Wie sich der Aerospace-Konzern FACC seit Monaten selbst freitestet

Das oberösterreichische Unternehmen FACC ist nicht nur ein weltweit führender Technologiepartner der Luftfahrtindustrie, sondern auch in Sachen Covid-Prävention ein Vorzeigeunternehmen. Wir haben Florian Heindl, Leiter der Corona-Taskforce der FACC, zum garantiert virenfreien Interview gebeten.

Eines kann man getrost behaupten: Alle Unternehmen, die mit der Flugbranche in engen Geschäftsbeziehungen stehen, wurden von der Corona-Krise besonders hart getroffen. Es liegt also auf der Hand, dass der heimische Technologiekonzern FACC schon rosigere Zeiten erlebt hat. In Ried im Innkreis in Oberösterreich ist man schließlich seit 1989 vorwiegend damit beschäftigt, Flugzeuginnenausstattungen, Strukturelemente und -bauteile für Rumpf, Flügel und Leitwerk sowie Triebwerksteile und -verkleidungen an Giganten wie Boeing oder Airbus zu liefern.

Eigene Corona-Taskforce für die 2.600 FACC-MitarbeiterInnen

Doch die Nachfrage nach neuen Flugzeugen hält sich in Zeiten, da Geschäfts- und Urlaubsreisen fast gar nicht getätigt werden, in Grenzen. Umso wichtiger also ist es, dass die bestehenden Aufträge dennoch fristgerecht abgewickelt werden, weiß Florian Heindl von der FACC. Der 38-jährige Manager ist seit Ausbruch der Pandemie im 2.600-Personen-Betrieb als Leiter der Corona-Taskforce zusammen mit den Task-Force-Mitgliedern und den restlichen FACC-MitarbeiterInnen also dafür verantwortlich, dass die Fertigungsstraßen in dieser schwierigen Zeit bestmöglich ausgelastet werden oder dass sie nicht durch plötzliche Corona-Cluster gar behördlich gesperrt werden.

Florian Heindl leitet die Corona-Taskforce der FACC. Und das auf besonders moderne Art und Weise.Foto: FACC

Pönalen in beträchtlicher Höhe würden im Fall des Falls auf die FACC zukommen. „Da ist die Branche knallhart“, sagt Heindl. Wir haben mit dem plötzlichen Corona-Experten über eben dieses Spannungsfeld gesprochen. Und – Achtung, Spoiler – es kommt nicht nur auf die perfekte Teststrategie an! Wer erfolgreich Prävention betreiben möchte, muss weit mehr bedenken.

Die FACC war eines der ersten Unternehmen, das damit begonnen hat, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter breit angelegt zu testen. Warum waren Sie so früh so weit?

Florian Heindl: Dank der Tatsache, dass einige unserer Aufsichtsratsmitglieder aus China kommen (Anmerkung: 55%-AVIC-Gruppe), und der guten Beziehungen zu chinesischen KundInnen und LieferantInnen haben wir bereits sehr früh gewusst, dass da etwas Größeres auf uns zukommen wird. Wir waren also schon sehr schnell alarmiert und haben damals proaktiv weitere Informationen eingeholt und eine eigene Taskforce im Unternehmen gegründet, um rechtzeitig Maßnahmen ergreifen zu können. Ein großer Teil dieser Strategie war natürlich von Anfang an, nicht nur das Unternehmen zu schützen, sondern vor allem unsere MitarbeiterInnen. Das war ein wesentlicher Eckpunkt, und es hat bei uns damit begonnen, dass wir sehr früh anfingen, sehr intensiv mit unseren MitarbeiterInnen zu kommunizieren. Dafür stand und steht uns zum Glück mit der SPACE App ein sehr gutes Tool zur Verfügung.

Was kann man sich unter dieser App vorstellen? Ist das ein eigener Messenger-Dienst nur für die FACC?

Das ist eine eigene App im Unternehmen, in der man Content platzieren und mit all jenen, die die App heruntergeladen haben, kommunizieren kann. Wenn man so will, ist das ein Facebook light. Vor der Krise war die Teilnahme sicher ausbaufähig, es war ein Marketing- und Kommunikationsinstrument. Aber in der Krise ist dieses Tool sehr schnell sehr wertvoll geworden. Wir haben die App zum Kommunikationskanal Nummer eins erklärt, und die Userzahlen sind extrem rasch nach oben geschnellt.

