Glasfaserausbau

Glasfaserausbau: Vom Hero zu Zero!

Nichts geht mehr ohne schnelles und zuverlässiges Internet. Und trotzdem ist Österreich, was den Glasfaserausbau angeht, Schlusslicht in Europa. Was ist da passiert? Und was kommt noch auf uns zu? Wir haben nachgefragt.

Wie mag es wohl den Menschen vor mehr als 100 Jahren während der Spanischen Grippe ergangen sein? Als Kindergärten, Schulen, Universitäten, Lokale und Vergnügungsstätten geschlossen und Kranke in Heimquarantäne geschickt wurden? Und das ohne Internet! Das heißt, es gab weder Homeschooling noch Homeoffice, kein Netflix und auch kein TikTok.

Die Älteren unter uns, denen Vierteltelefone oder der Wikipedia-Vorgänger Brockhaus noch ein Begriff sind, werden sich an die Zeit erinnern, als es das World Wide Web noch nicht gab. Aber auch nur vage. Denn das Internet hat die Art, wie wir kommunizieren, für immer verändert. Es hält uns zusammen, wenn wir auf Distanz gehen müssen, schafft Nähe, selbst wenn wir sehr weit weg sind. Trotzdem ist flächendeckendes und schnelles Breitband-Internet vor allem in Österreich noch immer keine Selbstverständlichkeit. Und gerade im Glasfaserausbau bilden wir im europäischen Vergleich das Schlusslicht.

Österreichischer Glasfaserpionier

Aber das war nicht immer so, erklärt uns Karl Bauer im Online-Interview. Er ist Chef der NBG-Holding in Gmünd und obendrein, das kann man ohne Übertreibung behaupten, Glasfaser-pionier in Österreich. Immerhin befasst er sich seit fast 40 Jahren mit diesem Thema. „Ich habe 1982 Glück im Unglück gehabt und bin damals in die verrufene Abteilung der Telekommunikation versetzt worden“, erzählöt er. Unglück deshalb, weil dort ein hierarchischer General das Sagen hatte. Glück deswegen, weil er bald wieder weg war. „In jenem Jahr bin ich zum ersten Mal mit der Glasfaser in Berührung gekommen, da die Königliche Post- und Telefongesellschaft der Niederlande (KPN) gefragt hat, ob wir eine unserer Verbindungsmuffen, die damals noch aus Kunststoff bestanden, für Glasfaser umbauen könnten. Und so war ich einer der ersten in Österreich, der sich mit Glasfaser beschäftigte.“

Glasfaserausbau
Karl Bauer ist heute Chef der NBG-Holding und war einer der Ersten, der sich in Österreich mit der Glasfaser befasste.Foto: NBG

14 Jahre später, im Jahr 1996, machte Karl Bauer sich selbstständig und gründete in Gmünd die NBG Holding, in der heute eine Reihe von Unternehmen zusammengefasst sind. Unter anderem produzieren sie Glasfaserrohlinge, stellen ein Halbfertigprodukt her (kleine Stahlröhrchen, die mit Fasern befüllt und in diverse Kabel eingebaut werden) oder beschäftigen sich mit Glasfasersensorik, aber dazu kommen wir später noch.

Von Platz 3 auf Platz 26 in 20 Jahren

Jedenfalls erinnert sich Karl Bauer daran, dass Österreich im Jahr 2000 unter den heutigen 27 EU-Mitgliedern noch Platz 3 im Breitbandausbau belegte. Diese gute Ausgangslage wurde uns aber auch zum Verhängnis. Denn danach ruhte man sich etwas zu lange auf den Lorbeeren aus. Die Menschen waren mit dem zufrieden, was sie bereits hatten, große Investoren standen auf der Bremse. Hinzu kommt, dass die Grabungsarbeiten, die für den Ausbau der Glasfasernetze nötig sind, mit hohen Kosten und viel Aufwand verbunden sind.

Wir haben jetzt ungefähr 2,5 % unserer Haushalte ausgebaut. Und ich schätze, dass wir ungefähr vier Millionen Haushalte haben. Wenn man, wie geplant, ab dem Jahr 2023 jährlich rund 250.000 weitere Haushalte anschließt, werden wir noch zehn bis 15 Jahre brauchen.

Karl Bauer, Chef der NBG Holding

Denn anders als in Ländern wie Dänemark oder den Niederlanden, wo man unter dem Pflaster hauptsächlich Sand vorfindet, erschweren in Österreich Steine, Schutt und eventuell explosive Kriegsrelikte die Arbeit. So kam es also, dass Österreich innerhalb der letzten 20 Jahre im Ranking, das das FTTH (Fibre To The Home) Council Europe jährlich veröffentlicht, europaweit auf den vorletzten Platz beim Glasfaserausbau abrutschte.

