Monat.

Dennoch war im Schnitt in den österreichischen Haushalten in den letzten Jahren die Stromversorgung für 25 bis 27 Minuten im Jahr unterbrochen. Im europäischen und im weltweiten Vergleich zwar ein sehr guter Wert, um im Ernstfall aber bestmöglich vorbereitet zu sein, bedarf es Investitionen in die Infrastruktur der Energieversorgung. In die Netze müssten bis 2030 rund 18 Milliarden Euro investiert werden, rechnet Verbund-Chef Michael Strugl vor. Allein der Netzausbauplan der APG sieht bis 2032 ein Volumen von 3,5 Milliarden Euro vor.

Die Krux: Das Stromsystem wird durch erneuerbare Energiequellen immer anfälliger. Windkraft und Photovoltaik liefern nämlich nicht durchgehend gleich große Mengen. Dazu kommen immer häufiger Extremwetterereignisse, die die Kapazitäten bei Wasserkraftwerken beeinflussen. Zur Stabilisierung braucht es daher Backups, beispielsweise abrufbereite Gaskraftwerke oder die noch dichtere Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr. Um das Gesamtsystem auf ein stabiles Fundament setzen zu können, drängen die Stromnetzbetreiber daher unter anderem auf die Beschleunigung von Verfahren.

4 Energiewende – der Weg Richtung Nachhaltigkeit

Das Ziel ist ehrgeizig. Bis 2030 will Österreich seinen gesamten Strombedarf aus erneuerbaren Energien decken. Die dafür notwendigen Rahmenbedingungen und konkreten Maßnahmen können mit dem ambitionierten Zeitplan aber nur bedingt Schritt halten. Allein die (zu) langen Verfahrensdauern für Genehmigungen bremsen das Entwicklungspotenzial des Standorts.

Windkraft
Ökologisch, aber instabil: Viele erneuerbare Energiequellen liefern nicht konstant. Das macht (noch) Backups notwendig.Foto: adobe stock | enegl.ac

Dringend notwendig sind neben einem beschleunigten Ausbau der Strominfrastruktur auch gesamtsystemische Planungsansätze. Mit der Schaffung intelligenter digitaler Plattformtechnologien ermöglicht man beispielsweise die Einbindung dezentraler Flexibilitäten in das Stromsystem. So kann der Strom aus erneuerbaren Energiequellen bundesweit und bedarfsgerecht verteilt werden. Gelingt das nicht, steht nicht nur die sichere Stromversorgung Österreichs, sondern die gesamte Energiewende auf dem Spiel.

Man würde damit eine Vorreiterrolle verspielen. Denn Österreich gilt in Sachen Emissionsvermeidung und Energieeffizienz als Vorzeigeland. Sowohl in der energieeffizienten Produktion von energieintensiven Gütern – wie Stahl, Zement oder Papier – als auch im Bereitstellen technologischer Lösungen sind heimische Unternehmen führend.

Im Hinblick auf höchstmögliche Nachhaltigkeit geht es weiter darum, die Rohstoffproduktivität zu erhöhen und den Ressourcenverbrauch zu minimieren. Das Fraunhofer-Institut spricht diesbezüglich von einem „Zieldreieck“ aus Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit. Neue Technologien und Systeminnovationen wie eFuels, Energiespeichersysteme für Solarenergie oder Recycling-Methoden in der Papier- und Kunststoffindustrie sind dabei auch Treiber regionaler Strukturentwicklung und sichern so Arbeitsplätze. 

5 Arbeitsmarkt – die Suche nach Fachkräften geht weiter

Der Optimismus dominiert. Die Konjunkturprognosen der WirtschaftsforscherInnen sagen für kommendes Jahr ein Wachstum zwischen vier und fünf Prozentpunkte voraus. Zwar haben doch wieder notwendig gewordene Lockdowns zu einer massiven Abbremsung der Konjunkturerholung geführt, die ForscherInnen erwarten aber massive Aufholeffekte in den kommenden Monaten.

Was bleiben wird, sind die durch die coronabedingten Einschränkungen erzwungenen Änderungen der Mobilitätsgewohnheiten. Der Geschäftsreiseverkehr wird auch in den kommenden Monaten nicht präpandemisches Niveau erreichen. Ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele, gekürzte Reisebudgets und die sich in der Krise rapide ausbreitende Digitalisierung (Online-Meetings, Homeoffice) haben den Geschäftsalltag nachhaltig verändert.

Ausbildung Lehrling
Fachkräftemangel: Unternehmen aller Branchen klagen über zu wenig Nachwuchs.Foto: adobe stock | industrieblick

Angespannt bleibt indes auch die Lage am Arbeitsmarkt – und das für ArbeitgeberInnen wie ArbeitnehmerInnen. Der unsicheren Situation beispielsweise im Tourismus und der Gastronomie stehen zwar relativ stabile Verhältnisse in der produzierenden Wirtschaft gegenüber, da wie dort wird aber die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften anhalten. Fachkräfte sind schon jetzt Mangelware. Die Suche nach entsprechendem Toppersonal wird auch in Zukunft ArbeitgeberInnen fordern. Dem gegenüber stehen minderqualifizierte Arbeitskräfte, die durch Kurzarbeitsmodelle, Konjunktureinbrüche und Katastrophenszenarien unter Druck geraten.

Durch die Verwerfungen der letzten Monate bestätigt sehen sich jene, die massive Reformen im Bildungsbereich einfordern. Der Bedarf an technisch gut ausgebildetem Nachwuchs hat sich noch stärker herauskristallisiert. Lehrangebote wurde daher angepasst, viele Unternehmen setzen zudem auf eigene Ausbildungs- und Förderprogramme, um die Jugend zu binden. Fehlt sie in den Betrieben, schwächt das nicht nur die Unternehmen, sondern die gesamte Volkswirtschaft. Denn je niedriger das Bildungsniveau, desto höher seien die Arbeitslosenquoten und desto geringer der Verdienst – und damit Steuereinnahmen für den Staat – sowie die Konsumausgaben in der Wirtschaft.

Credits Artikelbild: adobe stock | Tierney

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