„Booster“ für die Digitalisierung: Digitale Grundbildung soll ab dem kommenden Schuljahr in der AHS-Unterstufe und in den Mittelschulen unterrichtet werden. Pro Schulstufe soll es dafür eine fixe Wochenstunde geben.
Corona hat die Digitalisierung der österreichischen Schullandschaft beschleunigt. Insgesamt rund 150.000 SchülerInnen der ersten beiden AHS- und Mittelschulklassen (fünfte und sechste Schulstufe) stattet der Bund seit Beginn des Schuljahres bei Bedarf mit Laptops oder Tablets aus. Eltern müssen dabei nur ein Viertel des Gerätepreises selbst bezahlen.
Jetzt wird auch der Lehrplan entsprechend modifiziert. Ab dem kommenden Schuljahr soll es in der AHS-Unterstufe und in den Mittelschulen ein Pflichtfach „Digitale Grundbildung“ geben. Das sieht ein entsprechender Gesetzesentwurf vor. Derzeit wird das Fach als verbindliche Übung unterrichtet. Das heißt, dass alle SchülerInnen zwar teilnehmen müssen, aber keine Note bekommen. Auch der Umfang ist variabel. Schulen können – über die gesamten vier Jahre gerechnet – zwischen zwei und vier Wochenstunden reservieren (also im Schnitt zwischen einer halben und einer Stunde pro Klasse). Als Variante zu eigenen Stunden können sie diese in den Fachunterricht anderer Gegenstände integrieren. Eine Autonomie, die angebotsseitig zu einem „Fleckerlteppich“ geführt hat.
Digitalisierung in allen Schulstufen
Jetzt wird vereinheitlicht. Künftig soll pro Schulstufe fix eine Wochenstunde für digitale Grundbildung zur Verfügung stehen. Gestartet wird im kommenden Herbst mit den ersten drei AHS- und Mittelschulklassen. SchülerInnen sollten bis dahin aufgrund der laufenden Ausstattungsoffensive alle die notwendigen Computer haben. Ab dem Schuljahr 2023/24 wird das Fach dann in allen vier AHS-Unterstufen- und Mittelschulklassen unterrichtet.
Am Lehrplan der wichtigen „21st-Century-Skills“ stehen Programmiersprachen und Kompetenzen in der Informationsverarbeitung, also Wissen über Algorithmen und Big Data, aber auch Medienkompetenz, Recherche und Quellenkritik sowie der richtige Umgang mit persönlichen Informationen, Datenschutz und Cybermobbing. All diese sind angesichts der Reichweite sozialer Medien mittlerweile wichtige Grundpfeiler des Arbeitsalltags, aber auch des gesellschaftlichen Zusammenlebens insgesamt.
Eigenes Lehramtsstudium in Planung
„Die digitale Bildung aufzuwerten, ist die richtige Maßnahme zum richtigen Zeitpunkt“, freut sich Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV). Er verweist auf den schon jetzt akuten Personalmangel in der heimischen Wirtschaft, wo allein drei von vier Industrieunternehmen Probleme beim Finden entsprechend ausgebildeter MitarbeiterInnen haben. Das gefährdet in weiterer Folge die Konkurrenzfähigkeit der Betriebe, aber auch des Standorts insgesamt. „Damit Österreichs Wirtschaft ihre Wettbewerbsposition halten und verbessern kann, müssen wir bei den digitalen Kompetenzen und der IT-Infrastruktur im gesamten Bildungsbereich zur internationalen Spitze aufschließen“, drängt auch Mariana Kühnel, stellvertretende Generalsekretärin in der Wirtschaftskammer Österreich.
Als Grundlage für diese Digitalisierungsoffensive in den Klassenzimmern wird auch die entsprechende Ausbildung des Lehrpersonals mittelfristig angepasst. Vorerst werden die LehrerInnen zwar weiter im Rahmen der Fort- und Weiterbildung ausgebildet. In Zukunft soll aber ein eigenes Lehramtsstudium geschaffen werden. „Denn das Projekt steht und fällt mit den verantwortlichen Pädagoginnen und Pädagogen, mit ihrem Engagement und ihren digitalen Kenntnissen und Fähigkeiten“, ist Neumayer überzeugt.
Unterricht über Schulfachgrenzen
Alle Lehrkräfte sollen demnach im Rahmen der Grundausbildung oder in verpflichtenden Weiterbildungsmaßnahmen zumindest in den sechs Grundbereichen des Digital Competence Framework for Educators (DigCompEdu) der EU-Kommission geschult werden. Ziel für Österreichs Bildungssystem müsse es am Ende sein, dass interaktives und innovatives Lernen mithilfe digitaler Inhalte in allen Schulfächern, Unterrichtsformen und didaktisch-pädagogischen Methoden Einzug hält. Fächerübergreifend. Denn nicht jedes Zukunftsthema werde man über ein zusätzliches Pflichtfach abdecken können, Schulstunden seien ein begrenztes Gut, so Neumayer. „Lernen wird in Zukunft stärker über Querschnittsthemen stattfinden müssen und damit weniger an Schulstunden- und Schulfachgrenzen gebunden sein.“
Gleichzeitig mahnt die OECD mit Blick auf Österreich aber zu einem „digitalen Blick“ über den Tellerrand der Schulen hinaus. Um aufzuholen, müsse das lebenslange Lernen rund um digitale Technologien in allen Bevölkerungsgruppen, speziell aber bei den Älteren und schwächer Qualifizierten, ausgebaut werden. Das empfiehlt die OECD in ihrem Papier „Going for Growth 2021: Shaping a Vibrant Recovery“.
Der Aufholbedarf Österreichs in Sachen Digitalisierung ist da, wird aber kleiner. Das zeigt der aktuelle Digital Economy and Society Index (DESI) 2021 der Europäischen Kommission. Dort hat sich Österreich gegenüber 2020 um drei Plätze verbessert und liegt jetzt auf Rang zehn. Damit hat Österreich Belgien und Deutschland überholt.