In Hallein wird nicht nur Zellstoff erzeugt, sondern bald auch ein Granulat, das Wasser speichert und trockene Böden fruchtbarer macht.
Trockenperioden, Dürren und Wasserknappheit sind im Zuge des Klimawandels zu ungeliebten, aber treuen Begleitern der Land- und Forstwirtschaft geworden. Die Vegetation auf Wiesen, Feldern und in Wäldern leidet massiv darunter. Das niederösterreichische Start-up AgroBiogel bietet eine innovative Lösung, um diese Stresssituation für die Natur zu entschärfen.
Das 2021 gegründete Unternehmen hat ein wasserlösliches, biologisch abbaubares Granulat entwickelt. Das sogenannte Hydrogel wird in den Boden eingebracht. Es kann bis zu 95 Prozent des einsickernden Wassers und damit ein Vielfaches seines eigenen Gewichtes aufnehmen, es über einen längeren Zeitraum speichern und in Trockenzeiten langsam an das umgebende Erdmaterial und die dort wurzelnden Pflanzen abgeben.
Hydrogel senkt Wasserverbrauch
Damit können bisher unfruchtbare Böden in produktive umgewandelt werden. „Das Granulat kann in der Landwirtschaft, bei der Wiederaufforstung oder in Glashäusern eingesetzt werden und hilft, Wasser zu sparen“, erklärt Tobias Keplinger, CFO von AgroBiogel. Tatsächlich reduziert das Hydrogel den Wasserverbrauch um bis zu 40 Prozent, indem es die Bewässerungshäufigkeit verringert. In ersten Anwendungsversuchen konnten Pflanzen bis zu 52 Tage ohne Gießen überleben.
Seit Jahresbeginn wird das Hydrogel bereits in einer Pilotanlage in Tulln produziert. Das Lignin, ein Holzreststoff, der in großen Mengen als Nebenprodukt bei der Papierherstellung anfällt und als Ausgangsstoff notwendig ist, stammt aus der Zellstoffherstellung bei AustroCel in Hallein. Dort wird Fichtenholz bei 150 Grad Celsius mehrere Stunden lang in einem sauren Milieu gekocht, wodurch das Holz in seine Bestandteile zerfällt. Übrig bleibt die sogenannte Braunlauge. Aus ihr wird jenes Granulat, das sich beim Vermengen mit Wasser in Hydrogel verwandelt.
„Noch nicht am Ende der Fahnenstange“
Der Herstellungsprozess des Hydrogels benötigt weder Chemikalien noch hohe Energieströme und verursacht keine Abfälle. Durch diese Reststoffweiterverarbeitung kann AustroCel zudem seinen ökologischen Fußabdruck verbessern. Die Kooperation zwischen traditionsreichem Industrieunternehmen und dem innovativen Start-up wird aber noch intensiviert. So wird in Hallein in einem ersten Schritt eine Testanlage für mehrere hundert Tonnen dieses Granulats errichtet werden, um die wirtschaftliche Machbarkeit des Prozesses zu prüfen.
Grundsätzlich ist das Hydrogel für konventionelle und biologische Landwirtschaft sowie Privatgärten geeignet. Die Wasserhaltefähigkeit ist für etwa drei bis fünf Jahre aktiv. Danach wird das Hydrogel in Humus umgewandelt und erhöht damit die Fruchtbarkeit des Bodens.
AustroCel Hallein entwickle sich dank Projekte wie diesem immer stärker von einer Zellstofffabrik zu einer Bioraffinerie, die aus dem Rohstoff Holz viele Bausteine für weiteres wirtschaftliches Wachstum gewinne, freut sich Wolfram Kalt, CEO von AustroCel Hallein. So wird seit 2020 bei AustroCel – als einzigem Produzenten neben der Agrana – auch Bioethanol hergestellt. Der Kraftstoff wird aus Holzzucker gewonnen. Kalt: „Wir sind da noch nicht am Ende der Fahnenstange, es ist noch viel mehr drinnen.“
GUT ZU WISSEN
- Die AustroCel Hallein ist der Nachfolgebetrieb der ehemaligen Halleiner Papierfabrik und erzeugt Zellstoff aus Fichtenholzresten.
- Zuletzt wurde ein Umsatz von rund 130 Millionen Euro erwirtschaftet, 300 Mitarbeiter:innen sind beschäftigt.
- Das Unternehmen versorgt neben dem eigenen Betrieb 26.000 Haushalte mit Strom und 11.000 Haushalte mit Fernwärme.
- AgroBiogel wurde 2021 als Spin-off der Universität für Bodenkultur Wien in Tulln gegründet.