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Grünes Kerosin: AUA-Flugzeuge fliegen mit Altspeiseöl

Die Luftfahrt muss deutlich grüner werden, fordert die EU. Nachhaltige Treibstoffe sollen dabei helfen. Die OMV und Austrian Airlines starten im kommenden Jahr mit synthetischem Kerosin.

Gerade noch zum Herausbraten von Schnitzel, Pommes oder Fisch verwendet, wird Speiseöl in Kürze als Treibstoff für Flugzeuge ein zweites Leben beschert. Möglich macht diese Wiederverwertung eine Anlage der OMV-Raffinerie in Schwechat. Sie liefert einen nachhaltigen Treibstoff aus unter anderem Altspeiseöl. Damit werden ab März kommenden Jahres Maschinen der Austrian Airlines (AUA) betankt.

„Nachhaltige Flugzeugtreibstoffe sind eine Schlüsseltechnologie für eine CO2-ärmere Luftfahrtindustrie“, verweist OMV-Generaldirektor Alfred Stern auf das Potenzial der SAF (Sustainable Aviation Fuels). Vorerst liefert die OMV 1.500 Tonnen SAF. Damit lassen sich 3.750 Tonnen CO2 einsparen. Hochgerechnet 333 Wien-London-Flügen mit einem typischen Kurz- bis Mittelstreckenflugzeug der AUA (Airbus A320). Das entspricht zwar nur einem kleinen Anteil der zuletzt vertankten knapp 194.000 Tonnen (vor Corona lag dieser Wert bei 781.000 Tonnen), aber es ist ein erster Schritt in Richtung „grünes Fliegen“.

Kerosin mit 80 Prozent weniger CO2

Bei der OMV verweist man auf einen weiteren Vorteil: Die gesamte Produktionskette ist so regional wie möglich gehalten, Transportwege sind auf ein Minimum verkürzt. Im Vergleich zu herkömmlichem Kerosin bewirkt SAF somit eine CO2-Reduktion von mehr als 80 Prozent über den gesamten Lebenszyklus. Für Lagerung und Betankung kann zudem die bestehende Infrastruktur genutzt werden. Der Treibstoff fließt also durch die direkte Pipeline-Verbindung zum Flughafen Schwechat zur Betankung der Austrian Airlines-Maschinen.

AUA-CEO
Alexis von Hoensbroech, CEO Austrian Airlines: „Wir wollen die von der EU geforderten Beimischungsmengen ab 2025 erfüllen und hoffentlich auch deutlich übererfüllen.“Foto: Austrian Airlines

„Wir sind stolz darauf, als erste österreichische Airline solche Treibstoffe im Routinebetrieb einzusetzen“, sagt Austrian Airlines-Chef Alexis von Hoensbroech. Die Luftfahrtindustrie insgesamt arbeitet intensiv daran, den Kerosinverbrauch und die CO2-Emissionen zu reduzieren. Muss sie auch. Denn die Vorgaben sind klar, die „Bedrohung“ real: Die Europäische Union erhöht im Hinblick auf ihre Klimaschutzziele nämlich auch den Druck auf die Fluggesellschaften.

Synthetisches Kerosin: Fünf Mal so teuer

So sollen schon ab 2025 zwei Prozent, ab 2030 fünf Prozent und ab 2050 dann 63 Prozent synthetisches Kerosin dem Flugzeugtreibstoff beigemengt werden. Parallel wird es ab 2023 eine Kerosinsteuer für innereuropäische Flüge geben.

„The pressure is on“, heißt es demnach für die Airlines. In Kooperation mit Chemiekonzernen treiben sie deshalb Pilotversuche zur Erzeugung des „grünen“ Kerosins voran. Der Vorteil der SAF liegt auf der Hand: Sie sind CO2-neutral. Ihr Nachteil: Der Herstellungsprozess ist vergleichsweise sehr teuer. Ein Liter des bei der OMV produzierten synthetischen Kerosins kostet vier- bis fünfmal so viel wie sein fossiler „Bruder“.

