Premiere: Drohne hebt mit Blutkonserve ab

Alle 90 Sekunden wird in Österreich eine Blutkonserve benötigt. Dass diese auch erfolgreich per Drohne zu Patientinnen und Patienten geliefert werden kann, stellte das Rote Kreuz eindrucksvoll unter Beweis. Erstmal hob eine vom österreichischen Aerospace-Konzern FACC mitentwickelte Logistikdrohne vollautomatisch mit Blutkonserven an Bord ab.

Stellen wir uns doch einmal folgendes Szenario vor: Das Telefon beim Blutspendedienst klingelt. Am anderen Ende ein Krankenhaus, das dringend eine Blutkonserve der Blutgruppe 0 mit dem Rhesusfaktor negativ für einen Notfallpatienten benötigt. Die passende Konserve wird so schnell wie möglich aus dem Kühlregal genommen, in eine geeignete Transportbox gepackt und per Kurier zum Patienten gefahren. Bei diesem Transport zählt freilich jede Minute. Starke Verzögerungen aufgrund von enormen Verkehrsaufkommen könnten dem Patienten das Leben kosten.

Dass sich die zeitgerechte Zustellung der dringend notwendigen Fracht nicht immer als einfach erweist, liegt folglich auf der Hand. Vor allem in Ballungsräumen sei es mit der Geschwindigkeit immer wieder eine Herausforderung, erklärt Gerald Foitik, Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes. Damit es jedoch erst gar nicht zu solchen Problemen kommt, sollen FahrerInnen bei zukünftigen Versorgungsfahrten tatkräftige Unterstützung aus der Luft bekommen.

Hilfe aus der Luft

Lebensnotwendige Lieferungen könnten demnach an hochmoderne, unbemannte Rettungsdrohnen geschnallt und ohne weiteren Zeitverlust zugestellt werden. Was sich erst einmal nach dem Drehbuch des neuesten Science-Fiction-Films anhört, soll schon bald Alltag sein. Und am 22. September 2021 war es in Österreich tatsächlich so weit: Erstmals wurde eine Blutkonserve per Drohne ausgeliefert – und zwar vollautomatisch. Der Flug von der Rotkreuzbezirksstelle Lilienfeld in Niederösterreich ins nahe gelegene Landesklinikum dauerte zwar nur wenige Minuten, zeigte aber eindrucksvoll das Potenzial der autonomen Lebensretter der Zukunft.

Bisher: Drohnen für Personensuche und Lageerhebung

Für viele sind Drohnen ein netter Zeitvertreib, eine Hightech-Version des Drachens aus Kindertagen. Allein in Österreich schwirren rund 100.000 von den modernen Luftfahrzeugen umher. Die unbemannten Fluggeräte sind aber viel mehr als reine Spielerei. Mittlerweile gehören sie oft zur Grundausrüstung von Polizei, Feuerwehr und Rettung, werden aber auch in der Forschung und Privatwirtschaft eingesetzt.

Und auch für heimische Blaulichtorganisationen wird der Einsatz von Drohnen immer wichtiger. Ob bei Waldbrand, Personensuche, Lageerkundung oder Veranstaltungsüberwachung – die Anwendungsmöglichkeiten sind jedenfalls vielfältig. „Blutkonserven mit Drohnen auszuliefern ist eine weitere vielversprechende Anwendung“, fährt Bundesrettungskommandant Gerry Foitik fort. Doch damit Drohen künftig dabei helfen können, Leben zu retten, müssen die dafür notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen für diese Art von Transportdrohnen im Blaulichteinsatz geschaffen werden.

Bürokratische Hürden vor dem Flug

Eine Änderung der EU-Vorschriften hat in Österreich zwar erste Erleichterungen gebracht, das nationale Luftfahrtgesetz und die Sicherheitsauflagen sind allerdings noch immer streng geregelt. Die detaillierte Beantragung eines Flugs ohne Piloten ist dementsprechend aufwendig. Der Vorführflug in Lilienfeld war ebenfalls nur dank einer behördlichen Einzelgenehmigung und einer detaillierten Antragstellung möglich. Bewilligt wurde der Flug von Austro Control.

Vielversprechende Drohnentechnologien sind zwar weltweit vorhanden, bei dem Transport der Blutkonserve mithilfe einer Drohne aber „konnten wir mit österreichischem Know-how erstmals demonstrieren, wie man in engem Zusammenspiel mit der Zulassungsbehörde in einer Realumgebung einen sinnhaften Transport ermöglichen kann“, betont Holger Friehmelt, Leiter des Instituts Luftfahrt/Aviation an der FH JOANNEUM stolz. Er begleitete das Projekt auf wissenschaftlicher Ebene. Zudem war die „enge Zusammenarbeit und Risikoanalyse von Behörde, Wissenschaft und Industrie für den Erfolg des Projekts entscheidend“, bestätigt der Staatssekretär für Luftfahrt Magnus Brunner.

Blutkonserve Drohne
Vor dem Start wurde die Drohne unweit des Landesklinikums Lilienfeld mit der lebensnotwendigen Blutkonserven beladen.Foto: ÖRK/pixelmaker.at

Richtiges Modell sorgt für Sicherheit

Bei der für die Lieferung der Blutkonserve eingesetzten Drohne handelte es sich um das Modell „Falcon B“ – eine der führenden Logistikdrohnen weltweit. Diese wird dem Drohnenhersteller Ehang zufolge in China bereits erfolgreich vom Paket- und Brief-Express-Dienst DHL verwendet. „Damit können wir Pakete bis zu fünf Kilogramm mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h rund 20 Kilometer weit transportieren – und das voll automatisiert“, erklärt Andreas Perotti, Chief Marketing Officer (CMO) Europe des Herstellers.

Mit der Komplexität der Drohne umzugehen und bei der Positionierung stets kollisionsfreie Backup-Pfade zu berechnen, erwies sich bei dem Testflug als besonders herausfordernd. Damit sind vor allem Rückzugsmöglichkeiten, die bei plötzlich auftretenden Problemen von der optimalen Flugbahn abweichen, gemeint. Mit dem erfolgreichen Abschluss des Projekts haben das Rote Kreuz und seine Partner jedenfalls bewiesen, dass der Anwendungsbereich von Drohnen weit über die bis dato bekannten Einsatzmöglichkeiten hinaus geht. Heimische Blaulichtorganisationen hoffen nun, dass notwendige rechtliche Rahmenbedingungen für noch mehr Einsatzmöglichkeiten geschaffen werden. Und wer weiß: Vielleicht können diese dann auch schon bald auf tatkräftige Unterstützung aus der Luft zählen.

Gut zu wissen:

2018 ist FACC eine strategische Partnerschaft mit EHang, einem der weltbesten Unternehmen im Bereich autonomer Luftfahrt, eingegangen. Gemeinsam verfolgen sie das Ziel, autonome Luftfahrzeuge zu optimieren und diese zur Serienreife zu bringen.

Credits Artikelbild: ÖRK/pixelmaker.at

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