Klimaschutzkonferenz COP26

COP26: eine „Gebrauchsanweisung“ für den Klimaschutz

Nach der Klimaschutz-Konferenz ist vor der Debatte über deren Ergebnisse. Was also bleibt von Glasgow? Und was bedeutet das für die österreichische Wirtschaft? Eine Analyse.

Was war das jetzt? Bei der Einschätzung, was die UN-Klimakonferenz in Glasgow (COP26) gebracht hat, gehen die Meinungen diametral auseinander. Von „Bla, bla, bla“ (Greta Thunberg) über „ein Zwischenschritt“ (EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen) bis zu „auf dem richtigen Weg“ (Premierminister Boris Johnson) reicht die Palette. Oder war es „ein historischer Kompromiss“ (Umweltministerin Leonore Gewessler)?

„Das Ergebnis ist nicht der ersehnte Durchbruch, aber das, was im Ringen der Staatengemeinschaft möglich war“, analysiert Dieter Drexel, in der Industriellenvereinigung für den Bereich Klima, Infrastruktur, Transport, Ressourcen und Energie (KITRE) zuständig. Positiv zu vermerken sei, dass mit dem angenommenen Schlusstext das Pariser Klimaschutzabklommen zumindest ein abgeschlossenes Regelwerk (Rulebook) – also eine Art „Gebrauchsanweisung“ – erhält. Der darin festgeschriebene internationale Emissionshandel werde entsprechende Wirkung zeigen, ist Drexel überzeugt.

„Industrie erfüllt Klimaschutz-Vorgaben punktgenau“

Diese These basiert auf Erfahrungswerten aus Europa. Bereits seit 2005 unterliegt die energieintensive Industrie hier diesem zentralen Klimaschutzinstrument der EU. Die verfügbare Menge an Zertifikaten, mit denen gehandelt werden kann, schrumpft dabei jedes Jahr. Emissionen müssen also heruntergefahren werden. „Die Industrie erfüllt die politischen Vorgaben wie kein anderer Sektor punktgenau“, sagt Drexel.

So funktioniert der Emissionshandel

  • Der Europäische Emissionshandel (EU-ETS) wurde 2005 zur Umsetzung des internationalen Klimaschutzabkommens von Kyoto eingeführt.
  • Neben den 27 EU-Mitgliedstaaten haben sich auch Norwegen, Island und Liechtenstein angeschlossen.
  • Der EU-ETS funktioniert nach dem Prinzip des sogenannten „Cap & Trade“: Eine Obergrenze (Cap) legt fest, wie viele Treibhausgasemissionen von den emissionshandelspflichtigen Anlagen insgesamt ausgestoßen werden dürfen. Die Mitgliedstaaten geben eine entsprechende Menge an Emissionsberechtigungen (Zertifikate) aus.
  • Die Emissionsberechtigungen können auf dem Markt frei gehandelt werden (Trade). Über diese Kosten sollen Anreize bei den beteiligten Unternehmen gesetzt werden, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

Während in Europa diese Effizienzsteigerungen klar geregelt und mit entsprechenden Fördermodellen und rechtlichen Verpflichtungen hinterlegt sind, fehlt diese Verbindlichkeit in anderen wesentlichen Industriegroßmächten wie den USA. Während sich die EU bis 2030 bei den Treibhausgasemissionen mit einem Minus von 55 Prozent gegenüber 1990 ein „sehr ambitioniertes Ziel“ gesetzt habe (Drexel), peilen die USA ein Minus von maximal 52 Prozent an – allerdings ausgehend von 2005 und einem doppelt so hohen Pro-Kopf-Verbrauch. In Glasgow wurde das globale Ziel mit minus 45 Prozent festgeschrieben.

„Verwässerter“ Ausstieg aus Kohle-Energie

Ein „dramatisches Nicht-Ergebnis“ sei laut Drexel jedoch die Nicht-Anwesenheit von Chinas Staatsspitze bei den zweiwöchigen Verhandlungen in Glasgow gewesen. Das Land ist für ein Drittel der globalen Emissionen verantwortlich und steht kurz davor, die größte Wirtschaftsmacht der Welt zu werden. Die Zurückhaltung der chinesischen Führung in Sachen Klimaschutz sei daher „schwer zu akzeptieren“.

