Eiffelturm

Doppelmayr baut Stadtseilbahn in Paris

Ski- und Ausflugsberge, aber auch Städte versorgt das Vorarlberger Unternehmen Doppelmayr mit Seilbahnlösungen. CEO Thomas Pichler über Corona-Folgen, Zukunftspläne des Weltmarktführers – und ein Prestigeprojekt in Paris.

Das Jahrbuch des letzten Jahres ist gut gefüllt und international geprägt. Über 70 Projekte konnte Doppelmayr weltweit realisieren – von Standseilbahnen in Puerto Rico und Deutschland über Pendelbahnen in den USA und Österreich, Gondelbahnen in der Schweiz, Russland, Frankreich und Japan bis zu Sesselbahnen in Neuseeland, Tschechien, Spanien und der Ukraine.

Am Ende des Geschäftsjahres 2019/20 summierte sich das in der Bilanz von Doppelmayr zu einem Umsatz von 872 Millionen Euro. Das waren 20 Millionen mehr als zwei Jahre davor, aber 63 Millionen weniger als im Geschäftsjahr 2018/19, wo man einen Rekordumsatz von 935 Millionen Euro erwirtschaftete. „Wir sind im Projektgeschäft tätig“, begründet Thomas Pichler, geschäftsführender Direktor der Doppelmayr Holding, das Auf und Ab. Da könne es durch Großaufträge, die an einem gewissen Datum abgerechnet werden – wie im konkreten Fall ein Projekt in La Paz in Bolivien – zu derartigen Umsatzsprüngen kommen. Gearbeitet wird an solchen Projekten aber schon die Jahre davor.

20 Prozent Umsatzeinbruch wegen Corona

Aussagekräftiger sei daher ein längerfristiger Beobachtungszeitraum, heißt es beim Weltmarktführer im Seilbahnbau. Vor allem auch, wenn es schlagartig zu externen Wachstumstoppern wie der Corona-Pandemie kommt. Im letzten Oktober hatte man da bei Doppelmayr für das Geschäftsjahr 2020/21 noch einen Umsatzrückgang um ein Drittel prognostiziert.

Doppelmayr Seilbahn Chinesische Mauer
Abseits von Ski- und Ausflugsbergen: Doppelmayr-Seilbahnen versorgen auch Sehenswürdigkeiten – wie hier an der Chinesischen Mauer.Foto: Doppelmayr

„So dramatisch ist es nicht geworden“, relativiert Pichler. „Aber wir liegen, verglichen mit dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre, doch bei minus 20 Prozent.“ Das hat auch zu einem Abbau von weltweit 190 MitarbeiterInnen, die Hälfte davon in der Konzernzentrale in Wolfurt in Vorarlberg, geführt. Wobei die internationalen Märkte – Doppelmayr hat Vertriebs- und Serviceniederlassungen in 50 Ländern – ganz unterschiedlich durch die Krise gekommen sind.

Trend: Skilifte in Stadtnähe

Weltweit war in den Skigebieten von Plus bis Pleite alles dabei, je nachdem, wie sich die Einschränkungen durch Corona auf das Gäste- und Reiseverhalten ausgewirkt haben. Besonders stark angezogen haben beispielsweise Skigebiete in Russland, weil russische SkifahrerInnen nicht ins Ausland reisen konnten, beziehungsweise stadtnahe Skigebiete in den USA, weil dort Flüge in die weiter entfernten Berge wegen Corona nicht möglich waren. „Daraus haben sich für uns für den kommenden Winter neue Projekte ergeben“, sagt Pichler. 

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Thomas Pichler, geschäftsführender Direktor bei Doppelmayr: „Die Investitionsfreude in den Tourismusdestinationen ist auf alle Fälle noch vorhanden, weil man an das Gesamtprodukt ,Berg‘ im Sommer wie im Winter glaubt.“Foto: Doppelmayr

Gelitten haben dagegen europäische Destinationen. In Italien und Frankreich gab es aufgrund staatlicher Sperren Totalausfälle. In Österreich war es abhängig von der Lage des Skigebiets: Im Westen hat es starke Einbrüche gegeben, weil internationale Gäste ausgeblieben sind, wohingegen kleine Skigebiete weiter östlich viel einheimische Gäste empfangen konnten und mit einem blauen Auge davongekommen sind.

