Nachhaltigkeit

Blöde Frage: Was ist Nachhaltigkeit eigentlich wirklich?

Ob als frommer Wunsch, ambitionierte Zielsetzung oder knallharte Forderung – der Begriff der Nachhaltigkeit begegnet uns tagtäglich. Dennoch fällt es gar nicht so leicht, sich darunter etwas vorzustellen. Dabei steckt in ihm viel mehr Leben, als es den Anschein hat – und der Wegweiser in unsere Zukunft.

Es gibt Worte, die so unheimlich dynamisch und zukunftsorientiert klingen, dass sie gut in unsere beschleunigte Zeit passen: Im Videocall mit dem Head of X und Y wird gebrainstormt, um asap aus einer Vision eine Mission zu generieren, die dann doch wieder gecancelt werden muss wegen eines Rebrandings …

Da mutet es doch irgendwie kurios an, dass mit „Nachhaltigkeit“ ausgerechnet ein althergebrachtes, noch dazu langweilig klingendes Wort zum Aufsteiger des vergangenen Jahrzehntes wurde. Klingt doch „halten“ nach bewahren, nach Stillstand, und „nach“ lässt zwar erkennen, dass es um das Später geht, „Zukunft“ hätte aber deutlich mehr Sex.

Dennoch heißt das Wort der Stunde, ach was, des Jahrzehntes, nicht Zukunftsbewahrung, sondern eben Nachhaltigkeit.

Die 3 Säulen der Nachhaltigkeit:

Woher dieses 3-Säulen-Modell stammt, darüber wird nach wie vor recht heftig diskutiert. Mehrere Parteien reklamieren es für sich. Fest steht aber: Es wurde Mitte der 1990er-Jahre entwickelt und hat bis heute Gültigkeit.

  • Ökologische Nachhaltigkeit: Sie orientiert sich am Gedanken, keinen Raubbau an der Natur zu betreiben. Ökologisch nachhaltig wäre eine Lebensweise, die die natürlichen Lebensgrundlagen nur in dem Maße beansprucht, wie diese sich regenerieren.
  • Ökonomische Nachhaltigkeit: Eine Gesellschaft sollte wirtschaftlich nicht über ihre Verhältnisse leben, da dies zwangsläufig zu Einbußen der nachkommenden Generationen führen würde. Allgemein gilt eine Wirtschaftsweise dann als nachhaltig, wenn sie dauerhaft betrieben werden kann.
  • Soziale Nachhaltigkeit: Ein Staat oder eine Gesellschaft sollte so organisiert sein, dass sich die sozialen Spannungen in Grenzen halten und Konflikte nicht eskalieren, sondern auf friedlichem und zivilem Wege ausgetragen werden können.

Nachhaltig mit „Nachhaltigkeit“

Ob politische Rede oder flammender Appell – wer nachhaltig wirken will, muss das Wort vor Publikum auch aussprechen. Am besten nicht nur einmal.  Aber was meint es? Eine Frage, mit der man beim Smalltalk den Gesprächspartner leicht ins Stottern bringen kann. Auch Dr. phil. Google bringt’s nicht so leicht auf den Punkt. Da ist von Denkmustern die Rede, von Handlungsprinzipien, von sozio-kulturellen, ökologischen und ökonomischen Ressourcen, von Bedürfnisbefriedigung und Regenerationsfähigkeit. Alles klar?

Eigentlich ist Nachhaltigkeit etwas Althergebrachtes

Dabei ist es ja nicht einmal so, dass das Wort deswegen so schwer zu begreifen ist, weil es neu wäre. Keineswegs! Im Deutschen wurde „nachhaltend“ bereits vor 300 Jahren verwendet, von Hans Carl von Carlowitz in einem Buch über den „Anbau des Holzes“. „Nachhaltigkeit“ als Substantiv tauchte erst später auf, etwa 1832 bei Emil André – da ging es ebenfalls um die Forstwirtschaft.

Nachhhaltigkeit
War es schon Hans Carl von Carlowitz der vor 300 Jahren das Wort „nachhaltig“ prägte …Foto: Painter unknown., Public domain, via Wikimedia Commons
Nachhaltigkeit
… oder hat doch erst 1832 der Forstexperte Emile André, den Begriff „Nachhaltigkeit“ erfunden?Foto: Blasius Höfel, Public domain, via Wikimedia Commons

Und was heißt Nachhaltigkeit jetzt wirklich?

Ein Blick auf die englische Entsprechung hilft beim Verstehen: sustainability setzt sich zusammen aus sustain (etwas aushalten, ertragen) und ability (Fähigkeit, Können). Es geht also darum, etwas nur so stark zu belasten, dass es dem Druck standhält, nicht bricht, nicht zugrunde geht. Und das weist schon die Richtung, in die es geht. Denn wenn wir uns Sorgen machen sollten über etwas, das wir gerade zugrunde richten, dann ist es unsere Erde, unsere Umwelt, die Flora und Fauna. Um sie nicht endgültig zu zerstören, dürfen wir eben nicht mehr an Rohstoffen verbrauchen, als sie uns gibt.

So global hat das oben genannter Hans Carl von Carlowitz vermutlich noch nicht gesehen. Der wollte einfach nur den von ihm verwalteten Wald wirtschaftlich optimal nützen, aber eben nicht zugrunde richten, damit der Forst auch künftig noch als Lieferant für Bauholz dienen konnte. Es ging ihm also darum, nicht mehr Bäume zu fällen als auch nachwachsen. Mit dieser Art des Profitdenkens war er vielen Generationen von Menschen weit voraus. Denn erst jetzt, nach Dekaden des Raubbaus, ist in den Köpfen das Bewusstsein für die Bedeutung der Nachhaltigkeit endlich angekommen.

Die Erkenntnis

Und doch fällt es so schwer, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln. Wie viel wir noch zu tun haben, zeigt uns jedes Jahr der Earth Overshoot-Day, zu Deutsch: der Welterschöpfungstag. Er verdeutlicht uns, an welchem Tag des Jahres wir Menschen jene Menge an ökologischen Ressourcen verbraucht haben, die die Erde noch regenerieren kann. Was glauben Sie, wann dieser Tag im Jahr 2020 begangen betrauert wurde?

Es war der 22. August!

FAZIT

Wenn man es genau nimmt, ist das Deutsche Wort „Nachhaltigkeit“ nicht sonderlich glücklich gewählt. Aber heute hat er längst eine eigene Bedeutung erlangt, die auf die eigentliche Herkunft nicht mehr schließen lässt.

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