Mit der SPACE App können wir weite Teile der Belegschaft direkt und rasch erreichen.

Florian Heindl, Leiter der Corona-Taskforce bei FACC

Dazu muss man sich vorstellen, dass rund zwei Drittel unserer Belegschaft FacharbeiterInnen in der Produktion sind, diese KollegInnen haben schlicht keine FACC-E-Mail-Adresse, weil sie auch keine brauchen. Und ein schwarzes Brett ist auch alles andere als ein brauchbares Masseninformationsinstrument. Ein Handy aber besitzen 99 Prozent der Belegschaft, und heute haben 80 Prozent unserer MitarbeiterInnen unsere SpaceApp installiert. Wir können also wirklich weite Teile der Belegschaft direkt und rasch erreichen.

Das heißt, Sie haben über diesen Kanal von Anfang an Aufklärungsarbeit gemacht und so auch die Weichen für weitere Schritte – wie etwa Testungen – gestellt?

Bevor wir zu unseren Tests kommen, vielleicht noch ein plakatives Beispiel, das den wahren Wert dieser App unterstreicht: In der ersten Hochphase dieser Pandemie, also im März und April 2020, haben bei uns im Rieder Umland viele große Industriebetriebe freiwillig temporär zugesperrt. Das war für uns natürlich ein Problem, weil die MitarbeiterInnen sich zu Recht gefragt haben, warum wir offen bleiben. Und es war natürlich schwierig zu kommunizieren, dass wir nicht zusperren können, weil wir nicht behördlich geschlossen wurden. Sie müssen sich vorstellen: Wenn wir einfach zugesperrt hätten, hätten wir nicht nur unsere KundInnen in Schwierigkeiten gebracht, sondern auch FACC als Unternehmen. In der Flugzeugbranche sind nämlich die Strafzahlungen für das Nicht-Einhalten von Lieferterminen und der damit einhergehende Reputationsschaden bei unseren KundInnen extrem hoch. Also war klar: Wir müssen alles tun, um unsere MitarbeiterInnen bestmöglich zu schützen UND den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Inwiefern hat Ihnen dabei die App geholfen?

Wir haben mit unseren CEO, Robert Machtlinger, und unserem COO, Andreas Ockel, ein Video gedreht, in dem die beiden Vorstände zur Belegschaft gesprochen haben, um persönlich zu erklären, wie die Situation aussieht, was wir zum MitarbeiterInnenschutz unternehmen, warum wir weiterfertigen und wie es in den nächsten Wochen weitergeht. Das Video hat schnell extrem hohe Klickzahlen gehabt, und das war tausendmal besser, als wenn wir nur eine E-Mail an die Leute verschickt und Aushänge gemacht hätten. Das bewegte Bild, die direkte Ansprache, das war wirklich eine coole Sache! Und in der Folge haben wir unsere MitarbeiterInnen dann mit jeder weiteren Entwicklung in der Krise über diesen Kommunikationskanal mitgenommen. Unsere Maßnahmen haben sich ja immer weiterentwickelt, bis im Herbst dann die ersten Antigen-Tests auf den Markt gekommen sind.

FACC
CEO Robert Machtlinger Foto: FACC
COO Andreas OckelFoto: FACC

Mit diesen sind Massentests überhaupt erst möglich geworden. Oder haben Sie auch schon zuvor versucht, mit PCR-Tests zu arbeiten?

Ja, wir hatten schon recht bald PCR-Tests im Unternehmen. Wir haben einen Container aufgestellt, in dem alle, bei denen ein Corona-Verdacht bestand, von unseren Betriebsärzten getestet werden konnten. Aber das war natürlich sehr teuer, es dauerte zudem of mehr als 24 Stunden, bis wir die Ergebnisse hatten, und somit war dieses Instrument für einen Gesamttest untauglich. Aber im Oktober haben wir dann gemeinsam mit unseren drei Betriebsärzten, die sich von Anfang mit unglaublich viel Know-how eingebracht haben, beschlossen, dass wir eine Massentest-Strategie fahren wollen. Vor dem Hintergrund, dass wir die Organisation nicht einmal, sondern mehrfach durchtesten wollten, haben wir also 15.000 Antigen-Schnelltests geordert.

