Brückensanierung bei laufendem Verkehr

Brückensanierung? Da fährt die Eisenbahn drüber

Am Austrian Institute for Technology wird an einer Methode geforscht, um eine Brückensanierung bei laufendem Verkehr zu ermöglichen. Das hilft, kosten- und zeitintensive Neubauten zu vermeiden und CO2 einzusparen.

Der Zahn der Zeit nagt auch am Stahlbeton. Brücken wissen das. So sind in Österreich mittlerweile vier Prozent der rund 17.000 Brücken mangelhaft oder in schlechtem Zustand. Das liegt zum einen am Alter – jedes zweite Brückenbauwerk hat 40 oder mehr Jahre auf dem Buckel. Zum anderen ist die steigende Beanspruchung durch das erhöhte Verkehrsaufkommen schuld.

Diese Kombination schwächt die Flussufer und Talseiten verbindenden Konstruktionen. Ein potenzielles Problem dabei sind Schwachstellen, die das Eindringen von Wasser, Tausalz oder ähnlichen Substanzen ermöglichen. Das beeinträchtigt Tragsicherheit und Dauerhaftigkeit von Straßen- und Eisenbahnbrücken nachhaltig und macht eine umfangreiche Sanierung des Stahlbetons oder gar einen Neubau notwendig.

Verkehr oben, Brückensanierung unten

„Wir kommen immer häufiger in die Situation, dass man Brücken instand setzen, verstärken oder ausbauen muss“, bestätigt Christian Gasser. Er forscht als Projektverantwortlicher am Austrian Institute of Technology (AIT) aktuell an einer neuartigen Form der Brückensanierung. Sie soll Zeit und CO2-Emissionen durch bauintensive Neubauten einsparen.

Gehen die Aufwendungen für die Instandhaltung von Straßen und Brücken weiter so stark zurück wie zuletzt, sind in den kommenden Jahren bis zu 23.000 Arbeitsplätze gefährdet.

Economica Institut

Im Rahmen des Projekts „Count“ verfolgt das AIT gemeinsam mit dem Forschungsunternehmen Smart Minerals nämlich das Ziel, Brückensanierungen im aufrechten Verkehr zu ermöglichen. Dafür arbeiten im Rahmen des Projekts Bauindustrie, Planung und Forschung eng zusammen. Neben den beiden Forschungseinrichtungen bringen die größten Baukonzerne des Landes sowie Bahn- und Autobahngesellschaft ihre Expertise ein. Ziel ist es, meist staufördernde Sperren oder aufwendige und kostenintensive Unterstützungskonstruktionen zu vermeiden.

Rütteltest für Betonbauteile

Denn die große Herausforderung bei Sanierungsmaßnahmen auf Brücken besteht darin, dass der Beton während des Aushärtens Ruhe benötigt und die Brücke in dieser Bauphase daher oftmals für eine gewisse Dauer gesperrt werden muss. Staus sind die Folge.

Das wollen die Wissenschafter:innen künftig vermeiden. Dafür bringen sie im Rahmen des Projekts Prüfkörper im Bauwerk systematisch zum Schwingen. In weiteren Versuchsreihen werden Betonplatten durchgeschüttelt, um die Auswirkungen von Erschütterungen auf das Zusammenspiel zwischen Beton und Stahl zu untersuchen. Dabei stehen verschiedene Schwingungsarten sowie eingesetzte Betonrezepturen im Fokus.

Betonproben unter dem Mikroskop

Nach einer 28-tägigen Aushärtephase erfolgen umfassende Untersuchungen, um Auswirkungen auf Festigkeit und Dauerhaftigkeit zu analysieren sowie mit begleitenden mikroskopischen Untersuchungen Gefügeänderungen aufgrund der Schwingungsanregung ableiten zu können. Zusätzlich kommt eine faseroptische Messtechnik zum Einsatz, bei der Glasfasern in den Beton eingebettet werden, die die Erschütterungen und die Rissbildung erfassen. So werden die unterschiedlichen Betonproben mittels Dünnschliffmikroskopie analysiert.

Prüfungsstand AIT Brückenbauprojekt
Am Austrian Institute of Technology werden Betonbauteile von Brücken getestet und auf Schäden untersucht.Foto: AIT

Hauptziel des Projekts ist es, einen Grenzwert für harmlose Erschütterungen beim Aushärten von Beton zu definieren. Damit könnten Neuerrichtungen von Brücken öfter vermieden werden. Denn die mächtigen Bauwerke auszu- oder gar neu zu bauen, kostet nicht nur Geld, sondern erzeugt auch massive Umweltbelastungen durch Materialbedarf und CO2-Ausstoß.

Zugachsen verraten Gewicht

Optimierungspotenzial bezüglich Sanierungsnotwendigkeiten liegt aber auch bei den Berechnungsmethoden für die Zustandsbewertung von Eisenbahnbrücken. Denn zur Ermittlung der Restlebensdauer bestehender Brücken werden aktuell idealisierte Lastmodelle für die Vergangenheit sowie Annahmen zum zukünftigen Verkehrsaufkommen herangezogen. Diese Annahmen unterliegen allerdings großen Unsicherheiten und weisen daher in der Regel einen stark konservativen Charakter auf. Die mögliche Nutzungsdauer eines Bauwerks bis zur Instandsetzung wird damit nicht ausgenutzt.

Im Rahmen eines bilateralen Forschungsprojekts mit dem deutschen Infrastrukturministerium arbeitet das AIT aktuell an einer Methode, um vorhandene Daten aus Achslastüberwachungen an Zügen – in Österreich gibt es dafür ein flächendeckendes Messstellennetz – für die Lebensdaueranalyse und Instandhaltungsplanung von Infrastrukturanlagen, insbesondere von Brückenbauwerken, nutzbar zu machen.

Brücken länger befahrbar

Ziel ist es, etwaige erforderliche Verstärkungsmaßnahmen beziehungsweise den Neubau zeitlich zu optimieren und Inspektionsintervalle besser zu steuern. Die Projektbetreiber erwarten dadurch eine Verlängerung der Restlebensdauer bestehender Brückenbauwerke im Vergleich zum jetzigen konservativen Ansatz um bis zu 20 Prozent.

Wie wichtig Straßensanierungen als Wirtschaftsfaktor sind, hat indes das Economica Institut in einer Studie berechnet. Demnach müssen in Österreich laufend 126.000 Kilometer Straßeninfrastruktur erhalten werden. „Gehen die Aufwendungen für die Instandhaltung von Straßen und Brücken weiter so stark zurück wie zuletzt, sind in den kommenden Jahren bis zu 23.000 Arbeitsplätze gefährdet“, warnen die Studienautor:innen. Laut deren Berechnungen schafft eine Investition von einer Million Euro während der Bauphase sechs Arbeitsplätze, jeder investierte Euro in die Straßenerhaltung löst weitere 90 Cent an Investitionen aus.

Credits Artikelbild: adobe stock | Phoophinyo
Lichtblick

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