Klimaneutrale Verbrenner: 5 Fragen und Antworten zu E-Fuels 

Die Transformation der Mobilitätsbranche ist in vollem Gange. Neben Strom und Wasserstoff entpuppt sich synthetischer Kraftstoff, auch E-Fuel genannt, als vielversprechender Treibstoff. Könnten diese künstliche Tankladung zur Erreichung der Klimaziele beitragen?

Es klingt nach einer bestechend einfachen Lösung: Technisch unveränderte Fahrzeuge werden mit völlig sauberem Treibstoff betankt. Eine Umrüstung der Motoren ist nicht nötig. Genau das soll dank synthetischer Kraftstoffe tatsächlich bald möglich sein und die Klimabilanz der bis dato umweltschädlichen Verbrenner-PKW maßgeblich verbessern.  

Technisch machbar ist die Sache bereits. Hergestellt wird dieser Öko-Kraftstoff in sogenannten Power-to-Liquid-Anlagen. Genau so eine Anlage wird derzeit in Graz, am Gelände der AVL List GmbH, errichtet. Genauer gesagt soll diese die modernste PtL-Anlage (PtL steht für Power to Liquid) Europas werden. Und zwar dank eines hochmodernen Hochtemperatur-Elektrolyse-Verfahrens, das derzeit weltweit nur von wenigen Unternehmen eingesetzt wird.

Die Herstellung des sauberen Kraftstoffs soll damit im Vergleich zu den bisher genutzten Produktionsanlagen um 20 Prozent effizienter erfolgen, der benötigte Energieeinsatz um 20 bis 30 Prozent reduziert werden. „Bereits Ende 2023 werden aus der steirischen Anlage synthetische, komplett CO2-neutrale Brenn- und Kraftstoffe sprudeln“, heißt es bei AVL List.

E-Fuels kurz und einfach erklärt

Unter dem Sammelbegriff E-Fuels versteht man alle Arten von synthetisch erzeugten flüssigen Kraft- und Brennstoffen, die auf Basis von Wasserstoff und CO2 hergestellt werden. Von konventionellen Kraftstoffen, wie Benzin oder Diesel, unterscheiden sie sich bloß im Herstellungsprozess. Sprich: E-Fuels sind nicht mineralischen Ursprunges, sondern werden komplett CO2-neutral hergestellt. Und so funktioniert’s: E-Fuels werden aus Wasserstoff, der mittels Elektrolyse aus Wasser gewonnen wird, hergestellt. Der dafür notwendige Strom stammt aus Wind- und Solaranlagen. In einem weiteren Schritt wird dieser Wasserstoff durch aus der Atmosphäre entnommenes CO2 zu einem flüssigen Kraftstoff synthetisiert.

Ein Experte weiß, wohin die Reise geht

E-Fuels gewinnen also angesichts der Klimaschutzziele und des Umbruchs der Mobilität an Bedeutung. Woran liegt es nun aber, dass diese bis dato ein Schattendasein führten? Und werden sie in Zukunft etwa Elektroautos überholen? Einer, der es wissen muss, ist AVL-Wasserstoff-Experte Jürgen Rechberger. Wir wagen gemeinsam mit ihm einen Blick hinter die Kulissen des „Ökosprits“ und haben ihn um Antworten zu den spannendsten Fragen gebeten.

E-Fuels Jürgen Rechberger
Jürgen Rechberger ist bei AVL List in Graz der Experte in Sachen E-Fuels.Foto: AVL List

1. Wie grün sind E-Fuels tatsächlich?

E-Fuels sind in der Gesamtbetrachtung als CO2-neutral einzustufen. Das bedeutet: Sie verbrennen klimaneutral. Bei der Herstellung wird demnach genauso viel CO2 aus der Atmosphäre im Kraftstoff gebunden, wie später bei der Verbrennung wieder emittiert wird. Wird also für die Herstellung dieses Kraftstoffs ausschließlich erneuerbarer Strom verwendet, handelt es sich um einen geschlossenen Kreislauf. Völlig schadstofffrei unterwegs sind laut Expert:innen aber derzeit nur batterieelektrische Fahrzeuge oder Brennstoffzellenautos mit Wasserstoffantrieb.

2. Verträgt ein jeder Verbrennungsmotor E-Fuel?

Die klare Antwort des Experten: Ja! Zur Erklärung: Der mit grüner Energie erzeugte Wasserstoff wird zusammen mit CO2 aus der Atmosphäre in einem speziellen Verfahren chemisch verflüssigt. Die chemischen Moleküle, aus denen herkömmliche Treibstoffe bestehen, werden hierbei quasi einfach nachgebaut. Das Ergebnis: ein sauberer Kraftstoff, der als Beimischung oder auch zu 100 Prozent in den heute bereits bestehenden Flotten mit Benzin- oder Dieselmotoren eingesetzt werden kann.

E-Fuels
Schon bald sollen E-Fuels statt herkömmlicher Kraftstoffe getankt werden. Ganz ohne Adaptionen der Motoren.Foto: Adobe Stock | nexus seven

Synthetischer Sprit unterscheidet sich rein chemisch also absolut nicht von herkömmlichem Kraftstoff, wird genau wie ein solcher gezapft und unterliegt noch dazu vergleichbaren Entzündungs- und Gefahrenklassen. Egal, ob pur oder beigemischt: Tankzeit, Verbrauch und Motorleistung bleiben beim Fahren mit E-Fuels völlig unverändert. Das Beste dabei ist, dass das bestehende Tankstellennetz weiter genutzt werden kann – grundlegende Umbauten der Ladeinfrastruktur oder der Fahrzeuge für den Umstieg auf E-Fuels sind also nicht notwendig.

