Constanze Bannholzer

„Mein Anspruch war es, einen Job zu haben, der die Welt besser macht“

Constanze Bannholzer wusste nicht von Anfang an, wo die Reise hingehen sollte. Angekommen ist die Niederösterreicherin schließlich bei der ÖBB Holding. Dort leitet die 30-Jährige das DAK-Projekt, das als Schlüsselelement für die Automatisierung und die Digitalisierung des Schienengüterverkehrs auf europäischer Ebene gilt.

Als Kind habe ich mit meinen Eltern im Sommer oft Urlaub in einem Wandergebiet in Niederösterreich an der Grenze zur Steiermark gemacht. Dort, wo die Mariazellerbahn fährt; heute heißt sie Himmelstreppe“, erinnert sich Constanze Bannholzer zurück. „Ich weiß noch, dass wir immer neben dem alten Bahnhofshäuschen übernachtet haben, und auch, dass ich einmal eine Schraube bei den Gleisen gefunden habe, die wohl zur Befestigung der Gleise verwendet worden war. Die habe ich mitgenommen und aufgehoben, und mein Vater hat sie für mich lackiert.“

Da konnte noch niemand ahnen, dass Constanze Bannholzer einmal bei der Bahn landen würde. Auch nicht später, als sie am Anfang ihrer Studienzeit vier Wochen lang mit Interrail durch Spanien, Portugal und Frankreich reiste. Rückblickend gesehen, war sie aber damals schon auf dem richtigen Kurs.  

Kursänderung der Umwelt zuliebe

Die erste bewusste Weichenstellung erfolgte während ihres Studiums an der WU Wien, als ihr klar wurde, dass sie dem Umweltgedanken mehr Platz einräumen wollte. „Ich habe Transportwirtschaft und Logistik mit Schwerpunkt Wirtschaftstraining und Bildungsmanagement studiert. Aber bald habe ich gemerkt, dass ich mich nicht nur in Zusatzlehrveranstaltungen, Wahlfächern oder außeruniversitären Aktivitäten mit dem Thema Umweltschutz auseinandersetzen wollte. Also habe ich auf der BOKU Umwelt- und Bioressourcen Management mit Schwerpunkt Verkehr und Mobilität inskribiert.“

Dafür nahm sie auch in Kauf, dass sie Vorlesungen und Seminare im naturwissenschaftlichen Bereich nachholen und deshalb länger studieren musste.

Sie erreichen in Kürze Paris

Nach ihrem Studium arbeitete sie zunächst als Referentin für Verkehr und Umwelt beim Verband der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreich, kurz VÖWG. Was sie an diesem Posten besonders reizte, war einerseits, dass Mobilität als Grundbedürfnis angesehen wurde, das jedem Menschen zusteht, und andererseits die europäische Komponente. Trotzdem hielt es sie dort nicht lange, und sie übernahm kurz darauf die Fachassistenz der Geschäftsführung bei ÖBB Rail Cargo Operator. „Wir waren international tätig, und ich habe viel gelernt. Doch nachdem ich mich zu diesem Zeitpunkt zukünftig nicht im Bereich Sales gesehen habe, musste ich mir etwas anderes überlegen.“

Also zog sie weiter und packte 2020, im Coronajahr, ihre Sachen, um in Paris als Senior Freight Advisor beim Internationalen Eisenbahnverband (UIC) zu arbeiten.

Constanze Bannholzer: „Man weiß nie genau, worauf man sich einlässt.“

Der Vertrag lief nach zwei Jahren automatisch aus, und Constanze Bannholzer bewarb sich bei der ÖBB Holding. So landete sie letztendlich bei ihrem Herzensprojekt, der Digitalen Automatischen Kupplung, kurz DAK genannt. „Vielleicht geht es nur mir so, aber ich glaube, dass einem vor Jobantritt nie hundertprozentig bewusst ist, worauf man sich einlässt. Was mir aber klar war, ist, dass es ein strategisch relevantes Thema ist, dass noch viele Vorarbeiten geleistet werden müssen, bis es zu einer Umsetzung kommt, dass wir hier in einer Prototypenphase sind, und dass das Ganze hochkomplex ist.“

Constanze Bannholzer bei der Präsentation ihres Herzensprojekts.Foto: ÖBB | Knopp

So wird die Digitale Automatische Kupplung die manuell zu bedienende Schraubenkupplung, die in fast ganz Europa Standard ist, bis 2030 ersetzen und dadurch den europäischen Schienengüterverkehr revolutionieren. Dabei trägt die Automatisierung des Verschubs auch maßgeblich dazu bei, die Arbeitssicherheit zu erhöhen.

