Glasfasern

Glasfasern machen Gmünd zum Hotspot in Europa

Sie hat 55 Millionen Euro gekostet und wurde in Rekordzeit errichtet: Europas erste Produktionsanlage für Glasfaserrohlinge. Aber sie steht nicht etwa in Kopenhagen oder in Amsterdam, nein, auch nicht in Wien, sondern im beschaulichen Waldviertel. Seit dem 12. Juli ist sie in Vollbetrieb.

Eigentlich sei es egal gewesen, wo man baut. Arbeiten müsse man sowieso international. Ob man nun 1,5 Stunden länger zum Flughafen brauche oder nicht, sei da nicht relevant gewesen, erklärt Karl Bauer, geborener Gmünder und Chef der NBG Holding, zu der auch die NBG Fiber GmbH gehört. Das Werk, von dem hier die Rede ist, ist das modernste Glasfaserrohlingswerk der Welt und das einzige in ganz Europa. Der Ort, in dem es steht, ist Gmünd, zählt gerade mal 5238 Einwohner und Einwohnerinnen und liegt im idyllischen Waldviertel in Niederösterreich.

Superschnelles Internet dank Glasfasern aus Gmünd

Seit Kurzem wird also im Waldviertel eines der reinsten Gläser der Welt produziert. Gemeint sind Glasfaserrohkörper oder Preforms, wie sie auch genannt werden. Aus diesen in Gmünd hergestellten Preforms werden später jene Glasfasern gezogen, die uns superschnelles Internet ermöglichen. „Die Herstellung einer Preform, so sagt man, ist die Kunstform der Glasfaser. Alles andere sind Prozesse,“ verrät uns Karl Bauer im Online-Interview. „Da ist wirklich extremes Know-how gefragt und sehr viel Fingerspitzengefühl. In unserem Werk gibt es vier Millionen Sensoren, die zusammenspielen. Das alles zu konfigurieren, ist die wahre Kunst.“

Glasfasern Gmünd
Karl Bauer leitet die NBG-Holding und gilt als österreichischer Glasfaserpionier.Foto: NBG

Eine Halle in einer Halle

Eine Glasfaserpreform ist rund 80 Kilogramm schwer und etwa 15.000 Euro wert. Sie zu brennen, dauert mehrere Tage. Um den nötigen Reinheitsgrad zu erreichen, muss der Raum, in dem das geschieht, nahezu partikelfrei sein. „Wir haben eine Halle in einer Halle, das kann man sich wie eine russische Puppe vorstellen. Zwischen die Außen- und die Innenhalle kommt alles rein, was man schwer putzen kann, z. B. die Zuleitungen und Kabel. Die liegen dort, wo sie verstauben dürfen. Aber im kleineren Innenraum, wobei der mit 190.000 Kubikmetern nicht wirklich klein ist, muss einmal in der Stunde die komplette Luft getauscht werden. Und die Luft wird immer wieder durch Filter gejagt, von Grobfiltern zu Filterstoffen, und die werden immer feiner und feiner und feiner. Da dürfen kaum noch Miniminimoleküle drinnen sein. Von Staubteilchen reden wir hier gar nicht mehr. Sichtbarer Staub wäre für uns eine Riesenkatastrophe“, erklärt der Holding-Chef.

Bau in Rekordzeit

Seit dem 12. Juli läuft das Werk für Preforms, aus diesen später die für schnelles Internet benötigten Glasfasern gezogen werden, in Gmünd im Vierschichtbetrieb. Wäre Corona nicht gewesen, hätte man schon im Jänner damit beginnen können und wäre mit 50 statt mit 55 Millionen Euro ausgekommen. Trotz der widrigen Umstände konnte die Produktionsanlage aber in Rekordzeit aufgestellt werden. „Im April 2019 haben wir die Verträge unterschrieben. Die Halle war im März 2020 fertig, im April sind die Maschinen gekommen. Eine nach der anderen sind sie in 150 Sattelschlepperfuhren aus Finnland angeliefert worden. Denn sie sind zwar in Finnland in der ehemaligen Nokia-Faser-Maschinenfabrik hergestellt worden, aber die Firma, die das gemacht hat, ist unsere österreichische Partnerfirma Rosendahl Nextrom.“

In unserem Werk gibt es vier Millionen Sensoren, die zusammenspielen. Das alles zu konfigurieren, ist die wahre Kunst.

