Hat die Jugend ausgetanzt? Wie die Generation Corona wirklich tickt

Superspreader oder einfach nur super missverstanden? Eine großangelegte Umfrage gibt einen Einblick, was die so genannte Generation Corona wirklich beschäftigt. Und wovor sie Angst hat.

Fehlende Freizeitangebote, Ausgangssperren, eingeschränktes Sozialleben – spätestens seit Lockdown Nummer zwei beginnt die Pandemie, so richtig an der Psyche zu nagen. Ein wenig tröstlich ist es da, dass wir dieses Jahr alle im selben Boot sitzen. Aber stimmt das wirklich oder haben manche von uns etwas mehr mit erhobenen Zeigefingern zu kämpfen als andere? Ging man dieses Jahr mit offenen Ohren durchs Leben, war der allgemeine Tenor gleich: In Zeiten wie diesen muss jede/r einzelne von uns verantwortungsbewusst handeln, eh klar.

Und wenn man sich die Jungen so anschaut: Machen die nicht ständig Party, sind maskenfaul und pfeifen auf Abstandsregelungen? Die halten sich doch für unverwundbar. Aber stimmt das denn? Oder tut man den Teens damit unrecht? Fragen wir die „Generation Corona“ doch einfach selbst.

Wie geht’s denn der Generation Corona eigentlich?

Bereits zum zweiten Mal im Jahr 2020 taten sich die MarktforschungsexpertInnen von Marketagent und Maturareiseanbieter DocLX zusammen und befragten 2.658 Menschen im Alter zwischen 14 und 24 Jahren, wie es ihnen in Zeiten der Pandemie geht. Der „Jugend Trend Monitor“ lief zwischen Ende September und Ende Oktober, der zweite Lockdown konnte also nicht miteinbezogen werden. Nichtsdestotrotz liefert das Ergebnis einen kleinen Einblick in die Gefühlswelt unserer Jugend.

Generation Corona
Alexander Knechtsberger von DocLX und Thomas Schwabl von Marketagent haben mit ihrem aktuellen „Jugend Trend Monitor“ spannende Daten über die so genannte Generation Corona zusammengetragen.Foto: Roland Rudolph

Ein kleiner Spoiler zu Beginn: Obwohl junge Menschen stark am Fehlen sozialer Kontakte leiden, werden die Maßnahmen allgemein als nützlich angesehen und im Alltag auch umgesetzt. Was das Vorurteil angeht, die Jungen hielten sich für unverwundbar: Tatsächlich hat mehr als die Hälfte der Befragten, genauer gesagt 64,9 Prozent, wenig bis keine Angst davor, selbst an Covid-19 zu erkranken. Dem gegenüber stehen aber 73,1 Prozent, die sich sorgen, dass ein älteres Familienmitglied erkranken könnte.

Wann ist die Pyjamaparty endlich zu Ende?

Für die Mehrheit der Befragten ist das abendliche Fortgehen ein wichtiger Teil ihres Lebens, zum Abschalten und um die Sorgen kurzfristig zu vergessen. Ein Großteil der Befragten ist besorgt, durch die Maßnahmen einen Teil ihrer Jugend zu verpassen. Matthias Rohrer vom Österreichischen Institut für Jugendkulturforschung hat dafür Verständnis: „Party, ausgehen, etwas erleben – das ist besonders für junge Menschen wichtig. Die Abschlussfeier ist beispielsweise etwas, auf das man lange hingearbeitet hat – und das ist plötzlich nicht mehr möglich. Hinzu kommt, dass das Spannende am Leben der Jugendlichen vor allem draußen mit FreundInnen und nicht zu Hause stattfindet. Während es sich Erwachsene in ihrem Freiraum, den eigenen vier Wänden, gemütlich machen können, wird der gewohnte jugendkulturelle Freiraum zur Verbotszone.“

Mehr als die Hälfte fühlte sich einsam

Den Austausch mit Gleichaltrigen vermag das familiäre Umfeld also scheinbar nicht aufzuwiegen, und auch Social Media, WhatsApp und Co. können das Abhängen mit Freunden nicht ersetzen: Satte 91,2 Prozent der Befragten aus der Generation Corona gaben an, dass persönlicher Kontakt mit FreundInnen sehr wichtig ist; mehr als die Hälfte gab an, sich während des ersten Lockdowns einsam gefühlt zu haben.

