Per App zum Traumjob

Nachdem man im Laufe der Schulkarriere zahlreiche Fragen beantwortet hat, bleibt nach der Matura oft noch ein großes Fragezeichen übrig. Nämlich: Wie geht’s jetzt weiter? Eine eigene App soll HTL-Absolvent:innen helfen, den passenden Job zu finden und gleichzeitig mehr über sich selbst zu erfahren. Sieht so die Bewerbung der Zukunft aus?

Perfekt formatierte Bewerbungsschreiben, die keine:r liest. Vorstellungsgespräche, bei denen versucht wird, „richtige“ statt ehrlicher Antworten zu geben. Und die bittere Erkenntnis, dass die Stelle, die auf dem Papier ideal erscheint, einen im wahren Leben nicht erfüllt. All das mag veraltet klingen, entspricht aber oft noch der Realität, sagt Wolfgang Dreu vom Linzer Start-up FLOW FACTOR GmbH. Gemeinsam mit Geschäftspartner Benjamin Lamplmair entwickelte er deshalb die App FlowFactor, die Bewerbungen aufs nächste Level heben und HTL- Absolvent:innen den Einstieg ins Berufsleben erleichtern soll. Doch warum braucht es dafür überhaupt eine App? Und wie läuft die Bewerbung 4.0 ab?

Infobox: Was versteht man unter Flow?

Flow ist ein Glücksgefühl, das man erlebt, wenn man so sehr in eine Tätigkeit vertieft ist, dass man alles andere um sich herum vergisst. Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi gilt als Begründer der Flow-Theorie. Er beschäftigte sich mit der Frage, wie man diesen Zustand erreicht und beobachtete dafür unter anderem Extremsportler:innen und Chirurg:innen.

Zu wenig Zeit, zu wenig Auswahl

„Früher war es einfacher“, sagt Wolfgang Dreu. „Da standen 10 bis 15 Kandidat:innen zur Auswahl, und man hat versucht, den Besten oder die Beste für die Position auszuwählen.“ Mittlerweile sei die Situation aber eine andere, und Unternehmen würden sich angesichts des Fachkräftemangels freuen, Stellen überhaupt besetzen zu können. „Das ist schade. Denn potenzielle Kandidat:innen werden zwar umgarnt und umworben, aber die tieferliegenden Aspekte eines Menschen werden dabei zu wenig berücksichtigt, weil es vordergründig um die kurzfristige Besetzung einer Stelle geht statt um die langfristige Zufriedenheit, die Potenzialentfaltung oder Leidenschaft.“

Langfristiges Glück statt schnellem Abenteuer

Ein Tool, das deshalb zunehmend in den Hintergrund rückt, ist die Eignungsdiagnostik. Darunter versteht man unterschiedliche Tests, Verfahren und Messinstrumente, mit deren Hilfe man Bewerber:innen objektiv bewerten kann. Wolfgang Dreu, der vor 15 Jahren vom Technik- in den Personalbereich wechselte, kam schon früh mit eignungsdiagnostischen Systemen in Kontakt. „Als Techniker fand ich es besonders spannend, einen erfahrungsgeleiteten Ansatz mit Analytik zu verbinden. Die Eignungsdiagnostik leistet einen großen Beitrag, um die Anforderungen einer Position zu erheben und passgenaue Besetzungen vornehmen zu können.“

Auch Benjamin Lamplmair beschäftigte sich mit eignungsdiagnostischen Systemen. Deshalb beschloss man, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. „Das war vor drei Jahren. Dazwischen liegen Corona und viel Zeit zur Reflexion“, sagt Wolfgang Dreu. „Und nach etlichen Verbesserungsschleifen haben wir schließlich ein komplettes System als App mit guter Usability erarbeitet.“ Das Besondere an der App: Anders als bei herkömmlichen Bewerbungsprozessen, die Menschen oft nur auf ihre Lebensläufe und Zeugnisse reduzieren würden, gehe FlowFactor einen Schritt weiter und ermittle Denkweisen, Kooperationsstile und Motivation im beruflichen Kontext, erklärt der FlowFactor-Mitbegründer.

