Freihandel

Freihandelsabkommen: Was können sie? Wofür können sie nichts?

Für die einen sind sie die Grundpfeiler der Globalisierung und eines funktionierenden Welthandels. Für die anderen sind sie Brandbeschleuniger der Ausbeutung. Was bringen Freihandelsabkommen wirklich? Und was hat Österreich davon?

War es das mit der Globalisierung? Hat sich die internationale Arbeitsteilung totgelaufen? Brauchen wir damit auch keine Freihandelsabkommen mehr? Derartige Fragen tauchen seit Beginn der Corona-Krise und ihrer weltweiten Folgen für die Wirtschaft immer wieder auf. 

Die Antworten sind eindeutig. Das Rad der Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Und das ist eine durchwegs gute Nachricht. Denn die Globalisierung und mit ihr die den Wirtschaftskreislauf erleichternden Freihandelsabkommen haben die Wohlstandskurve in den letzten Jahren weltweit ansteigen lassen.

So ist mit wachsender Globalisierung die Zahl der Menschen, die in absoluter Armut leben, seit den 1980er-Jahren gesunken: laut Weltbank von 37 auf derzeit 8,5 Prozent. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in den Schwellen- und Entwicklungsländern lag 1980 bei 14 Prozent des Niveaus der Industrieländer. Heute liegt es bei knapp 25 Prozent.  

Freihandelsabkommen sichern Jobs

Aber auch wohlhabende Länder wie Österreich brauchen den Freihandel. Sie sind aufgrund ihrer Größe, begrenzter Ressourcen und einer eingeschränkten Menge an inländischen KonsumentInnen vom Export abhängig. Der Handel mit dem Ausland stärkt die Kaufkraft und sichert Arbeitsplätze im Inland. 

Denn Wirtschaftswachstum, Investitionen und Handel finden zunehmend außerhalb Europas statt. Für den wirtschaftlichen und sozialen Erfolg Europas und Österreichs sind daher der Zugang zu wichtigen Zukunftsmärkten sowie faire Handels- und Investitionsregeln entscheidend.

Globalisierung bringt 1.270 Euro pro Kopf

Der Thinktank Agenda Austria hat ausgerechnet, was die globalen Liefer- und Produktionsketten, in die die österreichische Wirtschaft eingebunden ist, den ÖsterreicherInnen bringt. Ergebnis: Pro Kopf war es allein zwischen 1990 und 2018 ein Wohlstandsgewinn von jährlich 1.270 Euro.

Steven Altman, Professor an der New York Stern University, hat mit dem Global Connectedness Index (GCI) gar einen eigenen Maßstab über die umfassende Vernetzung der globalen Wirtschaft erstellt. Der Index misst neben dem Welthandel auch die globalen Bewegungen von Geld, Daten und Menschen. In diese Berechnungen sind 3,5 Millionen Datenpunkte eingeflossen.

Keine Freihandelsabkommen – ginge das?

Die Grundaussage derartiger Berechnungen fasst Josef Urschitz in einem Kommentar in der „Presse“ zusammen: „Renationalisierung heißt Wohlstandsverlust.“ Für eine Abschottung ist die Wirtschaft längst zu global vernetzt. Laut OECD könne ein stärkerer Fokus auf lokale Produktion eine größere Abhängigkeit von wenigen und oft teureren Vorleistungen bedeuten. Das Risiko für die Versorgungssicherheit werde erhöht. 

Der Autor verschweigt aber auch nicht die Schattenseiten der Globalisierung und des Freihandels: höherer Konkurrenzdruck, Produktionsverlagerungen, große Abhängigkeiten von wenigen Ländern aufgrund wenig diversifizierter Lieferketten.

Österreich – „superglobalisiert“

Nicht zuletzt die Corona-Krise hat derartige Schwachstellen schonungslos aufgedeckt. Aber welche Schlüsse sind daraus für Österreich und die EU als eine der erfolgreichsten Freihandelszonen abzuleiten? Immerhin ist Österreich mit einer Exportquote von 55 Prozent eines der „globalisiertesten“ und vernetztesten Ländern der Welt. 

Soll sich Europa wieder stärker an die USA binden, neue Partner suchen oder mehr Eigenständigkeit wagen? (Wie viel Autonomie verträgt eine Beziehung?) Ist Europa stark genug für eine wirtschaftliche Autonomie?

Drei Milliarden Euro pro Tag

Nein, befindet die Agenda Austria. Wirtschaft ist längst zu global vernetzt. Zu dicht ist das Netz an gegenseitigen Abhängigkeiten, transkontinentalen Lieferketten und internationalen Handelsbeziehungen. Laut EU-Kommission umfassen allein die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA einen Warenaustausch im Wert von drei Milliarden Euro – täglich!

Freihandel Containerhafen
Containerhäfen sind die Verkehrsknotenpunkte des globalen Warenaustausches. Foto: adobe stock | May_Chanikran

Gerade nach einer Krise samt schwächelnder Konjunktur – wie von Corona ausgelöst – brauchen exportorientierte Länder die ausländischen Märkte und neue Exportchancen. Aber wie aktiv muss die EU sein, um nicht anderen globalen Mitstreitern das Feld zu überlassen? Braucht es immer die ganz großen Zusammenschlüsse – gegen die sich meist schnell auch ganz großer Widerstand aufbaut?

Bessere EU-Standards

Tatsächlich setzt gerade die EU auch verstärkt auf bilaterale Abkommen mit Drittstaaten. Aktuell gibt es 36: von Albanien und Andorra über die Färöer Inseln und Guatemala bis zu San Marino, Singapur und die Türkei. Der Vorteil: Die EU kann in derartigen Kooperationsverträgen leichter ihre (meist besseren) Standards durchsetzen.

