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Energieinfrastruktur: Dringender Ruf der Industrie nach Ausbau

Im Windschatten der massiven Sanktionen gegen Russland wird hierzulande die Forderung nach mehr Unabhängigkeit bei der Energieversorgung angeheizt. Die notwendige Infrastruktur fehlt aber. Auch erforderliche Gesetzesnovellen stecken fest.

Der Preis für Energie kennt aktuell nur eine Richtung: Egal, ob Erdöl, Erdgas oder Strom, die Kosten sind – vor allem auch als Folge der Sanktionen gegen Russland – in jüngster Vergangenheit geradezu explosionsartig gestiegen. So hat sich der Gaspreis gegenüber der Zeit vor der Pandemie mehr als versiebenfacht. Grund ist nicht zuletzt die massive Abhängigkeit von Russland, woher 40 Prozent der Erdgasimporte nach Europa kommen. In Österreich sind es sogar 80 Prozent.

So wurde 2021 russisches Gas mit einem Energiegehalt von über 1.600 Terrawattstunden nach Europa geliefert. Das entspricht rund 1.500-mal dem Energieertrag des Kraftwerks Freudenau oder rund 70.000 Windrädern der größten Onshore-Windturbinen. „Die unangenehme Wahrheit lautet: „Wir sind in unserer Energieversorgung derzeit noch massiv von Russland abhängig“, fasst es Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, zusammen.

Energie: Ausbau als „gemeinsame Kraftanstrengung“

Vor diesem Hintergrund ist der Druck in der Debatte um den Ausbau der Energieinfrastruktur massiv gewachsen. Denn immer noch gelten die aufgrund der derzeitigen Verwerfungen etwas aus dem Bewusstsein geschobenen Klimaschutzziele. Nicht zuletzt auch aus Umweltschutzgründen sucht man in ganz Europa nach Wegen „raus aus den Fossilen“. So will Österreich bis 2030 seinen Strombedarf übers Jahr gerechnet zu hundert Prozent aus erneuerbaren Quellen decken. Das würde automatisch auch einen Schritt Richtung Unabhängigkeit von russischer Energie bedeuten.

Die dafür erforderlichen Maßnahmen sind allerdings massiv – vor allem, wenn man die Versorgungssicherheit nicht gefährden will. „Es braucht eine gemeinsame Kraftanstrengung“, mahnt Knill Richtung Politik. Es gehe darum, „nun wirklich ins Handeln zu kommen“, unterstreicht er die Forderung nach einer Reform der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Im Fokus: Verfahrensbeschleunigung.

UVP-Verfahren dauert über zehn Jahre

Wie dringend notwendig das wäre, zeigt die Statistik: Allein zwischen 2014 und 2018 hat sich die UVP-Verfahrensdauer im Schnitt verdoppelt. Bereits bei mittelgroßen Wasserkraftwerken dauert es bis zur Genehmigung bis zu vier Jahre, bei Netzausbauprojekten liegt die Höchstmarke derzeit bei acht Jahren. Der Negativrekord hält momentan ein Pumpspeicherkraftwerk, dessen Genehmigungsverfahren über zehn Jahre dauerte. Gerade diese Kraftwerke bilden aber ein zentrales Element in der Klima- und Energiewende. Sie können Energie im großen Maßstab speichern und sind damit ein wichtiges Gegenüber für die Stromerzeugung aus Sonne und Wind.

Umgekehrt gibt es zwar seit 2019 ein Standortentwicklungsgesetz, das für UVP-pflichtige Projekte im besonderen öffentlichen Interesse ein beschleunigtes Sonderverfahren ermöglicht. Bis heute wurde es jedoch kein einziges Mal angewendet.

Ministeriumsbericht „nicht ausreichend“

Um die Ausbaupläne und klimapolitischen Zielvorgaben bis zum Jahr 2030 zu erreichen, müssten rechnerisch alle zwei Minuten eine Photovoltaik-Anlage, alle drei Tage ein Windrad, alle zwei Monate ein mittleres Wasserkraftwerk und täglich 15 Kilometer Stromleitungen in Betrieb gehen. „Es geht darum, Verfahren effektiv zu straffen und effizienter zu gestalten – und nicht darum, das Umweltschutzniveau abzusenken“, stellt Knill klar.

Windkraftanlage
Energieinfrastruktur braucht schnellen Ausbau. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müsste jeden dritten Tag ein neues Windrad in Betrieb gehen.Foto: adobe stock | Tarnero

Die seit rund sechs Monaten laufenden Gespräche und Verhandlungen im Klimaschutzministerium haben bisher aber nicht den von der Wirtschaft erhofften Reformschub gebracht. Als „nicht ausreichend“ bewertet etwa Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie – der Interessenvertretung der E-Wirtschaft –, den Bericht der „Arbeitsgruppe für effiziente UVP-Verfahren“. Darin fänden sich zwar einige gute Ansätze, aber wesentliche Verbesserungen fehlten. Einen Turbo für die Infrastrukturprojekte der Energiewende könne man jedenfalls nicht erkennen.

„Brauchen die Reformen jetzt“

Vorgesehen sei zwar eine personelle Aufstockung bei Behörden und Verwaltungsgerichten, die Schaffung eines Sachverständigenpools sowie die Möglichkeit von Fristsetzungen bei der Einreichung von Unterlagen vor mündlichen Verhandlungen. Vermisst werden aber beispielsweise das geforderte Einfrieren des Standes der Technik zum Zeitpunkt des Verbesserungsauftrages, mehr Transparenz bei Einsprüchen gegen Projekte sowie eine „Fast Lane“ für Energiewendeprojekte. Besonders kritisch sieht die Branche die Überlegungen zu einer finanziellen Unterstützung von möglichen ProjektgegnerInnen über eine Fondslösung. „Wie dieser Vorschlag zur Beschleunigung von UVP-Verfahren beitragen soll, können wir schlicht nicht nachvollziehen“, wundert sich Schmidt.

Zudem handle es sich fast ausschließlich um Maßnahmen mit mittelfristigem Zeithorizont. „Die Reformen brauchen wir aber jetzt“, verweist Knill auf die Dringlichkeit einer umfassenden UVP-Reform. Denn langfristig helfe die Dekarbonisierung der Wirtschaft bei weiteren Schritten Richtung Energieeffizienz und dabei, unabhängiger von russischer Energie zu werden.

Credits Artikelbild: adobe stock

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