Generation Z

Eine „Strebergeneration“ drängt auf den Arbeitsmarkt – was die Generation Z wirklich will

Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen haben es nicht leicht. Gerade erst haben sie sich auf die Bedürfnisse der Generation Y eingestellt, steht schon die Generation Z in den Startlöchern. Und die hat ganz andere Vorstellungen als ihre VorgängerInnen. Wir haben bei Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier nachgefragt.

Es könnte so einfach sein: Auf der einen Seite junge Menschen, die Arbeit suchen, auf der anderen die Unternehmen, die dringend MitarbeiterInnen brauchen und auch bereit sind, auf deren Bedürfnisse einzugehen. Und doch scheinen sie nicht zusammenzufinden. Woran liegt das? Warum bleiben Lehrstellen unbesetzt? Weshalb sind MINT-Studiengänge weniger beliebt? Und wieso gelingt es uns nach wie vor nicht, mehr Frauen für technische Berufe zu begeistern? Dabei ist gerade diese Generation, die sogenannte Generation Z, technisch versierter als alle Generationen davor.

Problem der Generationen

Noch dazu glauben wir, so viel über sie und ihre Wertvorstellungen zu wissen, gibt es doch zahlreiche Studien, Interviews und Zeitungsartikel, die uns darüber aufklären, was die Generation Z wirklich will. Das Bild, das uns vermittelt wird, stimmt jedoch nur zum Teil mit der Realität überein, meint Bernhard Heinzlmaier. Er ist seit mehr als zwei Jahrzehnten in der Jugendforschung tätig, hat das Institut für Jugendkulturforschung in Wien mitbegründet und 2003 den ehrenamtlichen Vorsitz übernommen. Wir haben ihn zum Interview gebeten und mit ihm über StreberInnen und Muttersöhnchen/-töchterchen gesprochen, über offene Lehrstellen und die Inflation an Akademikertiteln. Und wir haben herausgefunden, dass die „Jungen“ gar nicht so cool sind, wie man meinen möchte.

Generation Z
Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier verrät uns, wie die sogenannte Generation Z wirklich tickt.Foto: beigestellt | Fotostudio Wilke 1010 Wien

Herr Heinzlmaier, wir reden immer wieder von der Generation X, Y oder Z. Aber kann man junge Menschen – im Fall der Generation Z sind es all jene, die ca. zwischen 1997 und 2010 geboren sind – in einen Topf werfen, nur weil sie ungefähr gleich alt sind?

Das ist das Problem der Generationen. Bereits in den 1930er-Jahren hat der berühmte Generationentheoretiker Karl Mannheim gesagt, dass Generationen etwas gemeinsam haben, aber in sich auch widersprüchlich sind. D. h. eine große Generationserfahrung, das kann z. B. ein Ereignis wie 9/11 sein, prägt eine Generation. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Generationen in sich geschichtet sind und die Erfahrungen je nach der sozialen Lage oder der kulturellen Situation anders verarbeitet werden. Jemand, der dem oberen Gesellschaftsdrittel angehört und gerade eine Universität absolviert, hat andere Werte und Vorstellungen als jemand, der aus der Arbeiterschicht kommt und eine Lehre beginnt.

Gibt es dennoch Gemeinsamkeiten?

Im Vergleich zur Generation Y ist die Generation Z weitaus sicherheits- und stabilitätsorientierter und weniger abenteuerlustig. Sie hält traditionelle Werte hoch, möchte eine Familie gründen, und ihr ist eine gute Work-Life-Balance wichtig. Ein typischer Vertreter der Generation Y hingegen hat eher die Einstellung: „Was kostet die Welt?“ Er oder sie schiebt die Familiengründung erst einmal auf, will z. B. UnternehmerIn werden, spart nicht auf ein Eigenheim, sondern bevorzugt etwa Co-Living (Anm. der Red.: gemeinschaftliches Wohnen auf Zeit).

Es scheint, als hätten es junge Menschen heutzutage leichter am Arbeitsmarkt. Einerseits sind sie gut ausgebildet, andererseits suchen Unternehmen verzweifelt nach neuen MitarbeiterInnen. Stimmt dieser Eindruck?

