Industrie-Innovation: RHI Magnesita hat seinen Tiroler Standort zum modernsten Dolomitwerk Europas ausgebaut. Und im neuen Recyclingcenter im Mürztal werden Feuerfestmaterialien wiederaufbereitet.
Es wäre ein großer Wald. „Wir sparen so viel CO2 ein, wie rund 3,6 Millionen ausgewachsene Bäume kompensieren müssten“, vergleicht Thomas Ikert. Ikert ist Werksleiter bei RHI Magnesita in Veitsch im obersteirischen Mürztal. Als solcher ist er auch für das neue Recyclingcenter im nahen Mitterdorf verantwortlich.
Sieben Millionen Euro hat der Konzern hier investiert, die Anlage Anfang April eröffnet. Zu potenziellen Kunden gehören Betriebe aus der Stahl-, Zement- und Glasindustrie und die konzerneigenen RHI Magnesita-Werke aus der Umgebung. Die gebrauchten Feuerfeststeine aus ihren Produktionsabläufen werden gereinigt, sortiert und recycelt statt entsorgt.
RHI spart 45.000 Tonnen CO2
Bis zu 25.000 Tonnen Feuerfeststeine können in Mitterdorf so jährlich wiederaufbereitet werden. Das spart nicht nur große Mengen an Rohstoffen, sondern bedeutet auch 45.000 Tonnen weniger CO2-Emissionen pro Jahr. RHI Magnesita setzt damit einen weiteren Schritt im Bereich Nachhaltigkeit.
Im vergangenen Jahr kündigte man an, bis 2025 insgesamt 50 Millionen Euro in die Entwicklung neuer Technologien zu investieren. Im Fokus stehen die Reduktion und Bindung von CO2-Emissionen, die im Materialherstellungsprozess freigesetzt werden. Noch gibt es keine technische Lösung, um die Produktion zu dekarbonisieren. „Der einzige Brennstoff, der die notwendige gleiche Energiedichte wie fossile Brennstoffe hat, ist Wasserstoff“, erklärt Stefan Borgas, Geschäftsführer von RHI Magnesita. „Dafür brauchen wir aber massive Mengen an grünen Strom – allein Österreich dreimal mehr, als es heute insgesamt Strom produziert“, rechnet er vor.
Hitzefest bei 1.200 Grad
Die Feuerfestprodukte von RHI Magnesita kommen beispielsweise in Hochöfen der Stahlindustrie und in der Glasproduktion zum Einsatz, wo bis zu 1.200 Grad erreicht werden. RHI Magnesita gilt in diesem Bereich als Weltmarktführer. Kunden werden Gesamtlösungen vom Rohstoff bis zum Feuerfestprodukt geboten.
Entlang dieser vertikalen Wertschöpfungskette beschäftigt RHI Magnesita weltweit rund 12.000 MitarbeiterInnen an 28 Produktionsstandorten. Allein in Österreich sind es 1.400. Neben der globalen Firmenzentrale in Wien und einem Forschungszentrum in Leoben gibt es Fertigproduktstandorte in der Veitsch (Steiermark) und in Radenthein (Kärnten). Dazu betreibt man zwei große Rohstoffwerke in der Breitenau in der Obersteiermark und Hochfilzen im Bezirk Kitzbühel.
Neuer Förderstollen in Hochfilzen
Das Tiroler Werk hat man zuletzt um 46 Millionen Euro ausgebaut, eine der größten Investitionen der RHI Magnesita in Östereich. Ende April eröffnete das „Dolomite Resource Center Europa“. Es gilt jetzt als das modernste Dolomitwerk Europas. Die jährlich bis zu 200.000 Tonnen abgebauter Dolomit werden jetzt in einem neuen 1,1 Kilometer langen Förderstollen mittels Förderbandes transportiert. LKW kommt keiner mehr zum Einsatz.