Generation Corona
91,2 Prozent der Befragten aus der Generation Corona gaben an, dass persönlicher Kontakt mit FreundInnen sehr wichtig ist; mehr als die Hälfte gab an, sich während des ersten Lockdowns einsam gefühlt zu haben.Foto: Adobe Stock | Miljan Živković

„Einsamkeit und das Fehlen von sozialen Kontakten hat in allen Altersgruppen Folgen, und es ist wichtig, dass diese abgemildert werden“, so Rohrer. „Insbesondere bei jungen Menschen ist es aber so, dass der Freundeskreis die Wohlfühlumgebung und damit besonders wichtig für die Identitätsbildung ist. Hinzu kommt, dass den jungen Menschen von Erwachsenen und Politik dieses Leiden wegen des Fehlens von sozialen Kontakten nicht zugestanden wird. Man hört dann eher so Sätze wie: ‚Die sollen sich nicht so anstellen‘.“

Insbesondere bei jungen Menschen ist es aber so, dass der Freundeskreis die Wohlfühlumgebung und damit besonders wichtig für die Identitätsbildung ist.

Matthias Rohrer vom Österreichischen Institut für Jugendkulturforschung

Bei den Jungen mache sich so das Gefühl breit, dass ihre Sorgen, Ängste und Bedürfnisse in der Pandemie nicht gleichwertig mit denen von anderen gesellschaftlichen Gruppen behandelt werden. Der Experte merkt auch an, dass es in den für Jugendliche wichtigen Bereichen kaum Diskussionen darüber gibt, was weiterhin möglich sein muss. So entstehe der Eindruck, dass sich niemand für die Bedürfnisse der Generation Corona einsetze. Das schlägt sich auch in der Umfrage deutlich nieder: Über zwei Drittel hält die Maßnahmen der Bundesregierung, um die beruflichen Chancen der Jugend in der Situation zu verbessern, für nicht ausreichend.

Generation Corona hat Zukunftssorgen

Apropos: Sorgen machen sich die Jungen vor allem um ihre Zukunft. Die Mehrheit ist überzeugt, dass Covid-19 die Situation für BerufseinsteigerInnen besonders schwierig macht, ein Drittel fürchtet sogar, als „Generation Corona“ abgestempelt zu werden und den beruflichen Anschluss zu verlieren. Fehlende Praktikumsplätze, finanzielle Probleme bei Studierenden wegen gekündigten Nebenjobs und ein erschwerter Einstieg in den Arbeitsmarkt bei AbsolventInnen geben ihnen recht. Immerhin knapp die Hälfte sieht in der Pandemie auch eine Chance, auf Pause zu drücken und sich über die eigene berufliche Zukunft klar zu werden. Voraussetzung dafür ist natürlich ein abgesichertes familiäres Umfeld, das so eine Pause überhaupt möglich macht.

Masken sind uncool? Fehlanzeige.

Aber wie schaut’s mit dem Umsetzen der Sicherheitsmaßnahmen aus? 87,2 Prozent sehen es so, dass alle gemeinsam an einem Strang ziehen müssen, um die Verbreitung der Pandemie zu stoppen. Auch den aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Virusverbreitung steht man überwiegend gechillt gegenüber: 88,3 Prozent sind klar für die Mund-Nasen-Schutz-Pflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, rund 85 Prozent für Hygieneregeln und Babyelefanten-Abstand. Die frühe Sperrstunde im Lieblingslokal stößt dann aber auf wenig Begeisterung.

Also ist die Jugend verantwortungsbewusster, als manch einer denkt? „Auf alle Fälle, das zeigen auch unsere eigenen Umfragen. Wie in jeder Gesellschaftsschicht gibt es natürlich auch bei den Jungen solche, die nicht mitmachen. Unvernünftige trifft man in allen Altersgruppen an, in der Corona-Pandemie ist aber wohl die illegale Technoparty auffälliger als das gemütliche Zusammensitzen mit der ganzen Nachbarschaft und schafft so politisch und medial mehr Aufmerksamkeit“, kommentiert Matthias Rohrer.

Okay, Boomer.

Was sie aber alle eint, scheint ein Gefühl von Orientierungslosigkeit zu sein. Das zeigt auch das Siegertreppchen fürs österreichische Jugendwort des Jahres 2020. Auf Platz zwei schaffte es heuer das englische Wort „lost“. Sich „lost“ fühlen, das bedeutet, ein bisschen verloren zu sein und nicht zu wissen, was man mit sich selbst anfangen soll. Gewonnen hat das Wort „Boomer“ – ein Verweis auf die Generation der Babyboomer, die nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Ende der 1960er-Jahre geboren wurden. Mit den Worten „Okay, Boomer“ weisen Jugendliche gerne auf den derzeitigen Generationenkonflikt hin.

Fazit:

Das Jugend-Bashing scheint also nicht unbedingt gerechtfertigt. Und auch wenn sich Lockdown Nummer zwei bereits ein wenig routinierter anfühlt, irgendwann ist das Streaming-Angebot durch, die neuesten Games zu Ende gespielt und der Optimismus ausgeschöpft. Da ist es nicht zu verdenken, dass lediglich ein kleiner Anteil von 12,5 Prozent den aktuellen Covid-19-Maßnahmen auch etwas Positives abgewinnen kann. Damit hat sich ein Verdacht wohl bestätigt: Teenager sind auch nur Menschen.

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