Dank der Digitalen Automatischen Kupplung schneller ans Klimaziel

Denn aktuell müssen VerschieberInnen die Wagen mit einem etwa 20 Kilo schweren Haken und einer Öse händisch zusammenhängen und zusätzlich die Luftleitungen für das Bremssystem miteinander verbinden. Und das bis zu 300-mal innerhalb einer Schicht. Das ist nicht nur körperlich anstrengend, sondern auch gefährlich. Mit der DAK werden Wagen in Zukunft vollautomatisch gekuppelt.

„Darüber hinaus werden auch Strom und Daten auf den Zug gelegt – dafür steht das ‚D‘ in Digitale Automatische Kupplung. Das gibt’s bis jetzt europaweit nur im Personenverkehr, aber nicht im Schienengüterverkehr. Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit, weitere digitale Lösungen zu realisieren, egal, ob das nun den Verschub, die Zugvorbereitung, die Zugfahrt selbst oder die Wartung betrifft“, erklärt Constanze Bannholzer. „Mit solchen Innovationen leisten wir einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele, weil wir als System Bahn unsere Hausaufgaben machen und so die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene möglich machen.“

Constanze Bannholzer
So sieht sie aus, die neuartige Kupplung der ÖBB-Züge.Foto: ÖBB | Knopp

Bahn frei für mehr Frauen

Auch was die Rekrutierung von Frauen angeht, sei man auf dem richtigen Kurs, aber noch lange nicht am Ziel. Das sei auch historisch geschuldet, sagt sie. Haben doch viele immer noch das Berufsbild von damals im Kopf, das mit schwerer körperlicher Anstrengung verbunden war und zum Teil heute noch ist. Denken wir nur an die eingangs erwähnten VerschieberInnen. „Es braucht Zeit, bis man den Leuten die neuen Schwerpunkte vermittelt hat, das im Studium und in der Ausbildung verinnerlicht und es letztendlich in der entsprechenden Berufswahl mündet. Doch ich denke, dass wir auf dem Weg der Besserung sind.“

Glück, Zufall und das richtige Timing

Sie selbst hat das Glück, ein diverses und außerordentlich engagiertes Team leiten zu können, sowohl was das Geschlecht als auch die Altersstruktur angeht. Die Leiterin des Arbeitspakets Technik und Betrieb zum Beispiel sei eine junge Technikerin, die ausgezeichnete Arbeit leiste.

Auch dass sie nun dieses Projekt leiten darf, habe mit Glück zu tun. Und mit Zufall und dem richtigen Timing, sagt die Niederösterreicherin. „Ich habe mich immer mit einem Thema beschäftigt, das in dieses Spektrum passt. Mir hat es Freude gemacht, und ich habe mich stark, manchmal auch sehr stark darauf konzentriert. Der Rest hat sich immer gut ergeben, genau das meine ich mit Glück. Und ich denke, wenn ich mich weiter so mit meiner Tätigkeit identifizieren kann – denn mein Anspruch war es immer, einen Job zu haben, der die Welt nicht schlechter, sondern besser macht –, kann ich mir das auch für die Zukunft sehr gut vorstellen.“

Damit ist der Fahrplan für die bahnbegeisterte Betriebswirtin bis 2030 bereitsvorgegeben. Spätestens dann sollen die Güterwaggons in ganz Europa automatisch kuppeln. Und was danach kommt, wird sich weisen.

Credits Artikelbild: Juliette Jem & ÖBB

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