Blackouts

Blackouts: Gewissenhafte Vorsorge ohne Panikmache

Österreich zählt zu den Ländern mit der besten und sichersten Stromversorgung der Welt, ist jedoch vor globalen Gefährdungen wie Blackouts nicht gefeit. Betriebe entwickeln für diesen Fall daher Pläne zum Herunterfahren ihrer Anlagen.

Kein Strom: Wie es sich anfühlt, konnte jeder Haushalt in Österreich im Jahr 2020 exakt 26,58 Minuten erleben. „Kundenbezogene Nichtverfügbarkeit“ heißt dieser statistisch errechnete Durchschnittswert im Vokabelvorrat der Energiewirtschaft. Was in Privathaushalten für Unannehmlichkeiten sorgt, kann in der systemrelevanten Infrastruktur und der Industrie zu massiven Schäden führen. Und zu enormen Kosten.

Der jüngste Beweis, dass Blackout-Szenarien einen realen Hintergrund haben, fand sich im Jänner 2021. Damals kam es in Kroatien in einem Umspannwerk zu einer Überlastung. Die europäischen Stromnetze erreichten die Grenze ihrer Belastbarkeit und schrammten knapp an einem flächendeckenden Stromausfall vorbei. Schäden gab es aber auch so.

Blackouts verursachen Schäden in Milliardenhöhe

Beispielsweise am Flughafen Wien, wo unter anderem die Gepäcklogistik von der plötzlichen Frequenzsenkung betroffen war. Das, obwohl Österreichs größter Flughafen frühzeitig vom Netz getrennt wurde. Auch in der Zement- und Kalkproduktion entstünden durch einen spontanen Stromausfall bleibende Schäden an den Öfen. Sie könnten erst nach einigen Wochen wieder repariert werden, was die Kosten in Millionenhöhe treiben würde.

Hochgerechnet wird die Dimension eines Blackouts offensichtlich. Fällt beispielsweise an einem Wochentag um neun Uhr der Strom im gesamten Bundesgebiet für 24 Stunden aus, liegt der volkswirtschaftliche Schaden laut Blackout-Simulator der Johannes-Kepler-Universität für Österreich bei mehr als 1,1 Milliarden Euro. Vergleicht man das mit den Kosten eines Lockdowns, würde ein Tag Blackout in Österreich zirka so viel kosten wie zwei Wochen Lockdown.

Auch Vorsorgemaßnahmen kosten Millionen

Teuer sind aber auch schon jetzt die Vorsorge- und Ausgleichsmaßnahmen, die aufgrund von Überlastungen der bestehenden, teilweise veralteten Infrastruktur anfallen. So weist die Statistik der Austrian Power Grid (APG), die das österreichische Hochspannungsnetz betreibt, allein für das Jahr 2020 260 Störfälle aus, bei denen Notfallmaßnahmen notwendig waren. Kostenpunkt: 134 Millionen Euro – also mehr als zehn Millionen Euro pro Monat.

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Siemens Österreich-Vorstandsvorsitzer Wolfgang Hesoun: „Diversität in der Energieproduktion reduziert die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts.“ Foto: Siemens

„Der Wert einer gesicherten Stromversorgung ist vielen nicht bewusst. Sie sichert den Zugang zu medizinischer Versorgung, Wissen, Kommunikation und betrifft alle Lebensbereiche einer modernen Wirtschaft und Gesellschaft“, erinnert Gerhard Christiner, Technischer Vorstand der APG. „Ein Blackout ist ein ähnlich großes Risiko wie Cyberangriffe oder die Pandemie“, warnt daher Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung.

Ohne Strom keine Medikamente

Umso wichtiger sind Notfallkonzepte und Krisenpläne für den Ernstfall. Zum einen geht es um den Erhalt der wesentlichen Infrastruktur sowie der Kommunikation und Information. Zum anderen muss sich beispielsweise die Industrie auch auf das kontrollierte Herunterfahren von Betriebsanlagen vorbereiten, um nachhaltige Schäden zu vermeiden. Dabei können einzelne Unternehmen und Standorte trotz aller Präventionsmaßnahmen nicht isoliert betrachtet werden.

Beispiel Papier- und Zellstoffindustrie: Kommt es dort zu Ausfällen oder Engpässen bei der Stromversorgung, kann das weitreichende Folgen habe. Denn ohne Verpackungsmaterialien stehen Nahrungsmittelerzeuger und Pharmazieunternehmen still. Mayr-Melnhof Karton hat daher bereits vor Jahren begonnen, in die Energieautarkie zu investieren und erzeugt heute zwei Drittel seines Strombedarfs selbst. Generell wird aber auf die wesentliche Bedeutung von netzstabilisierenden Kraftwerken hingewiesen.

Notprogramm für Flughafen Wien

Beispiel Hightech: Aus der Pandemie lernend, bereitet man sich bei Siemens Österreich nicht nur auf ein geregeltes Herunterfahren vor, sondern reduziert auch die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten. Eine betriebseigene Stromversorgung kann Stromausfälle in den ersten Stunden überbrücken. „Diversität in der Energieproduktion reduziert die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts“, ist Siemens Österreich-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Hesoun überzeugt.

Beispiel Flughafen: „Bei einem Blackout können wir den Flughafen nur geordnet herunterfahren. Es ist eine Illusion, zu glauben, durch individuelle Maßnahmen das große Problem lösen zu können“, ist Flughafen Wien-Vorstand Günther Ofner überzeugt. Zwar sind im Falle eines Blackouts alle lebenswichtigen Funktionen gesichert. Durch die Abhängigkeit von anderen Verkehrssystemen, beispielsweise Bahnanbindungen, brauche es aber auch im Flugverkehr einen Schulterschluss aller Akteure.

Bundesheer sichert Grundversorgung

Den gab es zuletzt zwischen Industrie und dem Bundesministerium für Landesverteidigung. „Im gemeinsamen Dialog und mit vereinten Kräften müssen wir in aller Ruhe und generalstabsmäßig vernünftige Lösungen für die drohende Gefahr entwickeln“, unterstreicht Klaudia Tanner, Bundesministerin für Landesverteidigung. Wie bei vielen anderen Szenarien sei das Bundesheer die strategische Reserve der Republik, so Tanner. „Unser Grundauftrag ist zu funktionieren, wenn nichts mehr funktioniert.“

Industrievertreter und das Bundesministerium für Landesverteidigung mahnen zu einem präventiven und vernetzten Blackout-Management.

Die Aufgaben der österreichischen Streitkräfte unterteilen sich im Fall eines Blackouts in die großen Bereiche Sicherheit und Logistik. Die Pandemie hat gezeigt, dass die Grundversorgung aufrechterhalten werden muss, um die restliche Versorgung sicherzustellen. So benötigen beispielsweise Tankstellen Notstromaggregate, damit Treibstoff für die Generatoren in Privathaushalten und in Betrieben bereitgestellt werden kann. Und auch intern rüstet man auf: Bis 2025 werden 100 Kasernen auf einen autarken Betrieb umgestellt, um unabhängig von äußeren Einflüssen operieren zu können.

Credits Artikelbild: adobe stock | procinemastock

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