Exotische Destination, ungewöhnlicher Auftrag. Die Tiroler BERNARD Gruppe hat ein Frühwarnsystem entwickelt, das in Bangladesch Kollisionen zwischen Elefanten und Zügen verhindert. Demnächst werden die Sensorsysteme vor Ort getestet.
Verschreckt und verwirrt irren sie über die Autobahn. Rehe, Füchse und Schafe. Manchmal auch Pferde, Katzen, Hühner oder Schweine. Alles schon passiert. Zumindest bei uns. In anderen Ländern hingegen setzt man sich mit anderen Verkehrsbehinderungen auseinander. Und die können mitunter deutlich größer und schwerer als hierzulande sein. So sind es im südostasiatischen Raum nicht selten Elefanten, die plötzlich mitten auf der Fahrbahn stehen, oder noch schlimmer, von Zügen erfasst werden. Ganze Herden, darunter Mütter mit ihren Babys. Denn anders als bei uns wird der Zugverkehr, etwa in Bangladesch, ohne automatisiertes Signalisierungssystem betrieben. Das soll sich jedoch ändern, dank eines österreichischen Unternehmens.
Exotischer Auftrag für Tiroler Familienunternehmen
Die BERNARD Gruppe, ein Planungsbüro für Sicherheits- und Automatisierungstechnik mit Hauptsitz in Hall in Tirol, ist auf maßgeschneiderte Ingenieursdienstleistungen spezialisiert. Sie überwachte etwa den Bau des Brennerbasistunnels oder plante Kraftwerke, die das Königreich Bhutan mit Strom versorgen, aber auch Parkleitsysteme und Schienenanlagen. Insgesamt realisierte die BERNARD Gruppe bereits Projekte in mehr als 40 Ländern auf der ganzen Welt.
Man könnte also meinen, dass das Familienunternehmen schon alles gesehen und erlebt hat. Der Auftrag, ein hochmodernes Frühwarnsystem zu entwickeln, das künftig Unfälle zwischen Elefanten und Zügen in Bangladesch vermeiden soll, war für die Ingenieure dann aber doch etwas ganz Besonderes. „Wir waren sehr stolz, dass wir als österreichisches Unternehmen ein so exotisches Projekt bearbeiten dürfen. Wir haben uns nicht nur über die technischen Herausforderungen gefreut, denen wir uns als Ingenieure gerne stellen, sondern auch darüber, dass wir mit diesem Projekt einen Beitrag zum Schutz von vom Aussterben bedrohter Tierarten leisten können“, sagt der technische Projektleiter Stefan Schwarz.
Es fährt ein Zug nach Cox’s Bazar
Konkret geht es um die Zugstrecke, die im südasiatischen Staat Bangladesch zwischen Dohazari und Cox’s Bazar gebaut wird. Da die Gleise an ein Naturschutzgebiet grenzen, müssen Elefanten sie öfter als sonst queren, um an Nahrung und Wasser zu gelangen. Daher bestehe speziell in diesem Streckenabschnitt ein erhöhter Bedarf an einem Frühwarnsystem. Vor allem auch, weil Elefanten sehr spät bis gar nicht auf ankommende Züge reagieren und Unfälle dann nicht mehr verhindert werden können.
Wir haben uns nicht nur über die technischen Herausforderungen gefreut, denen wir uns als Ingenieure gerne stellen, sondern auch darüber, dass wir mit diesem Projekt einen Beitrag zum Schutz von vom Aussterben bedrohter Tierarten leisten können.
Stefan Schwarz
Aber wie funktioniert das System, das dafür sorgen soll, dass erst gar nichts passiert? „Am Zug und entlang der Strecke werden optische und thermische Kameras montiert. Ein Algorithmus, basierend auf Objekterkennung und Künstlicher Intelligenz, erfasst Elefanten automatisch. Die Ampeln entlang der Strecke werden dann auf Rot geschaltet, und der Lokführer weiß, dass er die Geschwindigkeit in diesem Abschnitt reduzieren muss“, erklärt der technische Projektleiter.
Pandemie macht erfinderisch
Die größte Herausforderung für das Team war es, die lokalen Rahmenbedingungen zu verstehen. Denn zum einen mussten die Ingenieure sich mit den lokalen Wetterbedingungen auseinandersetzen und zum anderen lernen, wie Elefanten sich verhalten. Erschwerend kam hinzu, dass das Projekt 2020, also mitten in der Pandemie, vergeben wurde und Reisen dadurch nahezu unmöglich waren. „Daher mussten wir kreative Wege finden, um unsere ersten Prototypen zu testen. Glücklicherweise durften wir das in einem deutschen Zoo tun“, verrät Stefan Schwarz.
Erst Karlsruhe, dann Bangladesch
Im Zoo von Karlsruhe wurden im und rund um das Gehege Kameras montiert, um die Elefantenweibchen Jenny und Nanda aus verschiedenen Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Abständen betrachten zu können. Jenny und Nanda zeigten sich von der Versuchsreihe jedoch wenig beeindruckt. „Während der Installation waren wir in Begleitung eines Tierwärters, die Elefanten haben uns aber ignoriert. Während der Messung waren die Elefanten ungestört, und wir konnten ihre natürliche Bewegung durch das Gehege aufzeichnen. Die Tests im Zoo waren sehr erfolgreich. Allerdings sind die Bedingungen in Bangladesch doch etwas anders.“ Immerhin dürfe man nicht vergessen, dass Züge einen Bremsweg von mehreren hundert Metern haben. Elefanten entlang der Bahnstrecke müssten daher bereits aus einem Kilometer Entfernung erkannt werden, damit Züge rechtzeitig bremsen können. Im Zoo war es schwierig, Elefanten aus diesem Abstand zu erfassen.
Nun geht man aber in die nächste Phase, die Sensorsysteme sind schon auf dem Weg nach Bangladesch. Ab Juni soll das Frühwarnsystem endlich vor Ort getestet werden, damit Elefanten künftig nicht mehr auf der Strecke bleiben.
Über die BERNARD Gruppe:
Gegründet wurde die BERNARD Gruppe 1983 in Mils bei Hall in Tirol. Heute wird das Ingenieurunternehmen in zweiter Generation von Maria Bernard-Schwarz geführt und hat Niederlassungen in Österreich und Deutschland sowie in fünf anderen Ländern. Insgesamt beschäftigt das Familienunternehmen rund 450 MitarbeiterInnen weltweit und bietet in den Bereichen Energie, Industrie, Infrastruktur und Mobilität Lösungen an, die über klassische Ingenieurdienstleistung hinausgehen.
Eines der nächsten Projekte der BERNARD Gruppe nennt sich GAIA-X4AMS und soll die Infrastruktur auf autonome Mobilität vorbereiten. Dafür werden Einsatzfahrzeuge mit Sensoren ausgestattet und bei einem Einsatz die optimale Route im Navigationssystem ermittelt. So kann die Ampelschaltung automatisch angepasst werden, sobald das Einsatzfahrzeug sich einer Kreuzung nähert. Die grüne Welle für das Einsatzfahrzeug erhöht gleichzeitig die Verkehrssicherheit.