FlowFactor
Wolfgang Dreu entwickelte zusammen mit seinem Geschäftspartner Benjamin Lamplmair die App FlowFactor.

Deine Skills, dein Game, dein Team

Doch wie funktioniert das Ganze nun? Zunächst müssen User:innen eine Reihe von Fragen beantworten und erhalten auf Basis ihrer Antworten Feedback auf drei Ebenen. Unter „Dein Game“ wird angegeben, welche Berufsgruppen am besten zu einem passen. „Deine Skills“ umfasst die eigenen Fähigkeiten und besondere Merkmale. Und „Dein Team“ steht für die Teamstruktur und Unternehmenskultur, in der man am besten wachsen kann. Ein Vorteil der App ist, dass die Anonymität gewahrt bleibt, zumindest im ersten Schritt. Das bedeutet, dass Geschlecht, Herkunft, Religion oder Wohnort vorerst keine Rolle spielen und die Schüler:innen sich in einem geschützten Raum befinden. „In einer Zeit, wo Daten das Kapital von Hightech-Unternehmen darstellen, brachen wir bewusst mit diesem System. Das war ein mutiger Schritt und sicherlich eine der größten Herausforderungen.“

Zusammenführen, was zusammengehört

Ähnlich wie bei einer seriösen Dating-App verknüpft der Algorithmus die Inputs der Schüler:innen mit den tatsächlichen Anforderungen im Unternehmen. Kann sich der oder die User:in eine gemeinsame Zukunft vorstellen, kann er oder sie – ebenfalls über die App – den Kontakt initiieren. Gleichzeitig werden auch die Unternehmen über das Ergebnis informiert. Die Ausgangslage ist also eine ganz andere als bei einer herkömmlichen Bewerbung. Und das Ergebnis auch, ist Wolfgang Dreu überzeugt, da man mit FlowFactor Schüler:innen helfen möchte, ihre Potenziale zu erkennen und zu entfalten, und Unternehmen Mitarbeiter:innen zugänglich macht, die nicht nur auf dem Papier gut ins Team passen.  

Was man in der Schule nicht lernt

Acht HTLs sind derzeit aktiv als Partnerschulen mit dabei. Deren Schüler:innen erhalten neben dem kostenlosen Zugang zur App auch Broschüren und Workshops, bei denen es darum geht, allgemeine Dinge zu vermitteln, wie zum Beispiel was große von kleinen Unternehmen unterscheidet. Erkenntnisse über die Firmenlandschaft und die eigene Persönlichkeit, die man in der Schule normalerweise nicht lernt. Das Feedback der Partnerfirmen, zu denen unter anderem große Unternehmen wie Siemens und Miba zählen, ist positiv, das Angebot wird gut angenommen, freut sich der App-Entwickler. Auch von den Schulen. Denn HTLs seien zwar ein österreichisches Erfolgsmodell, das den internationalen Vergleich absolut nicht scheuen muss. „Als berufsbildende Schule ist man aber auch gefordert, die Anforderungen der Wirtschaft noch besser mit den Schulen zu verbinden. Und die HTLs haben außerdem erkannt, dass es ein gewisses Qualitätskriterium ist, wenn es gelingt, den Übergang ins Berufsleben gut zu bewerkstelligen.“

Erfolgreich verkuppelt

Rund 1.700 HTL-Absolvent:innen in Oberösterreich habe man bereits erreicht und einige von ihnen erfolgreich „verkuppelt“. Weitere Schulen und Schultypen in ganz Österreich sollen folgen. „Wir wollen Disruption in den Prozess hineinbringen, da die Bewerbungsprozesse seit mehreren Jahrzehnten gleichgeblieben sind. Und auch die Vorstellungshaltung der Unternehmen wird relativ schnell einer Veränderung folgen müssen“, erklärt Wolfgang Dreu. Das Team sähe sich dazu verpflichtet, einen gesellschaftlichen Mehrwert zu liefern und würde dafür reich belohnt. „Es ist das Schönste, was es gibt – und das habe ich bereits sehr oft erlebt –, wenn man die Biografien junger Menschen positiv beeinflussen kann und sieht, wie diese ihre Talente, Leidenschaften und Potenziale ausleben und dabei über sich hinauswachsen.“

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