Corona hat den Fahrradmarkt angekurbelt. Es gibt einen Nachfrageboom nach E-Bikes, blühende Innovationskraft der HerstellerInnen – aber auch massive Lieferengpässe aus Asien.
Es hätte ein im Suezkanal feststeckendes Containerschiff erst gar nicht gebraucht, um bei HerstellerInnen und HändlerInnen am österreichischen Fahrradmarkt für Anspannung und Aufregung zu sorgen. Denn schon davor hat es in der Branche ein gröberes Problem mit ausgedünnten bis trockengelegten Lieferketten gegeben.
Grund war, dass in den Fabriken in Fernost die Kapazitäten nicht parallel zu den seit gut zwei Saisonen stark steigenden Verkaufszahlen bei Fahrrädern auf den europäischen und amerikanischen Märkten hochgefahren wurden. Dann kam Corona. Und als Folge von Lockdowns in Fabriken gab es eine nur eingeschränkte Produktion. Die Lücke zwischen anziehender Nachfrage und beschränktem Angebot vergrößerte sich damit. Denn Corona hat den Zweirad-Boom zusätzlich befeuert – vor allem in Richtung E-Mobility.
E-Bikes: Jedes zweite ist ein Mountainbike
Allein im vergangenen Jahr wurden in Österreich 480.000 Fahrräder verkauft, ein Drittel davon waren E-Bikes. Für heuer rechnet man mit einem Plus von acht Prozent. Besonders E-Bikes bleiben hoch im Kurs. Der Handel rechnet mit einem Absatz von 180.000 Elektroflitzern – die Hälfte davon E-Mountainbikes.
An diesem Wachstum im E-Bicycles-Segment will auch die Pierer Mobility AG von Stefan Pierer partizipieren. Die Zweiradschmiede aus dem oberösterreichischen Mattighofen – Konzernmutter der bekannten KTM-Motorräder – möchte das unternehmenseigene E-Mobility-Know-how aus dem florierenden Motorradbereich auch auf E-Bikes ausrollen. Aufgrund von Markenrechtsvereinbarungen aus der jüngeren Geschichte von KTM firmiert Pierers Elektrofahrradflotte allerdings nicht unter dem KTM-Logo, sondern unter den Namen von drei anderen Konzerntöchtern, nämlich Husqvarna E-Bicycles, R Raymon und Gasgas E-Bicycles.
Power-Couple in Sachen Batterie
Insgesamt 56.000 verkaufte Stück weist die aktuelle Leistungsbilanz der Gruppe für 2020 aus. Und Pierer verfolgt eine klare Angriffsstrategie. Die zweite Startreihe hat ihn noch nie interessiert. Sein Ziel ist klar: Man will sich auch im E-Bike-Segment zu einem bedeutenden internationalen Player entwickeln.
Gelingen soll das unter anderem auch durch eine Technologieführerschaft im Bereich Batterie. Dafür beschloss man Mitte März eine Kooperation mit dem Batteriespezialisten Varta. So soll am Varta-Standort in Graz die Entwicklung großer Batterie-Zellformate für die Elektromobilität vorangetrieben werden. Die Kooperationspartner sehen großes Potenzial für die Entwicklung einer Plattformbatterie für leichte Elektrofahrzeuge.
Rekordumsätze in Serie
„Mit der Varta Innovation sind wir stark für die Materialforschung in Österreich aufgestellt. Der Standort wird massiv ausgebaut“, kündigt Michael Tojner, Varta-Mehrheitseigentümer an. „Durch unsere Innovationsstärke sehen wir uns als Technologieführer im Zweirad-Sektor in Europa und wollen besonders bei der Entwicklung von Zweirad-Elektrofahrzeugen Akzente setzen“, sagt Pierer.
Bei Pierer stehen die Zeichen also weiter auf Vollgas. Allein 2020 erwirtschaftete KTM – trotz zweimonatiger Produktionsunterbrechung in der Motorradfertigung wegen Corona – einen Rekordumsatz von 1,53 Milliarden Euro. Insgesamt wurden 326.471 Motorräder und E-Bikes verkauft – das zehnte Rekordjahr in Folge.
Containerstau erhöht Transportkosten
Zurück zu den Turbulenzen am allgemeinen Fahrradproduktionsmarkt. Hier gibt es aktuell Bremsmanöver. Sowohl bei fertig gelieferten Fahrrädern aus Fernost als auch bei Komponenten, die es hierzulande für die Fertigung von „Made in Austria“-Rädern braucht, häufen sich die Lieferengpässe. Eine Entspannung ist auch nach Evakuierung des Containerschiffs „Ever Given“ und Auflösung des Staus an den Kanaleinfahrten nicht in Sicht. Im Gegenteil.
Es herrscht mittlerweile ein brutaler Kampf um Komponenten wie Rahmen, Gabeln und Schaltungen. Aber auch bei Containerkapazitäten aus Fernost übersteigt die Nachfrage das Angebot. Allein die Transportkosten wurden so teilweise um das Drei- bis Vierfache in die Höhe getrieben. Die Folge: Bei spezielleren Modellen sagt man im Handel für das zweite Halbjahr Wartezeiten für KundInnen von zwei bis vier Monaten voraus.
GUT ZU WISSEN
- KTM bedeutete einst „Kraftfahrzeuge Trunkenpolz Mattighofen“ und geht auf Hans Trunkenpolz zurück, der 1934 eine Schlosser- und Autowerkstätte gründete.
- 1991 wurden im Zuge eines Insolvenzverfahrens die Sparten Fahrrad und Motorrad getrennt und bekamen eigene Eigentümer: Hermann Urkauf übernahm das Fahrrad-Segment, Stefan Pierer den Motorrad-Zweig. Bis heute sind es zwei getrennte Unternehmen.
- Die Pierer Mobility-Gruppe zählt mit ihren weltweit bekannten Motorrad-Marken KTM, Husquarna Motorcycles und Gasgas insbesondere bei den Premium-Motorrädern jeweils zu den europäischen Technologie- und Marktführern.