Beatrix Dietl besuchte ein Gymnasium in Wien. Danach begann sie zu studieren. Doch dann verließ sie den ausgetrampelten Pfad und bog Richtung Mechatroniklehre ab. Heute arbeitet die 24-Jährige bei Siemens im Produktportfolio-Management.
Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“, sagte einst der französische Künstler Francis Picabia, der Kunstwerke in allen erdenklichen Stilrichtungen erschuf. Auch Beatrix Dietl musste umdenken, Ideen verwerfen und von der Gesellschaft vorgegebene Wege verlassen, um ihren eigenen zu finden. So wollte die junge Wienerin ursprünglich Psychologin werden, besuchte ein Gymnasium und machte die Matura. „Auf einmal war ich mir aber nicht mehr sicher, was ich beruflich werden möchte“, erzählt sie.
Deshalb habe sie sich nach dem Schulabschluss ein Jahr Zeit genommen, um sich verschiedene Ausbildungen näher anzusehen, Praktika zu machen und vieles auszuprobieren. Unter anderem schnupperte sie im Kindergarten und machte eine Ausbildung zur Barkeeperin. Am Ende entschied sie sich aber für einen technischen Beruf, „weil ich da sehr viele Zukunftschancen gesehen habe und auch die Sicherheit, dass ich eine gefragte Arbeitskraft sein werde“.
Lehre – erste Klasse, aber zweite Wahl
Sie begann, Medieninformatik zu studieren, merkte aber schnell, dass die Theorie allein ihr zu wenig war und sie das Erlernte lieber praktisch anwenden wollte. Eine Lehre schien naheliegend, auch fachlich hatte sie keine Bedenken. Dennoch kostete sie dieser Schritt große Überwindung. „Wenn man von einem Gymnasium kommt und eigentlich dahin gedrillt wird, später zu studieren, ist es schon schwierig zu sagen: ,Nein, ich mach’ jetzt nicht das, was 99 Prozent der Maturant:innen machen, sondern eine Lehre und gehe meinen eigenen Weg.“
Ich hatte vorher nie gedacht, dass ich einmal Stahl händisch feilen oder schweißen würde.
Beatrix Dietl
Noch immer werde die Lehre nicht als gleichwertige Alternative zu anderen Ausbildungswegen angesehen, bedauert die 24-Jährige. „Da schwingt mit, dass eine Lehre mit einem vorherigen Scheitern einhergeht. Etwa, dass man mit dem Schulsystem nicht zurechtkommt oder ein Studium beginnt, so wie es bei mir der Fall war, dieses abbricht und dann zu einer Lehre greift. Solange sich daran nichts ändert, wird die Lehre immer einen faden Beigeschmack haben.“
Verwunderung, Bewunderung und Begeisterung
Ihre Eltern und Freund:innen hätten überrascht auf ihren Entschluss reagiert, erinnert sie sich. Doch die Verwunderung schlug schnell in Bewunderung um, vor allem, als sie sahen, dass sie sich selbst erhalten, in eine eigene Wohnung ziehen und auf eigenen Beinen stehen konnte, während die studierenden Freund:innen immer noch auf finanzielle Unterstützung angewiesen waren. „Im ersten Lehrjahr ist mein Gehalt von 900 auf 1.100 oder 1.200 Euro gestiegen, das war eine Summe, mit der ich mein Leben finanzieren konnte.“ So manche:r Freund:in begann daraufhin, das eigene Studium zu hinterfragen.
Keine Zweifel gab es hingegen beim Technologieunternehmen Siemens. Im Gegenteil. Man empfing die 20-Jährige mit offenen Armen, gerade weil sie die Schule abgeschlossen hatte. Denn mit der Matura geht eine gewisse Reife einher. Aber auch ein gewisses Alter, was Beatrix Dietl anfangs mehr Schwierigkeiten bereitete als die Tatsache, dass sie die einzige Frau unter lauter Männern war. „In meinem ersten Lehrjahr waren die meisten meiner Kollegen gerade mal 15 oder 16 Jahre alt.“
Im Laufe der Lehre zu sehen, wie sie heranwachsen, sei aber sehr spannend gewesen. „Dadurch gab es immer mehr Gemeinsamkeiten und gegen Ende habe ich mich mit allen gut verstanden.“ Auch ihre soziale Ader konnte sie ausleben, indem sie die „Mamarolle“ übernahm und dafür sorgte, dass es allen gut ging und sich niemand ausgeschlossen fühlte. Als Jugendvertrauensrätin war sie außerdem die Anlaufstelle für ihre Kollegen und vermittelte zwischen den Lehrlingen und der Betriebsleitung.