Klimaschutz Kohlebergbau
Der Kohlebergbau bleibt Sorgenkind des globalen Klimaschutz. Ein Ausstieg wurde nicht beschlossen.Foto: adobe stock | Евгений Мирошниченко

China und die USA hatten in Glasgow zwar überraschend angekündigt, im Kampf gegen die Erderwärmung enger kooperieren zu wollen. Parallel hat China aber mit Indien eine konkretere Vereinbarung zum Kohleenergieausstieg in letzter Minute verhindert. Statt von einem Ausstieg (phase-out) ist im Abschlussdokument jetzt nur noch von einem schrittweisen Abbau (phase-down) die Rede. KritikerInnen sprechen von einer „Verwässerung“. Im Fall von Indien müsse man akzeptieren, dass sich nicht alle Staaten einen raschen Abschied von diesem billigen Energieträger leisten können, relativiert Drexel.

Österreich als Vorreiter

Europa sei jedenfalls „der Anker in der internationalen Klimapolitik“, sagt Drexel. Er setzt vor allem auf innovative Weiterentwicklungen in Sachen Umweltschutztechnologien. Österreich spiele diesbezüglich an vorderster Front mit. „Klimaschutz wird gerade von der Industrie nicht in Frage gestellt, sie ist Teil der Lösung“, so Drexel. Österreichs Industrie sei längst Vorreiter in Sachen Emissionsvermeidung und Energieeffizienz. Das betrifft sowohl die Produktion von energieintensiven Gütern wie Stahl, Zement oder Papier, aber auch die Bereitstellung technologischer Lösungen unter dem Titel „Tech for Green“ (von Schienenkomponenten bis zu energieeffizienten elektronischen Bauteilen). Exporte von klimafreundlicher Technologie gelten daher als Zukunftsmarkt.

Was die nationalen Anstrengungen Richtung Klimaschutz angeht, stoße beispielsweise die Umschichtung von Kosten bei der Umstellung auf erneuerbare Energien auf teilweisen Widerstand. Generell sei man aber auf dem richtigen Weg, findet Drexel. So liege Österreich bei den Pro-Kopf-Emissionen im Mittelfeld. Allerdings seien die Emissionen insgesamt seit 1990 nicht gestiegen. Das, obwohl die Bevölkerung um eine Million Menschen zugenommen hat und Österreich von einer geopolitischen Randlage mit wenig Transitverkehr ins hoch frequentierte Zentrum gerückt ist. Drexels Resümee: „Es ist noch nicht genug, aber es ist nicht nichts passiert. Wir haben uns stetig verbessert und sind nicht schlechter als vergleichbare Industrieländer.“

GUT ZU WISSEN

  • Der Abschlussbericht der Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow enthält den Aufruf an die Staaten, ihre nationalen Klimaziele statt bis 2025 bereits bis 2022 zu prüfen.
  • Festgeschrieben wurde die Abkehr von der Kohle und von „ineffizienten“ Subventionen für Öl, Gas und Kohle – allerdings in abgeschwächter Form als anfangs angepeilt.
  • Beschlossen wurden auch mehr Finanzhilfen für arme Staaten, damit diese sich an die vielerorts fatalen Folgen der Klimakrise anpassen können. Konkret sollen diese Finanzhilfen bis 2025 auf etwa 35 Milliarden Euro verdoppelt werden.
  • Überdies wurden in Glasgow Initiativen zum Schutz des Waldes, zur Verringerung des Methangasausstoßes und für emissionsfreien Straßenverkehr auf den Weg gebracht. Unklar ist allerdings, wie deren Umsetzung überprüft und sichergestellt ist.
  • Die nächste Weltklimakonferenz COP27 wird im November 2022 in Ägypten stattfinden. Für das Jahr 2023 haben sich die Vereinigten Arabischen Emirate als Austragungsort beworben.
Credits Artikelbild: unfccc

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