Die Kritik, dass derartige regionale Abkommen den Welthandel im Ganzen torpedieren, widerspricht der ehemalige Chef der Welthandelsorganisation, Pascal Lamy: „Wenn ein Abkommen Handelshemmnisse abbaut, dann baut es Handelshemmnisse ab – egal, ob bilateral oder multilateral.“

Jeder tut, was er am besten kann

Insgesamt gehört die EU jedenfalls zu den „meist gebuchten“ Vertragspartnern von Handelsabkommen. Rund 290 sind es aktuell. Erst kürzlich kamen zwei neue hinzu: Zum einen konnten die Brexit-Verhandlungen abgeschlossen, zum anderen nach sieben Jahren ein Abkommen mit China unterzeichnet werden. Die Idee derartiger Verträge ist nicht neu.

Schon im 18. Jahrhundert kreierte Adam Smith die Theorie, dass möglichst offene Grenzen für Waren, Arbeit und Kapital den allgemeinen Wohlstand heben. Wie das? Weil jedes Land das tun und anbieten kann, was es am besten kann.

Verzerrter Wettbewerb – Unternehmer leiden

Ohne gegenseitigen Abkommen kann es dagegen schwierig werden. Es muss ja nicht gleich zu einem handfesten Handelskrieg kommen, wie er zwischen den USA und China gerade tobt. Für Unternehmen reichen schon kleinere Hürden: doppelt auszustellende Zertifizierungen, unterschiedliche Genehmigungsverfahren, Patentrechtsstreitigkeiten über geistiges Eigentum oder unterschiedliche staatliche Förderkulissen. Das alles kann zu Wettbewerbsverzerrungen führen.

Abkommen sollen das verhindern. Inhaltlich sind sie vielschichtig abgestuft. Sie können soziale und Umweltschutzstandards festlegen, geografische Herkunftsangaben festschreiben. Sie können nur Dienstleistungen oder den Handel umfassen. Sie können Investitionen oder das Urheberrecht betreffen. Sie können bilateral oder multilateral abgeschlossen werden. Sie können nur Zölle betreffen oder völlige Freihandelszonen schaffen.

Die Liste entsprechender Abkommen ist lang. 

Hier einige Beispiele:

Europäische Union

Die Europäische Union (EU) ist als Wirtschaftsunion auf vier Grundfreiheiten aufgebaut. Für den Binnenmarkt zwischen den Mitgliedsstaaten gelten Dienstleistungs-, Kapital-, Personen- und Warenverkehrsfreiheit.

Handelsabkommen China EU
Das Handelsabkommen zwischen China und der EU soll den Austausch von Technologiewissen verbessern.Foto: adobe stock | Gorodenkoff

EU-China-Handelsabkommen

Kurz vor Weihnachten einigten sich die Spitzen der EU und China nach siebenjährigen Verhandlungen auf das Comprehensive Agreement on Investment (CAI). Mit dem Investitionsabkommen sollen der gegenseitige Marktzugang erleichtert, fairere Wettbewerbsbedingungen geschaffen und der erzwungene Transfer von Technologiewissen von europäischen Unternehmen in China begrenzt werden. China ist mit seinen 1,4 Milliarden Verbrauchern der zweitwichtigste Wirtschaftspartner weltweit für die EU.

Vereinigung südostasiatischer Staaten

ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) ist eine Vereinigung von zehn südostasiatischen Staaten: Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam. Ursprüngliches Ziel war die Verbesserung der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Zusammenarbeit. 2009 beschlossen die Staats- und Regierungschefs, einen gemeinsamen Wirtschaftsraum nach dem Vorbild der EU zu schaffen.

Freihandelsabkommen Asien-Pazifik

Mitte November einigte sich China mit 14 Staaten im asiatisch-pazifischen Raum (ASEAN-Staaten plus Japan, Südkorea, Neuseeland, Australien) auf das größte Freihandelsabkommen der Welt. Die Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) ist ein Wirtschaftsraum, der 2,2 Milliarden Menschen und 30 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung umfasst. Das Abkommen soll 90 Prozent der Zölle abbauen.

Südamerikanischer Wirtschaftsraum

Der Gemeinsame Südamerikanische Markt (Mercado Común del Sur, MERCOSUR) ist ein regionaler Zusammenschluss der vier südamerikanischen Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.

EU-Japan

Das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen EPA (Economic Partnership Agreement) zwischen der EU und Japan trat 2019 in Kraft. Es ist ein Freihandels- und Investitionsschutzabkommen. Damit wird ein Großteil der von EU-Unternehmen zu entrichtenden Zölle abgeschafft.

Transpazifische Partnerschaft

Die Trans-Pacific Partnership (TTP) ist ein Handelsabkommen zwischen Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur, Vietnam und ursprünglich den USA. 2017 stiegen die USA allerdings aus. Die verbliebenen elf TTP-Mitglieder vereinbarten daraufhin CPTPP.

CPTPP (Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership): Es sieht unter anderem den Wegfall von Zöllen auf Agrar- und Industrieprodukte vor.

Freihandel Proteste
Proteste begleiteten die Verhandlungen für das transatlantische Handelsabkommen TTIP.Foto: adobe stock | Belish

Transatlantisches Abkommen

Ziel der Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) war ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU. Das transatlantische Abkommen soll die Handelsbeziehungen erleichtern. Die von hitzigen Debatten begleiteten Verhandlungen wurden 2017 nach einem Rückzug der USA gestoppt.

Credits Artikelbild: adobe stock | industrieblick

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