Corona: Investitionsprämie hat gewirkt

Spürt Doppelmayr diese saisonalen und regionalen Ausfälle, weil bei den LiftbetreiberInnen damit auch die Investitionsbereitschaft verblüht ist? Pichler verneint mit Verweis auf eine Maßnahme aus dem Corona-Hilfspaket der Bundesregierung: „Die Investitionsprämie hat für Seilbahnprojekte Planungssicherheit gebracht, weil sich diese staatliche Unterstützung niemand entgehen lassen will.“ Die Investitionsfreude ist daher, so Pichler, „auf alle Fälle noch vorhanden, weil man an das Gesamtprodukt ,Berg‘ im Sommer wie im Winter glaubt und auch ein Nachholbedarf seitens der Menschen besteht, wieder Urlaub in den Bergen zu machen“.

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Neue Transportlösung für Moutainbikes: Die Fahrräder werden in die „Bike-Cab“ platzsparend und mit wenigen Handgriffen eingehängt. Die Biker sitzen bequem eine Gondelkabine dahinter.Foto: Doppelmayr

Umgekehrt gibt es aber immer wieder auch BürgerInnenprotest. Der Ausbau von Liftinfrastruktur in den Bergen wird zunehmend skeptisch und mit Widerstand begleitet. Wie reagiert man als Seilbahnhersteller, wenn Argumente wie Naturschutz und Nachhaltigkeit ins Spiel gebracht werden? „Im touristischen Bereich stellt sich die Naturschutz-Frage insbesondere den Projektbetreibern, die neue Seilbahnen bauen wollen“, sagt Pichler. Er verweist auf den Umstand, dass vor dem Bau zunächst immer die Umweltverträglichkeit eines Projekts geprüft wird.

Stadtseilbahnen: Lateinamerika als Vorreiter

Auf weniger Widerstand stoßen Seilbahnprojekte dagegen in der Stadt. Da werden sie als sehr charmant angesehen, weil sie umweltfreundlich und schnell realisierbar sind und zu hundert Prozent elektrisch laufen. Aber auch hier gibt es globale Unterschiede. Während Seilbahnen in Lateinamerika als Teil des öffentlichen Personennahverkehrs mitgedacht und umgesetzt werden, steht man diesbezüglich in Europa eher auf der Bremse. Mehr als Schritttempo scheint nicht drinnen zu sein. Warum?

Stadtseilbahn Bolivien
Stadtseilbahn in Bolivien: In Lateinamerika werden Seilbahnen in den öffentlichen Personennahverkehr integriert. Auch in Mexico City geht aktuell eine Bahn in Betrieb.Foto: Doppelmayr

„In Mittel- und Südamerika, in Städten wie Medellín, Bogotá oder La Paz, profitieren wir vor allem von zwei Faktoren“, differenziert Pichler. Einerseits von der Topografie der Landschaft: Die Ansiedlungen, die mit Bahnen erschlossen werden, befinden sich meist in Hanglagen. Andererseits gibt es in diesen Städten eine relativ unkoordinierte Siedlungspolitik. Da entstehen in kürzester Zeit große Siedlungen mit 20.000 bis 30.000 Menschen, die mit kleinen Bussen durch enge Gassen an das große Verkehrsnetz Anschluss finden müssen. Doppelmayr hat als Alternative Seilbahnen gebaut, die diese Vorortsiedlungen mit Hauptverkehrsknotenpunkten verbinden. Auch in Mexico City. Dort wird Mitte Juni der zweite Abschnitt einer Seilbahn in Betrieb gehen, die als Anbindung an die U-Bahn funktioniert.

Erste Stadtseilbahn für Paris 

Woran scheitert Ähnliches in Europa? „Weil wir hier in gut ausgebauten Demokratien leben, wo Infrastrukturprojekte durch fast jede Interessensgruppe beeinsprucht werden können, dauert es meistens etwas länger.“ Aber es sei nicht so, dass gar nichts geht. So errichtet Doppelmayr für die Blumen- und Gartenausstellung „Floriade Expo 2022“ in Almere (Niederlande) eine 850 Meter lange und 35 Meter hohe Bahn. Als „grünes Verkehrsmittel“ soll die Bahn auch das Potenzial von urbanen Seilbahnen erlebbar machen.