Mehrkosten: Passagiere sollen spenden 

Diese Mehrkosten finanzieren, hofft man bei der AUA, umweltbewusste Passagiere. Über die Plattform Compensaid können sie Flüge mit SAF unterstützen und so ihren Teil zu nachhaltigerem Luftverkehr beitragen. Das „Von der Pfanne in den Tank“-Konzept der OMV ist aber nur eine Variante.

OMV-CEO
Alfred Stern, Generaldirektor der OMV: „Nachhaltige Flugzeugtreibstoffe sind eine Schlüsseltechnologie für eine CO2-ärmere Luftfahrtindustrie.“Foto: OMV

Der AUA-Mutterkonzern Lufthansa ist in Deutschland in mehreren anderen SAF-Projekten involviert. In Werlte – westlich von Bremen, an der Grenze zu den Niederlanden – steht eine Anlage, die ebenfalls klimaneutrales synthetisches Kerosin produziert, indem sie strombasiert CO2 aus einer Biogas-Anlage und der Umgebungsluft verwertet.

Windkraft für Wasserstoff

Vereinfacht gesagt wird dabei Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten und Letzterer mit Kohlenstoffdioxid angereichert. Durch diesen Prozess wird so viel CO2 gebunden wie später vom Flugzeug wieder ausgestoßen wird. Damit sich die „grüne Bilanz“ ausgeht, muss die Energie aus erneuerbaren Quellen kommen. In Werlte stammt sie aus Windkraftanlagen.

In Bayern ist die OMV über ihre Konzerntochter zusammen an einem Konsortium mit unter anderem Siemens, Lufthansa und der Technischen Universität München beteiligt, das ebenfalls synthetisches Kerosin herstellen will. Geplant ist eine Power-to-Liquid-Anlage mit einer Jahreskapazität von zunächst 50.000 Tonnen Kerosin.

CO2-neutrale Lufthansa bis 2050  

Auch in diesem Fall bleiben es erste Schritte. Denn allein um das 2018 in Deutschland vertankte Flugbenzin durch synthetisches Kerosin zu ersetzen, wäre die gesamte deutsche Jahresproduktion an Windstrom nötig gewesen, hat Greenpeace errechnet. Die Lufthansa-Gruppe, zu der auch die Austrian Airlines gehören, bleibt aber optimistisch. Bis 2030 will man die Netto-CO2-Emissionen halbiert haben. Ab 2050 soll CO2-neutral gewirtschaftet werden. 

Zwar wird andernorts für Mittelstreckenflüge auch an batteriebetriebenen Flugzeugen oder speziellen, direkt mit Wasserstoff betriebenen Turbinen geforscht. Für Langstreckenflüge gelten synthetische Kraftstoffe aber als der einzig gangbare Weg zur Dekarbonisierung der Luftfahrt.

GUT ZU WISSEN

  • Die aktuell geltende Steuerbefreiung des Luftverkehrs geht auf das Chicagoer Abkommen von 1944 zurück, mit dem das damals junge Verkehrsmittel Flugzeug gefördert werden sollte.
  • Die EU plant jetzt eine Kerosinsteuer und eine verpflichtende Beimischung von synthetischen Treibstoffen bei innereuropäischen Flügen.
  • Die europäische Luftfahrtbranche sieht dadurch aber eine Wettbewerbsverzerrung und warnt vor einer indirekten Stärkung außereuropäischer Konkurrenz, die dank der entstehenden Kostenvorteile Passagiere etwa in die Türkei, Russland oder den Mittleren Osten umleiten könnte.
  • „Ein Kerosinsteueralleingang in Europa würde dazu führen, dass Airlines ihre Flugzeuge an jenen Standorten betanken, wo es keine derartige Steuer gibt“, kritisierte Vienna Airport-Vorstand Günther Ofner schon im Juli. Dieser Tanktourismus würde die Klimabelastung sogar verstärken und den CO2-Ausstoß nicht reduzieren.
Credits Artikelbild: AUA

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