3. Was kosten E-Fuels?

Die Herstellung synthetischer Kraftstoffe ist laut Expert:innen aktuell noch sehr aufwendig – und dementsprechend auch teuer. Genauer gesagt sollen E-Fuels in der Produktion vier- bis fünfmal so viel kosten, wie herkömmliche Treibstoffe es derzeit tun. Momentan ist davon auszugehen, dass man den grünen Sprit an der Tankstelle in Zukunft also nicht unter zwei Euro pro Liter kaufen können wird – ohne eingerechnete Steuern und Abgaben wohlgemerkt. Durch eine anfängliche Beimischung zum herkömmlichen Kraftstoff könnten allerdings die vor allem zu Beginn höheren Produktionskosten abgefedert und gleichzeitig der Ausbau von E-Fuels beschleunigt werden. 

Bei größeren Produktionsmengen und sinkenden Strompreisen sollen die Herstellungskosten synthetisch erzeugter Kraftstoffe in Zukunft allerdings signifikant abnehmen. Wie viel an der Zapfsäule tatsächlich gezahlt werden muss, hängt laut Expert:innen auch von politischen Rahmenbedingungen und geforderten Steuern und Abgaben ab. Das volle Potenzial von E-Fuels könne mit den richtigen politischen Weichenstellungen zügig gehoben werden, so die Fachleute.

4. Wie effizient sind mit E-Fuel betriebene Fahrzeuge?

Ein Thema, über das immer wieder diskutiert wird: der geringe Wirkungsgrad synthetischer Kraftstoffe. Fakt ist, dass ein batteriebetriebenes Elektroauto aufgrund der Direktstromverwendung einen höheren Wirkungsgrad vorweisen kann als ein Verbrenner, der mit E-Fuel gefahren wird. Die gute Nachricht: Herkömmliche Produktionsstätten für sauberen Treibstoff bringen derzeit zwar nur rund 13 Prozent der eingesetzten Energie in die Fahrzeuge, bei AVL in Graz hingegen geht man dank neuer technischer Möglichkeiten, die das vielversprechende Verfahren der Hochtemperatur-Elektrolyse mit sich bringt, von bis zu 20 Prozent aus.

Im Vergleich zu E-Autos mit einem Wirkungsgrad von bis zu 64 Prozent dennoch noch ein geringer Wert. Genau aus diesem Grund wird auch in den kommenden Jahren intensiv an weiteren, noch effizienteren Herstellungsverfahren geforscht. Damit könnte der Wirkungsgrad der E-Fuels in den kommenden Jahren noch weiter verbessert werden. 

5. Warum können E-Fuels heute noch nicht getankt werden?

Zwar wird schon fleißig an der Herstellung von sauberem Sprit getüftelt, reine E-Fuels fließen allerdings momentan noch nicht aus der Zapfanlage. Expert:innen prognostizieren, dass in der effizienten Power-to-Liquid-Anlage in Graz ab Ende 2023 rund 100.000 Liter synthetischer Treibstoff pro Jahr erzeugt werden sollen. Bis zum Jahr 2030 könnten sogar allein durch die Nutzung von überschüssigem Strom aus regenerativen Quellen, der in modernen Speichern zwischengelagert wird, 240 Millionen Liter in Österreich erzeugt werden.

Kässbohrer Pistenraupe Hybrid
Gerade für Fahrzeuge, wie etwas Pistenraupen, die sich fern von Infrastruktur bewegen, könnten E-Fuels ein Problemlöser werden.Foto: Kässbohrer

Der grüne Treibstoff aus der Steiermark soll etwa im Individualverkehr eingesetzt werden und dafür sorgen, dass künftig Bestandsverbrenner CO2-arm unterwegs sind. Vor allem angesichts des geplanten Verbrenneraus ab 2035 eine vielversprechende Lösung. Dann werden zwar Neuzulassungen von Verbrennungsmotoren untersagt, bereits zugelassene Fahrzeuge allerdings noch länger unterwegs sein.

Mit dem Umstieg auf E-Fuels könnten diese sauber(er) am Verkehr teilnehmen. Aber auch in heimischen Skigebieten soll synthetischer Treibstoff eingesetzt werden, um dort Pistenraupen umweltschonend über die Pisten zu schicken. Denn gerade bei derartigen Treibstoffschluckern, die oft abseits leicht zugänglicher Infrastruktur unterwegs sind, könnten die E-Fuels eine spannende Alternative sein. Deshalb sind auch LKW, Boote und sogar Flugzeuge im Visier dieser Form der ökologischeren Betankung.

Das Fazit:

Es zeigt sich also: Wann und ob sich eine Antriebstechnologie durchsetzen wird, ist aus heutiger Sicht noch offen. Die vergangenen 50 Jahre waren in der europäischen Fahrzeugindustrie geprägt von der laufenden Steigerung der Effizienz der Antriebstechnik und damit einhergehend der Reduktion von emittierten Schadstoffen. Technologieoffenheit und eine Life-Cycle-Betrachtung sind daher wichtige Grundpfeiler für Entscheidungen im Bereich der Mobilitätspolitik. Untersuchungen zeigen jedenfalls, dass Österreich bei einer überhasteten und nicht technologieoffenen Umstellung auf alternative Antriebsarten Bruttowertschöpfung verliert. 

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