Vietnam Weltrekordstütze Haiphong-Cat
Weltrekord! 214,9 Meter hoch sind die Stützen der Haiphong-Cat Ba-Seilbahn im Vietnam. Sie verbindet über vier Kilometer eine Insel mit dem Festland als Ersatz für die zeitaufwendige Fähre und teure Schnellboote.Foto: Doppelmayr

In Deutschland hat im Auftrag der Bundesregierung eine große Evaluierung der 15 aussichtsreichsten Seilbahnprojekte in Bezug auf Sinnhaftigkeit und Machbarkeit begonnen. Und in Paris hat Doppelmayr Anfang Mai den Zuschlag für das erste Seilbahn-Projekt in der Region Île-de-France erhalten. Das 110-Millionen-Euro-Projekt hat eine Gesamtlänge von 4,5 Kilometer und fünf Stationen. Fahrtzeit von einem zum anderen Ende: 17 Minuten mit direkter Anbindung an das U-Bahn-Netz der Île-de-France. Die Zehn-Personen-Kabinen schaffen eine maximale Transportkapazität pro Richtung von 1.600 PassagierInnen pro Stunde. Die Inbetriebnahme ist nach dreijähriger Bauzeit für 2025 geplant.

Doppelmayr-Chef: „Wir kennen unsere Grenzen“

Der Doppelmayr-Chef stellt aber in Bezug auf den immer kommenden Vergleich mit einer U-Bahn klar: „Natürlich ist eine Seilbahn günstiger und schneller gebaut, aber sie kann maximal um die 6.000 Personen pro Stunde und Richtung transportieren.“ Das sei ohnehin sehr viel, vergleicht es Pichler mit 100 vollbesetzten Bussen pro Stunde und Richtung oder einer Autoschlange, die – bei einer Zwei-Personen-pro-Auto-Besetzung – zwischen 10 und 15 Kilometer lang ist. Aber eine U-Bahn schafft das Zehnfache und mehr, je nach Taktung.

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Nicht nur am Seil: Der Cable-Liner-Shuttle von Doppelmayr verbindet das Parkplatzareal vor den Toren Venedigs mit der Lagunenstadt.Foto: Doppelmayr

Das sind Förderleistungen, die eine Seilbahn nie erreicht. Pichler: „Wir kennen unsere Grenzen und sehen die Seilbahn viel mehr als Ergänzung zu großer Infrastruktur, um neue Siedlungsgebiete schnell an große Knotenpunkte anzubinden, oder als Brücken- und Querverbindungen zwischen sternförmigen U-Bahn-Achsen, um nicht immer bis ins Zentrum hineinfahren und umsteigen zu müssen.“

Konkurrenz zum Drohnentaxi

Bei Doppelmayr wird urbane Mobilität der Zukunft aber bereits weitergedacht. In den Entwicklungsbüros wird in Kooperation mit SpezialistInnen für autonomes Fahren an Visionen für die nächsten fünf bis fünfzehn Jahre gearbeitet. Da steigt man zu Hause in eine Kabine, die einmal aufgeständert als Hängebahn unterwegs ist, einmal auf ein zweiachsiges Untergestell aufgesetzt wird und autonom im Straßenverkehr mitfährt und am Ende aufgehängt auf einem Seil bis ins Ziel schwebt. Der Passagier steigt dabei nie um. „Das wäre unsere Zukunftsvision urbaner Mobilität“, sagt Pichler. Eine natürliche Konkurrenz zum Drohnentaxi? „Ja, das kann man durchaus so sehen.“

GUT ZU WISSEN

  • Weltweit beschäftigt Doppelmayr rund 3.400 MitarbeiterInnen, 1.665 davon in Österreich.
  • Aktuell sind 126 Lehrlinge in Ausbildung. Vor allem im Bereich der Produktion und Fertigung werden jedes Jahr zwischen 30 und 35 Lehrlinge angestellt.
  • Bis heute realisierte das Unternehmen über 15.100 Seilbahnsysteme für KundInnen in 96 Staaten.
  • 872 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaftete die Doppelmayr Gruppe im Geschäftsjahr 2019/2020.
Credits Artikelbild: adobestock | eyetronic

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