Das kommt drauf an, aus welcher Perspektive man es sieht. Wenn man die jungen Menschen fragt, werden sie antworten, dass ihre Eltern es viel besser hatten. Wir sagen, diese Generation ist retrotopisch. Das klingt jetzt kompliziert, ist aber einfach erklärt: Es bedeutet, dass die Jungen sich die alten Zeiten zurückwünschen. Statt mit freudiger Erwartung in die Zukunft zu blicken, sehen sie die Zukunft eher beschwerlich, problematisch und schwierig. Sie beneiden ihre Eltern, weil diese einen sicheren Job hatten, 40 Jahre im selben Unternehmen waren, von der Bank einen Kredit bekommen haben und damit ein Eigenheim finanzieren konnten. Sie selbst hingegen arbeiten z. B. drei Jahre, müssen sich dann wieder einen neuen Job suchen, bekommen mit ihrer Ausbildung keine adäquate Stelle, müssen in eine andere Branche wechseln, eine Umschulung machen, wieder etwas Neues lernen.

Aber ist das nicht genau das, was die jungen Menschen wollen? Ich hätte gedacht, dass sie von sich aus Jobs wechseln, sich weiterbilden und etwas Neues ausprobieren möchten.

Dieser Eindruck entsteht, weil wir immer nur einen bestimmten Ausschnitt der Gesellschaft im Blick haben. Und zwar das obere Gesellschaftsdrittel. Dazu gehören jene, die von sich aus sehr diskontinuierlich sind. Sie suchen die Abwechslung, gehen z. B. zwei Jahre ins Ausland, möchten in einem innovativen Unternehmen arbeiten und halten, selbst wenn sie einer Beschäftigung nachgehen, ständig Ausschau nach einem besser bezahlten Job oder einem Job mit besseren Aufstiegschancen.

Was man hinzufügen muss, ist, dass die Eltern bei der Berufswahl eine sehr große Rolle spielen. Die Betriebe müssen deshalb auch die Eltern ansprechen.

Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier

Diesen Leuten ist das Image wichtig, sie haben Ideale, wollen vielleicht sogar die Welt retten. Je weiter wir aber in der Sozialhierarchie nach unten kommen, desto mehr sehnen sich die jungen Menschen nach einem sicheren Arbeitsplatz mit einer guten Bezahlung, wo sie auch gewerkschaftlich gut vertreten sind. Sie wollen Vorgesetzte haben, die sie verstehen, AusbildungsleiterInnen, die ihnen eine Art Vater- oder Mutterersatz sind, und sie möchten möglichst lange in einem Unternehmen bleiben. Sie würden sogar weniger Einkommen in Kauf nehmen, wenn der Job dafür sicherer ist.

Das heißt, das, was wir immer wieder über die Generation Z lesen und zu wissen glauben, betrifft eigentlich nur das obere Gesellschaftsdrittel, also eine Minderheit. Wie kommt es dazu?

Weil in den Medien und in der Forschung nur Menschen aus dem oberen Drittel sitzen und deswegen – und das ist auch menschlich – von den eigenen Erfahrungen und jenen des Umfelds ausgehen. Sie dürfen nicht vergessen, die Forscherinnen und Forscher sind an den Universitäten tätig und machen oft Stichproben mit Studierenden. Dann kommt man logischerweise zu seinem Ergebnis und glaubt, alle wären so. Dabei sind die Generationen in sich sehr unterschiedlich strukturiert.

Man könnte meinen, dass das Angebot an Arbeitsplätzen derzeit größer ist als die Nachfrage. Warum ist dann die Jugendarbeitslosigkeit noch immer ein Problem? Liegt es nur an der Pandemie?

Wenn man sich die absoluten Zahlen ansieht, hat man tatsächlich den Eindruck, dass es mehr Arbeitsplätze als Arbeitsuchende gibt. Der Arbeitsmarkt ist aber disproportional, und nicht jede/r möchte jeden Job machen. Z. B. sucht man momentan im Gastgewerbe und in der Hotellerie händeringend nach MitarbeiterInnen. Viele junge Menschen sagen aber, dass sich dieser Beruf nur schwer mit der Familie vereinbaren lässt. Sie wollen nicht nach Salzburg oder Tirol ziehen müssen, wenn sie in Wien leben, und auch die Arbeitszeiten sind für sie unattraktiv. Das sagt aber nichts über die Arbeitswilligkeit aus.

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Jobs im Gastgewerbe oder in der Hotellerie sind bei der Generation Z nicht gerade beliebt. Häufig schreckt die Distanz zur Arbeitsstelle junge Mädchen und Burschen ab.Foto: adobe stock | Drazen

Und wie sieht es bei den Lehrstellen aus?

