Energieanlage

Grünes Gas als Konjunkturbooster

Grünes Gas gilt als Hoffnungsträger, um die Klimawende zu schaffen. Es könnte in ausreichender Menge in Österreich für Österreich erzeugt werden. Tausende neue Arbeitsplätze inklusive.

„Das Energiewendeduo Erdgas und Grünes Gas stellt derzeit die einzige realistische Möglichkeit zur Erreichung der Klimaziele unter Wahrung der Versorgungssicherheit dar“, heißt es beim größten Energiespeicherunternehmen Österreichs, der RAG Austria. Mit Speicherkapazitäten von mehr als 6,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas betreibt die RAG rund sechs Prozent aller EU­-europäischen Gasspeicheranlagen.

Grünes Gas? Damit sind alle Formen von gasförmigen Energieträgern gemeint, die entweder CO2-frei, CO2-arm oder CO2-neutral gewonnen sowie genutzt werden können. Also: Wasserstoff aus Wasserelektrolyse, Methanelektrolyse und Biomethan.

Grünes Gas als Wegbereiter für Nachhaltigkeit

Zur Erinnerung: Im Rahmen der Klima- und Energiepolitik verfolgt die Europäische Union das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Zugleich soll sich der Anteil der erneuerbaren Energiequellen auf mindestens 32 Prozent erhöhen und die Energieeffizienz um mindestens 32,5 Prozent steigern. Voraussetzung dafür ist die Entwicklung neuer technologischer Verfahren.

Eine Studie des Economica-Instituts besagt jedenfalls, dass künftig ein Großteil des österreichischen Gasbedarfs aus heimischen erneuerbaren Quellen gedeckt werden kann. In komplexen Analysen fand man heraus, dass die notwendigen Rahmenbedingungen bereits vorhanden wären, um Erdgas bis 2050 komplett durch erneuerbare Gase wie Biomethan, Wasserstoff und synthetisches Methan zu ersetzen.

Gefragt: der Ausbau der Alternativen

So besteht bereits eine umfangreiche Infrastruktur für Gasspeicher, da Industrieunternehmen schon jetzt hauptsächlich auf (Erd-)Gas als Energieträger ausgerichtet sind. Essenziell für die Gewinnung von Wasserstoff und synthetischem Methan wäre aber der Ausbau von Windkraft und Photovoltaik. Denn die Verfügbarkeit von Elektrizität aus „grünen“ Quellen stellt im Moment den einzigen Faktor dar, der Probleme bereitet.

Windkraftanlage
Der Ausbau von Windkraftanlage ist eine der Voraussetzungen für die Produktion von Wasserstoff.Foto: adobe stock | Tarnero

Deshalb sind konventionelle Energieträger mittelfristig noch eine tragende Stütze der Versorgung. Einerseits um die allgemein steigende Nachfrage zu decken, andererseits um die Schwankungen bei alternativen Energie-„Lieferanten“ wie Wind und Sonne auszugleichen. „Erdgas kommt daher in Österreich, wie in zahlreichen anderen EU-Mitgliedsstaaten als Stütze für das bestehende Energiesystem nach wie vor eine entscheidende Rolle zu“, betont der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill. Erdgas zähle unter den fossilen Energieträgern zu den klimaschonendsten und sei für andere EU-Staaten eine sinnvolle Alternative zu Kohle, verteidigt er die aktuelle Entscheidung der EU, Gas als „grüne Energie“ zu deklarieren.

Mehr Grünes Gas, weniger Abhängigkeit

Laut Studie sind bedeutende Mengen an Wasserstoff nämlich frühestens ab 2030/2035 zu erwarten. Langfristig liegt das größte Potenzial jedenfalls bei alternativen Gas-Varianten. Damit ließe sich die Energieabhängigkeit von ausländischen Lieferanten verringern und gleichzeitig neue Wertschöpfung in Österreich schaffen. Denn durch die neue Technologie könnten tausende neue Arbeitsplätze entstehen.

Auch in punkto Einsatz von Grünem Gas geben die StudienautorInnen klare Empfehlungen. Sinnvoll sei es demnach, erneuerbares Gas zunächst primär im Raumwärmemarkt einzusetzen und sich dann erst auf den Verkehrssektor zu konzentrieren. Das wäre die volkswirtschaftlich kostengünstigste Form einer Dekarbonisierung.

Fettes Essen bremst Effizienz

Möglich wäre es jetzt schon, alle Haushalte des Landes mit ausreichend Biomethan direkt oder per Fernwärme zu „beliefern“. Die Biomasse dafür wäre vorhanden, zählen dazu doch auch Speisereste aus den privaten Biotonnen. Für eine höhere Energieeffizienz braucht es allerdings eine verbesserte Trenndisziplin. Denn ob fettreiche Speisen und andere Störfaktoren in die Tonne rutschen, macht in der Verarbeitung einen großen Unterschied. Ein weiterer Bremsklotz ist aktuell noch der Mangel an passenden Anlagen für die Verarbeitung der Biomasse.

Statistisch gesehen heizen wir im Winter immer weniger und kühlen dafür im Sommer immer mehr.

Economica-Institut

Die Studien des Economica-Instituts verweisen aber auch auf weitere Unsicherheitsfaktoren. Zum Beispiel die Akzeptanz weiterer Windkraftanlagen durch die Bevölkerung sowie der Mangel an ausgebildeten Fachkräften. Zudem sei zu berücksichtigen, dass sich durch den Klimawandel Bedarfsänderungen ergeben können. Statistisch gesehen heizen wir nämlich im Winter immer weniger und kühlen dafür im Sommer immer mehr mit Klimaanlagen. Auch die Leistung von Windkraft- und Photovoltaikanlagen ist dadurch nicht ganz vorhersehbar.

Fazit: „Zentrale Voraussetzung für einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ist die Verfügbarkeit alternativer Energien in ausreichender Menge, mit einer geeigneten Verteilung und zu ökonomisch, ökologisch und sozial verträglichen Bedingungen“, heißt es in der Studie. Zudem ist die Zielerreichung abhängig von der Zusammenarbeit und Interaktion aller StakeholderInnen. Denn geeignete Lösungswege und entsprechende energiepolitische Entscheidungen könne man nur durchsetzen, wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen.

Was ist „Grünes Gas“?

  • Grünes Gas ist der Sammelbegriff für CO₂-neutrale gasförmige Energieträger in Form von Biomethan und Wasserstoff. Ersteres entsteht durch die mikrobiologische Zersetzung (oder seltener) thermochemische Vergasung von Biomasse.
  • Es ist in jeder Hinsicht äquivalent zu fossilem Erdgas – sei es Transport, Speicherung oder Nutzung. Die Gewinnung von Wasserstoff erfolgt im Power-to-Gas-Verfahren (PtG) durch Elektrolyse von Wasser, welche mit elektrischer Energie aus z. B. Windkraft- oder Photovoltaikanlagen betrieben wird.
  • Wasserstoff lässt sich unter Nutzung von CO₂ zu Methan umwandeln. Dies geschieht in einem technischen Prozess (katalytische Methanisierung) oder mittels Mikroorganismen. Der in sonneneinstrahlungs- oder windintensiven Phasen generierte Energieüberschuss kann in Form von Wasserstoff oder Methan gespeichert werden und so die Energieversorgungssicherheit wetterunabhängig gewährleisten.
Credits Artikelbild: adobe stock | chokniti

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