Jetzt ist das bei einer MitarbeiterInnenanzahl von fast 3.000 vermutlich nicht ganz trivial – wie haben Sie die Sache dann administrativ auf den Boden gebracht?

Zuerst einmal haben wir Bereiche im Unternehmen definiert, die sehr viel Kontakte haben. Da gehören bei uns die beiden oberen Managementebenen dazu. Ausgewählte ManagerInnen also, die wenig im Homeoffice sind und aufgrund der Corona-Situation noch viele Besprechungen face-to-face abwickeln mussten und viele Kontakte im Unternehmen haben. Diese Schlüsselarbeitskräfte haben wir erstmals wöchentlich einmal getestet. Dazu noch ganze Abteilungen, in denen wir eine gehäufte Anzahl an Corona-Fällen hatten. Dazu muss man sagen, wir haben diese 15.000 Tests nicht auf einmal bekommen, sondern in mehreren kleineren Tranchen. Als dann aber ein gewisses Kontingent vorrätig war, sind wir in die erste echte Massentestphase gekommen. Das war auch keinen Tag zu spät: Genau zu diesem Zeitpunkt, Mitte November 2020, sind bei uns im Unternehmen – wie in Restösterreich auch – die Fallzahlen nämlich spürbar gestiegen. Und so haben wir innerhalb von nicht einmal einer Woche die gesamte österreichische Belegschaft erstmalig getestet– natürlich auf freiwilliger Basis.

Wie hoch war denn da die Beteiligungsquote?

Die war mit 99 Prozent wirklich überragend! Das hatte sicher auch damit zu tun, dass wir im Vorfeld über unsere bereits besprochene App eine entsprechend Infokampagne bereitgestellt hatten, um möglichst alle offenen Fragen zu beantworten.

Ein Mitgrund, warum 99 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich an den Massentests der FACC beteiligt haben, lag in der Einfachheit. Für die Menschen bedeutete es kaum Mehraufwand!Foto: FACC

Wenn man sich jetzt ansieht, dass die Tests der Bundesregierung bei Weitem nicht so erfolgreich waren, stellt sich da natürlich die Frage: Was haben Sie anders gemacht?

Ich glaube, ein wesentlicher Punkt war, dass für die MitarbeiterInnen kein zusätzlicher Aufwand entstanden ist. Der oder die MitarbeiterIn kommt in die Arbeit, beginnt den Dienst und wendet vielleicht fünf Minuten auf, um den Test zu absolvieren. Niemand muss irgendwo hinfahren. Man wird im Rahmen der Arbeitszeit getestet und hat einfach hohe Sicherheit, gesund zu sein. Nimmt nichts mit heim zu seiner Familie und garantiert so auch für deren Sicherheit. Dass es einfach „more convenient“, komfortabler also, ist, als für die restliche Bevölkerung, die extra irgendwo hinfahren muss und dann womöglich noch eineinhalb Stunden in der Schlange steht, wie ich es selbst erlebt habe. Bei uns war das Thema eben strikt durchorganisiert und in wenigen Minuten für alle erledigt.

Die Massentests der Bundesregierung gerieten aber vor allem auch ob einer angeblich hohen Menge von falsch positiven Tests in die Kritik. Wie sah die Sache da bei Ihren Testserien aus?

Inzwischen haben wir vier solche Testrunden hinter uns, die fünfte steht bevor. Und ich kann nur sagen, wir haben da sehr gute Werte. Gerade bei der ersten Testrunde hatten wir einen von 100 Tests positiv, die vom darauffolgenden behördlichen PCR-Tests bestätigt wurden – unsere Trefferquote bei den Antigen-Tests war also sehr genau.  Dadurch gelang es uns, die infizierten KollegInnen früh aus dem Unternehmen rauszuziehen und so effektiv Infektionsketten unterbrechen zu können. Das war für uns das klare Signal dafür, dass diese Strategie gut funktioniert und wir auf diesem Thema draufbleiben.

