Christine Antlanger-Winter

Christine Antlanger-Winter: „Es soll viel mehr gewagt statt nur abgewartet werden.“

Eigentlich hatte Christine Antlanger-Winter nicht vorgehabt, in der IT zu arbeiten. Doch dann erweckte ein Studium mit neuem Titel ihr Interesse. Heute ist die Oberösterreicherin Country Director von Google Österreich und möchte Mädchen und Frauen den Zugang zu Technologie erleichtern.

Manchmal können ein paar Buchstaben ein Leben verändern. Denn hätte man damals nicht die Studienbezeichnung „Medientechnik“ um das Wort „Design“ ergänzt, wäre Christine Antlanger-Winter vielleicht einen ganz anderen Weg gegangen. „In meiner Kindheit und Jugend war ich kreativ und musikalisch und habe Blockflöte, Gitarre und Saxophon gespielt, unter anderem in Orchestern und Big Bands. Ich konnte mich auch für Themen naturwissenschaftlicher und technischer Art begeistern, wäre jedoch nicht auf die Idee gekommen, Informatik zu studieren“, sagt sie heute. Erst der Titel „Medientechnik und -design“, von dem sie sich eine Kombination ihrer kreativen Interessen und Technologie versprach, habe dazu geführt, dass sie sich 1998 für diesen Studienzweig an der FH Hagenberg bewarb. Und das, obwohl sie bis dahin noch keine einzige Zeile Code programmiert hatte.

Christine Antlanger-Winter
Seit Anfang 2019 ist Christine Antlanger-Winter Country Director von Google Österreich. Ein ganz besonderes Anliegen sind ihr dabei die Bereiche Gender Equality und Diversity, die bedeutende Pfeiler der Google-Unternehmens- und Arbeitskultur sind.Foto: APA Fotoservice Juhasz

Zur selben Zeit in einer Garage in San Francisco …

Das Jahr 1998 war also ein richtungsweisendes. Nicht nur für Christine Antlanger-Winter. Denn während die Linzerin gerade dabei war, in Hagenberg den Grundstein für ihre technische Karriere zu legen, präsentierten im mehr als 9.500 Kilometer entfernten San Francisco zwei Studenten namens Larry Page und Sergey Brin einem gewissen Andreas von Bechtolsheim ihre völlig neuartige Suchmaschine. Das Besondere daran: Sie war schneller als die anderen und bewertete Webseiten nicht nach deren Inhalten, sondern nach der Anzahl der Verlinkungen. Nach nur zehn Minuten war der Mitbegründer von Sun Microsystems von ihrer Idee überzeugt und unterschrieb einen Scheck über 100.000 Dollar. Der Name, der darauf stand: „Google Inc.“ Dank der Investition konnte das frisch gegründete Unternehmen aus dem Studentenheim in sein erstes Büro ziehen – eine Garage im kalifornischen Menlo Park – und auch gleich die erste Testversion auf den Markt werfen. Wer wissen möchte, wie es danach weiterging, kann die Erfolgsgeschichte des Technologieriesen gerne googeln.

Gut zu wissen: Eine Eins mit vielen Nullen

Der Name Google leitet sich übrigens vom Wort Googol ab. So lautet die Bezeichnung, die sich der Mathematiker Edward Kasner einst für eine 1 mit 100 Nullen ausgedacht hatte, weil seinem damals neunjährigen Neffen die Begriffe „Zehn Sexdezilliarden“ oder auch „Sedezilliarden“ zu sperrig gewesen waren. Und auch wenn der Name in der Mathematik heute wenig praktischen Nutzen hat, so war er für Sergey Brin und Larry Page Symbol für die schier unüberschaubare Menge an Informationen, die Google organisieren und allen zu jeder Zeit zugänglich machen wollte.

Auf zu neuen Welten

Aber zurück nach Österreich und zu Christine Antlanger-Winter, die in der Zwischenzeit in eine für sie ganz neue Welt eingetaucht war. Eine zutiefst technische, in der sie aber auch ihre Kreativität und Vielseitigkeit ausleben und Neues ausprobieren konnte, 3D-Animationen gestaltete, Datenbanken programmierte oder mit Java arbeitete. „Nach dem Studium an der FH Hagenberg zur Diplom-Ingenieurin für Medientechnik und -design habe ich mich Richtung digitales Marketing orientiert“, erzählt sie. Gut 17 Jahre liegen zwischen Hagenberg und Google. 15 davon verbrachte sie in der Media-Agentur Mindshare, wo sie die Digital-Agenden aufbaute, verantwortete und zuletzt als CEO tätig war; nebenbei war sie auch Präsidentin des IAB Austria (Interactive Advertising Bureau).

Ich habe mich sehr auf die spannende und vielseitige Aufgabe gefreut. Auch darauf, Google als Unternehmen kennenzulernen. Ein Unternehmen, das so innovativ denkt und trotzdem die menschlichen Werte ins Zentrum stellt.

Christine Antlanger-Winter

Seit 2018 ist die Mutter zweier Söhne Generalsekretärin der IAA Austria (International Advertising Association), seit Anfang 2019 Country Director von Google Österreich. „Ich habe mich sehr auf die spannende und vielseitige Aufgabe gefreut“, erinnert sie sich. „Auch darauf, Google als Unternehmen kennenzulernen. Ein Unternehmen, das so innovativ denkt und trotzdem die menschlichen Werte ins Zentrum stellt.“ Ein ganz besonderes Anliegen seien ihr die Bereiche Gender Equality und Diversity, die bedeutende Pfeiler der Google-Unternehmens- und Arbeitskultur sind.