Bei den Lehrstellen ist es traditionell so, dass das Angebot immer größer ist als die Nachfrage. Das hat sich durch Corona geändert, weil UnternehmerInnen derzeit zurückhaltender sind, wenn es darum geht, neue Leute aufzunehmen. Nach der Krise wird sich das aber wieder normalisieren.

Wenn es so viele Lehrstellen gibt, warum machen dann nicht mehr Jugendliche eine Lehre? Das Image der Lehre hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, die Verdienstmöglichkeiten und Aufstiegschancen sind auch gut, zum Teil sogar besser, als wenn man studiert hat.

Was wir am Arbeitsmarkt sehen, ist, dass der akademische Titel in der Gesellschaft so prestigebehaftet ist, dass viele sagen, sie machen lieber ihren Master als eine Lehre. Selbst wenn das bedeutet, dass sie dadurch weniger verdienen oder gar keine Arbeitsstelle finden. Deshalb haben wir immer noch eine ganz starke Strömung in Richtung universitäre Ausbildung. Vor allem Eltern, die ein bisschen statusbewusst sind, möchten, dass ihre Kinder studieren. Das ist das Problem.

Wie bewirbt man sich heutzutage für eine Arbeits- oder Lehrstelle? Hat sich die voranschreitende Digitalisierung auf die Bewerbung ausgewirkt?

Ja, die Bewerbung hat sich durch die Digitalisierung verändert. Das obere Gesellschaftsdrittel kommt gut damit zurecht, bei den Lehrlingen sehen wir aber, dass ihnen manchmal das Know-how für die Online-Kommunikation fehlt, über die alles abgewickelt werden soll. Für sie wäre ein persönliches Gespräch oft besser. Was man hinzufügen muss, ist, dass die Eltern bei der Berufswahl eine sehr große Rolle spielen. Die Betriebe müssen deshalb auch die Eltern ansprechen. Bei den Lehrlingen ist das stärker ausgeprägt als bei den höher Ausgebildeten, aber auch dort werden die Eltern stärker als früher in die Entscheidung miteinbezogen. Bei der Universität Freiburg z. B. gibt es drei Tage der offenen Tür. Da kommen die Eltern mit ihren Kindern mit, obwohl die 18, 19 oder 20 Jahre alt sind.

Heißt das, dass die Eltern bei der Berufswahl heute mehr mitreden als früher?

Genau. Das hängt damit zusammen, dass die Stimmung dieser ganzen Generation nicht rebellisch, sondern eher auf Anpassung ausgerichtet ist. Und auch die Stimmung innerhalb der Familien ist friedlicher als früher. Die Jugendlichen sind so erzogen, dass sie sich nicht von Autoritäten befreien wollen, sondern diese anerkennen und auch deren Schutz suchen. Ganz anders als bei der 68er-Generation, die die Elternautorität abschütteln wollte, weil diese ihnen unangenehm war. Heute hört man dafür häufig Aussagen wie „Meine Mutter ist meine beste Freundin“. Die Beziehung ist einfach viel inniger.

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Die Generation Z versucht längst nicht mehr die Elternautorität abzschütteln. Vielmehr ist die Beziehung zur Familie heutzutage deutlich inniger.Foto: adobe stock | Peter Atkins

Das klingt ein bisschen nach einer Strebergeneration.

Ja, das ist tatsächlich ein bisserl eine Strebergeneration. Ich wollte es nicht so böse ausdrücken, aber sie lebt nach dem Konzept „Aufstieg durch Anpassung“. Wer sich am besten anpasst, der oder die gewinnt am Ende.

Die jüngeren Generationen sind in der Regel sehr technikaffin. Sind technische Berufe heute beliebter als früher?

Das ist eigentlich gerade das Problem. Technische Berufe sind nicht beliebter. Wenn es um die naturwissenschaftliche Ausbildung geht, Mathematik und ähnliches, dann ist das außerdem sehr männerlastig. Zu den Frauen ist man da noch gar nicht durchgedrungen. Das ist auch bei den Lehrstellen so. Frauen werden in der Regel z. B. Handelsangestellte, während junge Männer eher in die Industrie gehen oder Facharbeiter werden. Da ändert sich zwar da und dort etwas, aber der Mainstream ist immer noch sehr traditionell in der Berufswahl. Und auch bei den Studiengängen ist es so, dass man, gerade in den Naturwissenschaften oder wenn es um Programmieren und Informatik geht, mehr Studierende bräuchte, die Mehrheit sich aber für andere Studienrichtungen entscheidet.

Sollten Schulen die Kinder besser aufs Berufsleben vorbereiten?