Jetzt steht aber schon der nächste große Schritt vor der Tür: die Impfungen! Ein Thema, das wohl weit heikler ist als die Testungen. Wie gehen Sie damit um?

Ja, das Impfthema ist natürlich komplexer. Wir fangen gerade damit an, in unserer SpaceApp über dieses Thema  zu informieren. Schließlich gibt es hier einfach sehr viele schwer beantwortbare Fragen und auch Ängste, die man erstnehmen muss. Da muss man ein bisschen aufpassen in der Kommunikation, dass man nicht zu schnell Erwartungen weckt. Und ganz wichtig ist für uns auch immer,  dass wir erst dann kommunizieren, wenn wir wirklich valide Informationen haben. Das heißt, wir wollen nichts versprechen, das wir dann womöglich nicht halten können. Aber wir haben jetzt einfach einmal die Belegschaft darüber informiert, dass wir versuchen, so schnell wie möglich die FACC mit Impfdosen zu versorgen.

Es ist sicher nicht genug, wenn das Unternehmen sagt: Wir können jetzt impfen! Bitte lasst euch impfen!

Florian Heindl, Leiter der Corona-Taskforce bei FACC

Wer sich dann bei uns im Unternehmen impfen lassen will, kann das tun. Die Infrastruktur dafür ist da. Wir haben aber noch keinen genauen Plan kommuniziert, weil wir ganz ehrlich noch nicht genug Fakten haben, um diesen Plan aufzustellen. Aber wenn wir wirklich sicher sind, wie und wann es funktionieren kann, werden wir diese Aktion auf Schiene bringen. Die Sache ist allein aufgrund der vertraulichen Gesundheitsdaten besonders sensibel!

Das Thema der Freiwilligkeit ist wohl auch eines, das bei der Impfthematik in den Vordergrund rückt.

Genau. Wie auch bei den Massentests, aber es ist hier noch um eine Spur heikler. Ich kann sicher nicht hingehen und sagen: Liebe MitarbeiterInnen, ihr müsst euch jetzt impfen lassen! Das ist von keiner Rechtslage gedeckt, und damit erzeuge ich genau den gegenteiligen Effekt – das würde bei mir selbst auch so wirken. Wir müssen natürlich auch, und das wird Teil unserer dazugehörigen Info-Kampagne sein, informieren. Welchen Impfstoff haben wir? Was ist die Meinung unserer Ärzte dazu? Wie wirkt der verwendete Impfstoff genau? Wie ist der organisatorische Ablauf? Solche Fragen müssen kompetent beantwortet werden. Es ist sicher nicht genug, wenn das Unternehmen sagt: Wir können jetzt impfen! Bitte lasst euch impfen! Da werden bei uns sicher wieder unsere Betriebsärzte eine wichtig Rolle spielen. Wir werden versuchen, all unser Wissen verständlich aufzubereiten und darzulegen. Ich bin jedenfalls schon gespannt darauf, wie der Zuspruch in der Belegschaft sein wird und vor allem, wie hoch der Anteil der MitarbeiterInnen sein wird, die diese Möglichkeit nutzen wollen.

Die FACC

FACC ist ein weltweit führendes Aerospace Unternehmen in Design, Entwicklung und Fertigung von fortschrittlichen Komponenten und -systemen für Luftfahrzeuge. Als Technologiepartner aller großen Hersteller arbeitet FACC gemeinsam mit ihren Kunden an Lösungen für die Mobilität der Zukunft. Weltweit startet jede Sekunde ein Luftfahrzeug mit FACC-Technologie an Bord.

  • Im Rumpfgeschäftsjahr 2019 erzielte FACC einen Jahresumsatz von 665 Mio. Euro.
  • Weltweit werden rund 2.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 38 Nationen an 13 internationalen Standorten beschäftigt.
  • Das Unternehmen notiert an der Wiener Börse und ist Teil der Fortune-500 Gruppe AVIC.
Credits Artikelbild: FACC
Lichtblick

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