Das Waldviertel stand nicht auf der Leitung

Am anderen Ende der Liste stehen die Länder Schweden, Weißrussland und ganz oben Island. Doch wer Vorbilder sucht, muss gar nicht in die Ferne schweifen. Denn drei Dörfer im Waldviertel haben schon vor zehn Jahren vorgezeigt, wie es geht. „Da ist natürlich ein sehr starker Einfluss von uns gekommen, weil wir gesehen haben, dass diese Gemeinden begonnen haben, Kanalnetze usw. zu legen.

Die Glasfaser kann mehr übertragen, als wir uns zurzeit vorstellen können. Sie ist die Infrastruktur der Zukunft.

Karl Bauer, Chef der NBG Holding

Deshalb haben wir ihnen geraten, gleich Leerrohre mitzuverlegen, damit man später relativ rasch die Glasfaser einblasen kann. Sonst hätten sie ein paar Jahre später wieder die ganze Ortschaft aufgraben müssen“, erzählt Karl Bauer. Also legten sich die Gemeinden St. Martin, Großpertholtz und Großschönau mit Unterstützung von NBG ein modernes Glasfasernetz und wurden damit zum Vorreiter. Und das nicht nur in Österreich. „Ich kann mich noch gut erinnern, als der Bürgermeister von Großschönau vom FTTH Council Europe nach Barcelona eingeladen wurde. Dort durfte er dann als Bürgermeister eines kleinen Dorfs im Waldviertel vor 3.000 Menschen das erste FTTH-Netzwerk präsentieren.“

Glasfaserausbau
Eine Glasfaser in der Produktion. Um damit ganz Österreich versorgt ist, müssen wir aber noch warten. Foto: NBG

Superschnelles Internet für alle

Bis der Rest Österreichs nachzog, sollte es noch zehn Jahre dauern. Nun sei man aber auf dem richtigen Weg, gibt sich der Glasfaserexperte zuversichtlich. Dass bis zum Jahr 2030, so wie die Regierung es verspricht, ganz Österreich mit superschnellem Internet versorgt ist, glaubt er trotzdem nicht. „2035 ist realistischer. Wir haben jetzt ungefähr 2,5 % unserer Haushalte ausgebaut. Und ich schätze, dass wir ungefähr vier Millionen Haushalte haben. Wenn man, wie geplant, ab dem Jahr 2023 jährlich rund 250.000 weitere Haushalte anschließt, werden wir noch zehn bis 15 Jahre brauchen.“

Smart Parking statt Parkplatzfrust

Wer jedoch denkt, die Glasfaser könne nur Daten übertragen, tut ihr unrecht. „Die Glasfaser ist auch hypersensibel auf Einflüsse von außen, egal, ob Druck, Schwingung oder Vibration. Das kann man nutzen, wie einen Nerv in einem Körper, und damit jedes Gebäude, jeden Tunnel, jede Brücke sensitiv machen.“ So arbeitet NBG in Wien gerade an einem Pilotprojekt, bei dem Glasfasersensorik die Parkplatzsuche erleichtern soll. Dabei werden Sensoren unter dem Asphalt angebracht, die erkennen, ob der Parkplatz frei oder besetzt ist, ob hier ein Motorrad, ein PKW oder ein LKW steht. Diese Informationen werden dann an eine App weitergeleitet. „Ein großer Vorteil der Glasfaser ist, dass sie elektromagnetisch unverträglich ist, das heißt, die Sensoren werden nicht kaputt, wenn der Blitz einschlägt. Außerdem halten sie lange, sind sehr genau in der Übertragung und äußerst kosteneffizient.“

„Wir kitzeln die Glasfaser gerade mal an der Sohle“

Doch auch damit sind die Möglichkeiten der Glasfaser längst nicht ausgeschöpft. „Wenn man sich die Bandbreite ansieht, die wir gerade nutzen, dann wird die Glasfaser von uns gerade mal gekitzelt. Der ist fad, das ist wie eingeschlafene Füße“, lacht Karl Bauer und wagt eine Prognose für die Zukunft: „Wir reden hier von Megabyte, also Millionen von Bytes, die wir pro Sekunde übertragen. Das ist für uns schon viel. Dann kommen aber die Gigabyte, das sind schon wieder tausend Millionen Bytes. Und dann reden wir von Terabyte, von Petabyte, Exa- und Zettabyte. Es geht also um wahnsinnig viele Tausenderpotenzen. Die Glasfaser kann mehr übertragen, als wir uns zurzeit vorstellen können. Sie ist die Infrastruktur der Zukunft. Es geht nur um die Elektronikgeräte, die man hinten oder vorne draufsetzt. Die sind noch zu langsam. Aber die Faser selbst ist noch lange nicht erschöpft.“

Über die NBG

  • NBG ist eines der führenden Unternehmen, wenn es um kundenspezifische Glasfaserlösungen geht.
  • Gegründet wurde NBG 1996.
  • Das Unternehmen beschäftigt 260 MitarbeiterInnen.
  • Jedes Jahr werden von NBG mehr als 7 Millionen Kilometer Glasfaser verkauft und eingesetzt, das sind 1,5 % des Weltmarktbedarfs. Damit könnte man die Erde 180-mal umrunden.
Credits Artikelbild: NBG

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