Lindner Traktor

Digitalisierung auf dem Acker: Traktor trifft Blockchain

Die Digitalisierung garantiert nicht nur Präzision bei der Bewirtschaftung von Wiesen und Feldern, sondern liefert beim Lindner Traktorenwerk auch wertvolle Daten für die Traktorvermietung – und für den Rennsimulator des eigenen E-Sports-Teams.

Traktoren sind Trendsetter. Was für Autos auf Straßen noch heiß diskutierte Möglichkeiten sind, sind auf den Feldern längst angewandte Tatsachen. Denn die in einem Traktor verbauten Features in Sachen autonomes Fahren lassen jeden Mittelklasse-Pkw alt aussehen. Es werden nicht nur Erde gepflügt und Samen gesät, sondern auch Daten geerntet.

So kann ein Hightech-Traktor mittels GPS-Steuerung ein Ackerfeld automatisch und zentimetergenau abfahren, die Maschinen können am Feld selbstständig vorausfahrenden Fahrzeugen dank Sensoren im vorgegebenen Fixabstand folgen. In der vollklimatisierten Fahrerkabine bedient der/die PilotIn diverse Funktionen wie auf einer Computerkonsole via Joysticks und kann über einen Monitor Daten der angeschlossenen Zusatzgeräte kontrollieren.

Lindner Produktion
Lindner Traktoren-Produktion in Kundl: 1.200 Fahrzeuge werden jährlich zusammengeschraubt. Foto: Lindner

Ein stufenloses Getriebe sorgt für einen anwendungsoptimierten Treibstoffverbrauch, wobei die Abgasnormen in den letzten 20 Jahren in fünf Etappen drastisch verschärft wurden. „Die Abgase sind heute fast sauberer als die angesaugte Luft“, sagt David Lindner. Er ist im gleichnamigen Traktorwerk in Kundl für das Exportgeschäft zuständig. 52 Prozent der jährlich rund 1.200 in Tirol gefertigten Fahrzeuge gehen ins Ausland – neben Traktoren auch Transporter, beispielsweise für kommunale Dienste. Einen internationalen Namen gemacht hat sich Lindner aber vor allem als Spezialist für geländegängige Traktoren.

Ein Flugzeugbauer als Traktorerfinder

Den Grundstein für die mittlerweile 75-jährige Unternehmensgeschichte legte David Lindners Urgroßvater. Der gelernte Flugzeugtechniker scharte 1946 elf ehemalige Kollegen aus der Flugzeugfabrik Messerschmitt um sich und machte sich selbstständig. Das „Start-up“ setzte auf eine noch von den Folgen des Zweiten Weltkriegs geprägte Unternehmensidee: Aus zerbombten Hochspannungsleitungen wurden Wandersägen hergestellt. Um den Betrieb dieser mobilen Holzbearbeitungsmaschinen zu erleichtern, entwickelte Lindner bereits zwei Jahre nach Gründung einen eigenen Traktor.

Lindner Traktor-Cockpit
Traktor-Cockpit: GPS-Steuerung und High-Tech-Tools für Präzisionslandwirtschaft. Foto: Lindner

Schon fünf Jahre später sorgte das junge Unternehmen in der Branche für Aufsehen. Lindner brachte 1953 den ersten österreichischen Traktor mit Vierradantrieb auf den Markt. Die Innovation war der Tiroler Topografie und den entsprechenden Anforderungen an das landwirtschaftliche Arbeitsgerät geschuldet. „Die Hänge in Tirol sind steil, da braucht es mehr Traktion als im Tullner Feld“, greift David Lindner zum augenfälligen Vergleich. Anfangs belächelte man die Lindner-Traktoren mit den für damalige Verhältnisse ungewöhnlich großen Vorderrädern noch. Schnell wuchs daraus aber das eigenständige Kompetenzprofil in einer von Großkonzernen geprägten Branche.

GUT ZU WISSEN

  • Das Unternehmen Lindner Traktorenwerk wurde 1946 gegründet. Heute führt Hermann zusammen mit Stefan und Rudolf Lindner den Familienbetrieb in dritter Generation.
  • Mit David Lindner und seinen Cousins Christoph und Manuel ist bereits die vierte Generation im Unternehmen tätig.
  • Zuletzt wurde mit 250 MitarbeiterInnen ein Umsatz von 89 Millionen Euro erwirtschaftet. Die Exportquote liegt bei rund 52 Prozent.
  • Jährlich werden am Standort in Kundl in Tirol rund 1.000 Traktoren und 200 Transporter produziert.

Wie der Brexit in Tirol wirkt

Mit den Traktoren von damals sind die aktuellen Modelle aber längst nicht mehr vergleichbar. Neben höherer Motorleistung, viel mehr elektronischen Features und verbesserten Sicherheitsstandards können heute auch viel mehr Zusatzgeräte angeschlossen werden. Die Fahrzeuge sind damit vielfältiger einsetzbar geworden und bringen es dank hochwertiger Komponenten auf dreimal mehr Betriebsstunden als ihre Vorgänger. Das hat auch die Anforderungen an die Hersteller wachsen lassen.