Keine Angst vor Technik

Dass Mädchen und Frauen gerade in der Technik nach wie vor unterrepräsentiert sind, habe mehrere Gründe, erklärt Christine Antlanger-Winter und präsentiert auch gleich Lösungen: „Es braucht generell mehr Vorbilder, die Mädchen und Frauen eine mögliche Scheu vor Technologie nehmen. Spezielle Coding-Workshops können zum Beispiel vor allem jungen Frauen dabei helfen, Berührungsängste gegenüber dem Thema Programmieren abzubauen. Ein sehr wirkungsvoller Ansatz, meiner Meinung nach, ist es auch, Technologie mit anderen Lebensbereichen zu kombinieren.“ Hier seien aber alle gefordert, sagt sie, nicht nur die Politik.

Christine Antlanger-Winter
„Es braucht generell mehr Vorbilder, die Mädchen und Frauen eine mögliche Scheu vor Technologie nehmen“, sagt Christine Antlanger-Winter. Ein wirkungsvoller Ansatz wäre dabei etwa, Technologie mit anderen Lebensbereichen zu kombinieren.Foto: RolandRudolph/Die Presse

So könnte man etwa spezielle Studiengänge gezielt fördern. „Studien und Lehrgänge, die sich nicht ausschließlich auf ‚Engineering‘ konzentrieren, weisen beispielsweise häufig einen höheren Frauenanteil auf. Das liegt vermutlich auch an der attraktiven Benennung und dem Konzept der entsprechenden Studiengänge, die dadurch mehr Frauen ansprechen.“ So wie es auch bei ihrem Studiengang „Medientechnik und -design“ der Fall war.

Mehr Chancen durch Re- und Upskilling

Mit dem Schulungsangebot „Google Career Certificates“ möchte auch Google Österreich einen Beitrag leisten, um mehr Frauen in die Technik zu holen. Dabei handelt es sich um gratis Online-Kurse für ausgewählte BewerberInnen. „Es ist ein sechs Monate dauerndes, digitales Programm über Coursera.org, das Teilnehmenden dabei hilft, die erforderlichen beruflichen Fähigkeiten in den vier stark nachgefragten Bereichen IT-Support, Projektmanagement, Datenanalyse und UX-Design zu erwerben. Unser Ziel ist hier ganz klar, zusammen mit PartnerInnen – wie ‚the female factor‘ – das Thema Digitales Upskilling bei jungen Frauen fest zu verankern“, betont Christine Antlanger-Winter.

I am Remarkable 

Ein anderes Problem, das man bei Google in Angriff genommen hat, ist, dass es vorwiegend Frauen schwerfällt, über Erfolge und Errungenschaften zu sprechen, ist vielen doch bereits in der Kindheit eingetrichtert worden, möglichst bescheiden zu bleiben. Mit der Google-Initiative #IamRemarkable – zu Deutsch: ich bin bemerkenswert – sollen daher speziell Frauen in ihren Entscheidungen und Handlungen bestärkt werden. „Gerade bei Google haben wir das Motto, dass viel mehr gewagt anstatt abgewartet werden soll. Daher bieten wir diese Kurse an, in denen man lernt, faktenbasiert und selbstbewusst über persönliche und berufliche Leistungen und Achievements zu sprechen.“ Auch die Google Österreich-Chefin nimmt sich jedes Jahr Zeit, um sich weiterzubilden. Dieses Jahr arbeite sie zum Beispiel an ihrem Leadership-Know-how, um noch besser auf die aktuellen Gegebenheiten und die erhöhte Komplexität und Unsicherheit, die sie oft mit sich bringen, eingehen zu können. 

Mit der Google-Initiative #IamRemarkable sollen speziell Frauen in ihren Entscheidungen und Handlungen bestärkt werden.

Lebe und lerne

Überhaupt scheint Weiterbildung ein wichtiges Thema im Leben der Oberösterreicherin zu sein. Ebenso wie Leidenschaft und Freude. So lautet auch ihr Tipp für die nachkommende Generation, neugierig zu bleiben, offen zu sein und zu lernen, egal, für welchen Beruf man sich letztendlich entscheidet. „Rund die Hälfte der Berufe, die es 2030 geben wird, existieren einigen Schätzungen zufolge heute noch gar nicht. Im Grunde geht es aber nicht um die Berufswahl, sondern um die Einstellung zum Lernen. Das Stichwort lautet ‚Lifelong Learning‘ – man muss ein Leben lang lernen“, sagt sie und fügt hinzu: „Ich würde jungen Menschen Berufe empfehlen, die ihre emotionalen Fähigkeiten und intellektuelles Kapital fordern und bei denen die Komplexität der Umwelt ausschlaggebend ist – denn all das kann Technologie heute noch nicht leisten.“

Credits Artikelbild: Klaus Vyhnalek; Google

Das könnte dich auch interessieren

Lichtblick

Dir gefällt, was du hier liest?

Einfach "Fakt & Faktor" als Newsletter abonnieren!

Jetzt abonnieren