Raus aus der Komfortzone
Durch die Lehre konnte die Mechatronikerin unterschiedlichste Erfahrungen sammeln und eine Entwicklung durchmachen, die im Rahmen eines Studiums wahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre. „Es gibt vieles, was mir extrem viel Spaß bereitet hat, wobei all diese Aufgaben gemeinsam haben, dass sie mich dazu brachten, immer wieder meine eigenen Grenzen zu überschreiten. Mit jedem Mal ist mein Selbstvertrauen gewachsen. Und davon hatte ich zu Beginn der Lehre nicht allzu viel.“ So hätte sie sich vorher nie gedacht, dass sie einmal Stahl händisch feilen oder schweißen würde. „Es hat mich selbst überrascht, wozu ich in der Lage bin“, lacht sie und fügt hinzu, wie erfüllend es sei, wenn man ein selbstgefertigtes Werkstück in Händen hält.
Was muss man für eine Mechatroniklehre mitbringen?
- „Ich glaube, dass bei den meisten Lehrausbildungen kein Vorwissen benötigt wird, das war auch bei mir absolut nicht notwendig. Was man mitbringen sollte, sind Interesse und Engagement. Damit kommt man schon extrem weit“, sagt Beatrix Dietl.
- Sie selbst hatte davor keine schulische Ausbildung im technischen Bereich gemacht, sich aber privat mit Technik auseinandergesetzt.
- Das sei ihrem Vater geschuldet, der Informatiker ist und ihr die Welt der Computer nähergebracht hat. „Besonders gerne habe ich die Lego-Roboter zusammengebaut und programmiert. Und das ist schlussendlich genau das, worum es auch in der Ausbildung zur Mechatronikerin geht.“
Soziale Technikerin
Als einziger weiblicher Lehrling in ihrem Lehrjahr sei sie hin und wieder auch belächelt oder unterschätzt worden, erzählt sie. Letztendlich hätte sie das aber nur zusätzlich angespornt und weitergebracht. Schließlich sei es auch spannend gewesen, veraltete Rollenbilder aufzubrechen und damit etwas zu bewirken. Mit der Zeit lernte sie auch, sich davon nicht verunsichern zu lassen, sondern auf ihre Fähigkeiten zu vertrauen. Diese weiß man auch bei Siemens zu schätzen, wo die junge Wienerin heute in der Gebäudetechnik im Bereich der Raumautomation tätig ist.
Die Kombination aus dem Sozialen, dem Pädagogischen und der Technik begeistert mich.
Beatrix Dietl
Dort wird sie gerade zur Produktportfolio-Managerin ausgebildet. „Ich finde es wahnsinnig spannend, knifflige Aufgabenstellungen zu lösen und immer wieder neue Herangehensweisen zu finden. Was mir an meinem Job auch Freude bereitet, ist, dass ich Schulungen abhalten kann. Dadurch fließt wieder der soziale Aspekt mit ein. Die Kombination aus dem Sozialen, dem Pädagogischen und der Technik begeistert mich sehr.“
Alles verändert sich
Und wie stellt sie sich ihre Zukunft vor? Gibt es einen fixen Plan? Ein langfristiges Ziel, auf das sie hinarbeitet? „Lustigerweise studiere ich wieder“, schmunzelt sie, „diesmal aber Computer Science and Digital Communications berufsbegleitend an einer Fachhochschule. Das gefällt mir sehr, weil da auch viel Praxis einfließt.“ Damit sei sie breit aufgestellt, denn gerade Netzwerktechnik brauche man heute, wenn man im technischen Bereich arbeitet, fast immer. In der Gebäudetechnik wolle sie aber bleiben, denn „mir taugt’s da sehr, und ich habe ein tolles Team“.
Doch möglicherweise gibt es den Bereich, in dem sie später einmal tätig sein wird, heute noch nicht. „Genau das finde ich spannend, weil man darauf vorbereitet wird, dass die Arbeitswelt konstant im Wandel ist, gerade auch mit den ganzen Technologien, die herauskommen oder verbessert werden. Man muss, denke ich, stets davon ausgehen, dass sich alles verändert.“ Gut also, dass wir runde Köpfe haben, damit das Denken die Richtung wechseln kann.