David Lindner-(c)MareykeFrehner
David Lindner: E-Mobility? „Da müssen sich die Batteriehersteller noch etwas Gescheiteres einfallen lassen.“Foto: Lindner | Frehner

„Es steckt heute doppelt so viel Arbeitszeit in einem Fahrzeug“, rechnet Lindner vor. Bei einem Traktor sind es allein mehr als 200 Stunden Handarbeit, um all die Komponenten zu einem fertigen Fahrzeug zusammenzubauen. Die Getriebe werden dafür aus Steyr angeliefert, die Hydraulik kommt von Bosch aus Deutschland, die Motoren von Perkins aus Großbritannien. Letztere haben die Folgen internationaler Politik bis nach Kundl in Tirol wirken lassen – Stichwort: Brexit.

39.000 Ersatzteile auf Lager

Den hätte man sich bei Lindner gerne erspart. Abgesehen von den Jahren der Ungewissheit während der langwierigen Verhandlungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union, ist es heute vor allem der bürokratische Mehraufwand, der für Unmut sorgt. Zwar ist für die von der Insel importierten Teile kein Zoll zu bezahlen, zu verzollen – also schriftlich zu erfassen – sind sie aber dennoch. Dazu müssen von sämtlichen Produkten, die aus Großbritannien in die EU eingeführt werden, Ursprungszeugnisse vorgelegt werden. Heißt: „Ein enormer Schriftverkehr, der für beide Seiten eine Belastung ist“, klagt Lindner.

Dazu kommt eine besondere Selbstverpflichtung: Lindner verspricht KundInnen eine Ersatzteilgarantie bis zu 30 Jahre nach Einstellung einer Produktionsserie. Das führt einerseits zu einem entsprechend aufwendigen Lagermanagement mit rund 39.000 vorrätigen und permanent abrufbaren Ersatzteilen, andererseits verlängert sich so die Nutzungsdauer der Fahrzeuge auf bis das Doppelte der Konkurrenz. Diese Dehnung der Einsatzfähigkeit erhöht die Wertbeständigkeit. Lindner-Traktoren sind – auch wenn man sie gebraucht kauft – noch relativ teuer.

Blockchain regelt Vermietung

Als Alternative bietet Lindner Mietfahrzeuge. Beim dafür notwendigen Fuhrparkmanagement setzt Lindner seit vergangenem Herbst auf eine Blockchain-Technologie. Dabei lädt der bzw. die KundIn zunächst ein gewisses Guthaben auf sein beziehungsweise ihr Konto. Sobald der Traktor übernommen wird, starten über die Software exakte Aufzeichnungen über tatsächliche Anwendungen. Die Abrechnung erfolgt transparent pro Einsatz und wird wochen- oder monatsweise abgebucht. Der Vorteil für die KundInnen: Es sind stundenweise und je nach Anwendung angepasste Mietpreise möglich. Der Vorteil für Lindner: Man erhält laufend Fahrzeugdaten und Einsatzprofile, wodurch die Wartung einfacher wird. Der Benefit für GeschäftspartnerInnen: Banken und Versicherungen, Wetterdienste und andere Services können leicht eingebunden werden.  

David Lindner sieht darin ein zukunftsweisendes Modell. Denn immer öfter investieren Landwirte in einen Universaltraktor für die Hauptarbeit, für Spezialarbeiten greifen sie aber vermehrt auf hoch spezialisierte Mietgeräte zurück.

Und was ist mit E-Traktoren?

Nur in Sachen E-Mobility hinkt die Entwicklung bei Traktoren jener für Straßenfahrzeuge etwas hinterher. Das hat, erklärt Lindner, „gewichtige Gründe“: Aktuell benötigt ein Traktor für einen Arbeitszyklus einen (Diesel-)Tank mit rund 120 Liter Volumen. Entsprechend leistungsgleiche Batterien würden zwischen fünf und sechs Tonnen wiegen. „Da müssen sich die Batteriehersteller noch etwas Gescheiteres einfallen lassen“, sagt Lindner. Man sei aber auch diesbezüglich „mit offenen Augen unterwegs“.

Geotrac-Supercup
Geotrac-Supercup – die „Formel 1 der Landwirtschaft“: Corona zwang zu einem virtuellen Wettkampfformat am Simulator. Lindner stellt dafür ein eigenes E-Sports-Team.Foto: Lindner

Simulation League: Wettrennen am virtuellen Acker

Es erinnert an die Formel 1: Nicht nur Hamilton, Verstappen und Co. proben ihre Renneinsätze auf Computersimulatoren. Auch der landwirtschaftliche Nachwuchs in seinen Traktoren tut es. „Farming Simulation League“ heißt das Spiel, das zu den beliebtesten und meistverkauften in Europa zählt.

Es ist die E-Sport-Variante jener Fahrtechnikwettbewerbe, die vor Corona im Rahmen des „Geotrac-Supercups“ mit echten Traktoren auf echten Rennparcours stattgefunden haben und die als „Formel 1 der Landwirtschaft“ gelten.

Der Vorteil der virtuellen Version: Zum einen entfallen die Anreisen zu den Rennen, zum anderen können auch traktorbegeisterte Jugendliche, die noch zu jung für den Führerschein sind, an den Konsolen daran teilnehmen.

Lindner stellt dabei ein eigenes E-Sports-Team, wobei es „keine eingekauften Profis sind“, wie David Lindner betont, sondern ambitionierte und talentierte Lindner-KundInnen.

Credits Artikelbild: Lindner

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