Zusätzlich hat man einen Bahncontainer-Terminal errichtet, der es ermöglicht, rund 9.000 voll beladene Container pro Jahr nachhaltig über die Schiene zu den Kunden oder den Schwesterwerken nach Frankreich zu liefern. Damit werden weitere 3.000 LKW-Fahrten jährlich in der Region eingespart.
Unabhängig von Lieferanten
Neben höherer Effizienz und umweltfreundlicherem Transport wird damit vor allem auch die Unabhängigkeit von Lieferanten gestärkt. Denn sämtliche Werke in Europa können zu hundert Prozent mit „hauseigenem“ Hochfilzener Dolomit produzieren, ohne auf externe Rohstoffe zurückgreifen zu müssen. Angesichts der turbulenten Situation auf den Weltmärkten eine wesentliche Rückversicherung.
Denn die Kundennachfrage erholte sich zuletzt rascher als erwartet. „Dadurch kam es zu einer enormen Belastung der globalen Lieferketten sowie zu erheblichen Kostensteigerungen und längeren Vorlaufzeiten in der Logistik“, blickte Borgas anlässlich der Bilanzpräsentation für das letzte Geschäftsjahr zurück.
Energiekosten vervierfacht
Der Druck werde sich heuer vor allem durch die inflationsbedingt stark steigenden Lohnkosten sowie die Verteuerung von Erdgas noch deutlich erhöhen, befürchtet er. „Ähnlich wie die Frachtkosten im letzten Jahr werden es in diesem Jahr die Energiekosten sein, die uns treffen. Das ist dramatisch. Es verdreifacht und vervierfacht sich zum Teil.“
Wie ein Damoklesschwert schwebt weiterhin eine mögliche Gasknappheit oder gar ein Lieferstopp über der energieintensiven Rohstoffproduktion in der Breitenau und Hochfilzen. Konkret stammen 75 Prozent der Energie für die Produktionsstandorte aus Gas. Allein in Österreich beträgt der Jahresenergiebedarf des Konzerns rund eine Terawattstunde, umgerechnet der Jahresverbrauch von hunderttausend Haushalten, die mit Gas heizen.
Umstellung auf alternative Energieträger
Ein Ausfall der Gasversorgung bei RHI Magnesita würde eine Kettenreaktion in der Industrie auslösen. Borgas zeichnet ein dramatisches Bild: „Unsere Produkte sind die Basis für Stahl, Zement, Glas und Kupfer. Wenn wir nicht mehr produzieren können, dann stehen ein paar Wochen später die Stahlöfen überall.“ Auch die Gefahr einer Marktübernahme durch außereuropäische Konkurrenz stünde im Raum. Daher bereitet man sich intensiv auf potenzielle Einschränkungen vor und hat in LPG (Liquefied Petroleum Gas) investiert. Entsprechende Bestellungen, die eine mögliche Gasknappheit im Winter kompensieren sollen, wurden bereits getätigt. „Zusätzlich investieren wir 6,3 Millionen Euro in die Umrüstung unserer europäischen Werksinfrastruktur auf alternative Energieträger“, heißt es bei RHI.
GUT ZU WISSEN
- RHI Magnesita ist Weltmarktführer bei hochwertigen Feuerfestprodukten, -systemen und -serviceleistungen.
- Weltweit beschäftigt man rund 12.000 MitarbeiterInnen in 28 Produktionswerken sowie an mehr als 70 Vertriebsstandorten.
- Neben den Standorten in Österreich hat man drei große Werke in Deutschland und zwei in Frankreich. Europa macht circa 25 Prozent des Gesamtgeschäfts des Konzerns aus.
- In Südamerika ist man mit Standorten in Brasilien und Argentinien mit mehr als 5.000 Beschäftigten Marktführer. Weitere große Standorte gibt es in Indien, der Türkei und China.
- Der Umsatz kletterte zuletzt um 16 Prozent auf 2,55 Milliarden Euro. Gleichzeitig führten Unterbrechungen der Lieferkette aber zu Kostensteigerungen in den Bereichen Transport, Energie und zugekaufte Rohstoffe.