In den Schulen wird bereits angesetzt, aber man muss auch bei den Eltern ansetzen. Und selbst wenn man Mädchen bewusst fördern möchte, ist es im Habitus der Menschen immer noch so verankert, dass man ein Mädchen anders erzieht als einen Jungen. Das ist ein langwieriger Prozess, und es dauert, bis man da flächendeckend einen Gesinnungswandel herstellen kann. Wir sind nicht dort, wo wir hinmüssen, aber die Entwicklung ist zumindest gut und es ist schon einiges im Gang.

Wir hören immer wieder, dass die Generation Z Wert auf eine Work-Life-Balance legt. Sind die jungen Menschen dadurch entspannter? 

Sie sind überhaupt nicht entspannter. Was man heute aus der Forschung meldet, ist, dass sie wahnsinnige Abstiegsängste haben, und zwar durchgehend. Das obere Drittel hat Angst, ihren Status nicht verteidigen zu können, die Mittelschicht hat Angst, in die untere soziale Schicht abzurutschen, und die untere soziale Schicht ist überhaupt resigniert. Abstiegsängste beherrschen heute die Gesellschaft, was nicht verwunderlich ist, denn es ist wahrscheinlicher, dass man absteigt als dass man aufsteigt. Noch dazu in Corona-Zeiten, wo viele das erste Mal Bekanntschaft mit Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit usw. gemacht haben. Das Zukunftsbild der jungen Menschen ist daher nicht wirklich optimistisch.

Eigentlich wollte ich Sie zum Schluss fragen, ob es etwas gibt, was sich die Älteren von den Jungen abschauen könnten. Nach dem Gespräch habe ich aber eher den Eindruck, dass das Gegenteil der Fall ist.

Ja, es ist eher umgekehrt, die Jüngeren könnten sich etwas von den Älteren abschauen. Die Elterngeneration denkt nicht so egozentrisch, sondern mehr gesellschaftlich, gemeinschaftlich, das politische Interesse und die Bereitschaft, einmal zu rebellieren sind größer. Es ist tatsächlich so, dass die Jungen heute angepasster als ihre Eltern sind. Dabei hat man hat bis vor zehn Jahren in der Forschung gesagt, dass es so etwas wie einen Trendwechsel gäbe und sich die Alten an den Jungen orientieren, was die Frisur, Kleidung, Freizeit usw. betrifft.

Früher haben die SchülerInnen rebelliert, debattiert oder mit den LehrerInnen gestritten, aber heute sind alle sehr brav und machen das, was man ihnen vorschreibt.

Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier

Aber was das Berufliche, die Arbeitswelt und die Ausbildung angeht, ist es ganz anders. Da sind die Jungen pragmatisch. Sie haben nicht diesen Glutkern in sich, dass man für etwas brennt. Ich habe letztens einen Vortrag in Steyr vor rund 100 LehrerInnen gehalten, und sie haben alle das Gleiche gesagt: Früher haben die SchülerInnen rebelliert, debattiert oder mit den LehrerInnen gestritten, aber heute sind alle sehr brav und machen das, was man ihnen vorschreibt. Es lehnt sich eigentlich keiner mehr auf. Wenn man Kritik an dieser Jugend üben wollte, dann wäre es die große Anpassungsorientierung. Aber dafür können sie letztendlich auch nichts, das liegt eben an der Erziehung, den Schul- und Unisystemen.

Ihnen zu raten, sich aufzulehnen, hilft wahrscheinlich auch nicht.

Nein, wenn sie dafür nicht positiv sanktioniert werden, sondern einen Nachteil haben, bringt das nichts. Wenn ich z. B. ein Unisystem habe, bei dem es darum geht, ECTS-Punkte auf eine möglichst ökonomische Art zu sammeln, und ich sage meinem Kind, dass es seinen Interessen folgen soll, wird er oder sie länger studieren oder Probleme haben, sein Studium überhaupt abzuschließen, weil die Mentalität, die heute verlangt wird, ganz eine andere ist.

Über Bernhard Heinzlmaier

Der Sozialwissenschafter und Unternehmensberater ist seit mehr als 20 Jahren in der Jugendforschung tätig. 2018 verlieh Bundespräsident Alexander Van der Bellen dem Wiener für seine Leistungen als Meinungs- und Jugendforscher den Berufstitel Professor. Seit dem Jahr 2000 leitet Bernhard Heinzlmaier das Marktforschungsunternehmen tfactory in Hamburg.

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