Karl Bauer, Chef der NBG Holding

Insgesamt hat der Bau etwas mehr als zwei Jahre gedauert. Damit sei man viel schneller gewesen als die meisten anderen Firmen, betont Karl Bauer: „Es gibt z. B. die Firma Somerton in Amerika, die hatte schon so ein Werk, und hat dieses einfach kopiert und daneben hingestellt. Mit den gleichen Maschinen und den gleichen Prozessen. Die haben vier Jahre gebraucht, um das Werk hochzufahren.“

Aus einer Idee wird ein Millionenbau

Aber wie kommt man überhaupt auf die Idee, solch eine große und kostenintensive Produktionsanlage aufzustellen? Auf dem Weltmarkt werden Glasfasern manchmal knapp, deshalb wollte man sich selbst versorgen können, so die Begründung. Und mit diesem Wunsch stand NBG nicht alleine da. „In Europa und im Mittleren Osten gibt es noch Familienbetriebe oder auch größere unabhängige Betriebe. Und die haben alle das gleiche Problem, und zwar, dass sie von den großen Konzernen abhängig sind und manchmal nicht beliefert werden. Entweder weil die Konzerne die Glasfasern selbst brauchen oder weil diese die kleineren Betriebe, wenn schon nicht vernichten, dann zumindest aushungern möchten, um sie später preisgünstig zu übernehmen. Und genau das wollten wir durchbrechen.“

Glasfasern Gmünd
Hier wird die Infrastruktur der Zukunft geschaffen: In Gmünd entstehen individuelle Glasfaserlösungen, aus denen später jene Glasfasern gezogen werden, die uns superschnelles Internet ermöglichen.Foto: NBG

Am Anfang steht die Preform

Anfangs gab es auch die Überlegung, erst im zweiten Schritt der Produktionskette einzusteigen und ein Faserziehwerk aufzustellen. „Dann hätten wir aber immer noch das Problem gehabt, dass wir jemanden brauchen, der uns die Preform liefert. Deshalb haben wir gesagt, es bleibt uns nichts anderes übrig, als mit den Preforms zu starten, also mit der Geburtsstunde der Glasfaser. Außerdem sind die Faserziehkapazitäten größer als die Preformkapazitäten. Das bedeutet, die Nachfrage nach Preforms ist immer groß.“

Aus jedem der hochreinen Glaskolben können mehr als 2.500 Kilometer Glasfasern gezogen werden. In Zukunft wird man so in der Lage sein, jährlich mehr als sieben Millionen Faserkilometer zu produzieren. Damit deckt man 1,5 % des Weltmarktbedarfs ab. Derzeit arbeitet NBG mit drei verschiedenen europäischen Partnerfirmen zusammen, die für sie die Glasfaser ziehen. Der erste Schritt ist somit getan, weitere sind nicht ausgeschlossen, verrät uns Karl Bauer: „Jetzt schauen wir, ob wir nicht auch noch Schritt zwei und drei machen und vielleicht später auch bei uns in Gmünd ein Faserziehwerk aufstellen können.“

Über NBG:

Die NBG Holding wurde 1996 in Gmünd gegründet und exportiert kundenspezifische Glasfaserlösungen in die ganze Welt. Heute sind in der NBG Holding eine Reihe von Unternehmen zusammengefasst. Sie produzieren nicht nur Preforms, sondern stellen unter anderem auch Fiber In Metal Tubes her (kleine Stahlröhrchen, die mit Fasern befüllt und in diverse Kabel eingebaut werden) oder beschäftigen sich mit Glasfasersensorik.

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