Pankl Lehrling

Formel 1 statt Kriegseinsatz: Geflüchtete machen Lehre

Menschen, die vor Krieg, Hunger oder Perspektivenlosigkeit flüchten, begleitet der dringende Wunsch, sich anderswo eine neue Existenz aufzubauen, um wieder auf eigenen Beinen stehen zu können. Abdulrahim Alfattal hat es dank einer Lehre geschafft.

Abdulrahim Alfattal war 17 Jahre alt, als er aus seinem Heimatland Syrien fliehen musste. Damals besuchte er das Gymnasium und half in den Sommermonaten im Familienbetrieb, einer Firma für Klimaanlagen, aus. Die Matura konnte er nicht mehr machen, da die Schulen geschlossen wurden. In Damaskus konnte er nicht länger bleiben, da er sonst zur Armee eingezogen worden wäre. So kam der junge Syrer im Oktober 2015 über die Türkei und den Balkan nach Österreich

„Ich kannte die Sprache nicht und musste plötzlich lernen, mich ohne Familie zurechtzufinden. Noch dazu hat man, solange man keine Arbeitsbewilligung hat, auch keine Kontrolle über das eigene Leben“, beschreibt er die Anfangszeit. Was ihn damals antrieb? Dass er ein Ziel vor Augen hatte, nämlich so schnell wie möglich Arbeit zu finden und Geld zu verdienen, um nicht von der Hilfe anderer abhängig sein.

Lehre bei Pankl: „Das ist die perfekte Stelle“

Es dauerte ungefähr ein Jahr, bis er den positiven Asylbescheid erhielt und tatsächlich arbeiten durfte. Bis dahin besuchte er Deutschkurse und absolvierte Praktika in zwei Betrieben, unter anderem auch bei Pankl. Das Hightech-Unternehmen mit Hauptsitz in Kapfenberg entwickelt und produziert Motor- und Antriebssysteme für den Rennsport, Fahrzeuge, die Luft- und die Raumfahrtindustrie. 

„Die Arbeit hier hat nichts mit dem zu tun, was ich im elterlichen Betrieb gelernt habe. Aber ich bin ein großer Autoliebhaber, und deshalb war schnell klar, dass das die perfekte Stelle für mich ist.“ Im November 2016 startete der junge Syrer daher seine Lehre als Zerspanungstechniker und war damit einer der ersten, aber nicht der letzte Mensch mit Fluchtgeschichte, der bei Pankl eine Lehre beginnen sollte.

Über Sprachprobleme zur Abschlussprüfung

Heute beschäftigt das Unternehmen mehrere Männer aus Syrien, Afghanistan und der Ukraine. „Es ist uns wichtig, jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, eine qualitativ hochwertige Ausbildung mit Zukunft zu absolvieren,“ sagt Pankl-CEO Wolfgang Plasser. „Die Herkunft ist dabei zweitrangig. Was zählt, sind Lernbereitschaft und Motivation.“ Abdulrahim Alfattal brachte beides mit. Was ihm jedoch Schwierigkeiten bereitete, war die Sprache.

Wolfgang Plasser Pankl-CEO
Pankl-CEO Wolfgang Plasser: „Wir sehen, dass die gesamte Gesellschaft von jungen Migranten profitiert, die die Chance auf eine gute Ausbildung und Integration nicht nur nutzen, sondern auch so gut meistern.“Foto: Pankl

Die Berufsschule musste er deswegen nach wenigen Tagen abbrechen. „Ich habe mit dem Ausbildungsleiter darüber geredet und ihm gesagt, dass das so wohl nichts werden wird. Daraufhin hat man mir ein halbes Jahr mehr Zeit gegeben und einen Deutsch-Intensivkurs organisiert. Dann hat es super hingehauen.“ Überhaupt habe man ihn bei Pankl in vielerlei Hinsicht unterstützt, auch bei rechtlichen Fragen. Als man ihm 2020 schließlich nach der mit Erfolg abgeschlossenen Lehrabschlussprüfung einen Arbeitsvertrag anbot, zögerte Abdulrahim Alfattal keine Sekunde.

Komponenten für die Formel 1

„Ich habe sofort unterschrieben, denn mir war wichtig, einen Job zu haben und unabhängig zu sein, und ich bin froh und stolz, dieses Ziel so schnell erreicht zu haben.“ Geblieben ist er in der Abteilung, die ihn am meisten interessiert hat. „Da geht es ums Erodieren, eine Spezialrichtung der Fertigungskette. Wir produzieren die Innenteile von Formel-1-Autos. Teile, die man sonst nicht zu sehen bekommt und die Beweis für die hohe Qualität dieser Fahrzeuge sind.“

Dabei sei er, wie er heute zugibt, anfangs selbst skeptisch gewesen und hätte lieber die Matura gemacht und anschließend studiert. „Doch man sollte für alles offen sein und die Chancen und Möglichkeiten, die einem angeboten werden, nutzen“, rät er allen, die in einer ähnlichen Situation sind wie er damals. Studieren könne man später schließlich immer noch. Wichtig sei zuerst einmal, auf eigenen Beinen zu stehen und die Sprache zu lernen.

Unverständnis für politische Schikanen

Davon hätten alle etwas, sagt Pankl-CEO Wolfgang Plasser. „Wir sehen, dass die gesamte Gesellschaft von jungen Migranten profitiert, die – wie Herr Alfattal – die Chance auf eine gute Ausbildung und Integration nicht nur nutzen, sondern auch so gut meistern. Darüber hinaus gelingt es uns auch im Betrieb, durch diese Begegnungen untereinander gezielt Vorurteile abzubauen.“

„Wir suchen nicht nur qualifizierte Arbeitskräfte, sondern auch Hilfskräfte oder junge Menschen, die sich hier zu Fachkräften ausbilden lassen wollen.“

Wolfgang Plasser, CEO Pankl

Allerdings wird asylsuchenden Menschen der Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert, weil – wie es von Seiten der Politik heißt – befürchtet wird, dass dadurch noch mehr Zuwander:innen angezogen werden könnten. Dem kann Wolfgang Plasser nichts abgewinnen. „Ich persönlich halte das – gerade in Zeiten wie diesen – für wenig sinnvoll. In fast allen Branchen wird über Arbeitskräftemangel geklagt. Trotzdem verwehren wir einer Personengruppe den Zugang zum Arbeitsmarkt.

„Je höher, desto besser“

Ohne Zuwanderung werden wir dieses Problem definitiv nicht lösen können“, sagt er und zieht eine Parallele zu den 60er- und 70er-Jahren, in denen auf das Anwerben von Gastarbeiter:innen gesetzt wurde. „Ähnlich wie damals suchen wir in Österreich nicht nur hochqualifizierte Arbeitskräfte, sondern auch Hilfskräfte oder junge Menschen, die sich hier zu Fachkräften ausbilden lassen wollen.“

Abdulrahim Alfattal zeigt, dass es funktionieren kann. Er hat sich hier etwas aufgebaut, hat einen Job, eine Wohnung, ein eigenes Auto. Das Einzige, was ihm fehle, sagt er, sei seine Familie, die er am 6. September 2015 zum letzten Mal gesehen hat. „Ich bin aber gerade dabei, Flüge zu organisieren, damit sie mich besuchen können.“ Und auch beruflich hat der 24-Jährige noch viel vor. Er möchte sich weiterbilden und aufsteigen, je höher, desto besser. Und sollte sich die Lage in seinem Heimatland beruhigen und Pankl je planen, dort ein Werk zu errichten, wird er der Erste sein, der sich freiwillig dafür meldet.

Credits Artikelbild: Pankl/Kundigraber

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