Heidermarie Holzmann

Wie wirkt was? Die Corona-Impfstoffe im Überblick

Immer mehr Corona-Impfstoffe kommen auf den Markt. Aber: Was können sie? Wirken sie alle gleich? Wir haben bei Virologin Heidemarie Holzmann um Rat gefragt.

Letztes Jahr konnte es uns gar nicht schnell genug mit der Entwicklung der Corona-Schutzimpfung gehen. Der allgemeine Tenor war vorfreudig. Nun ist es so weit, gleich mehrere Impfstoffe meisterten die Zulassungshürde und sind bereits weltweit im Einsatz. Doch plötzlich macht sich Skepsis breit. Gibt es Unterschiede zwischen all diesen Anbietern? Und warum dürfen wir uns den Impfstoff nicht aussuchen und müssen nehmen, was uns angeboten wird? Wir haben die wichtigsten Eckpunkte mit Professorin Heidemarie Holzmann, Leiterin der Abteilung für Angewandte Medizinische Virologie an der Med-Uni Wien, besprochen.

Die wichtigsten Fakten im Überblick:

Bereits wenige Wochen nach der molekularen Beschreibung des Virus am 13. Jänner 2020 konnte mit der Entwicklung von Corona-Impfstoffen begonnen werden. Die Europäische Kommission hat am 21. Dezember dem ersten Impfstoff die Marktzulassung erteilt. Laut WHO befinden sich derzeit 61 weitere Impfstoffkandidaten in klinischer Entwicklung, einige von ihnen sind bereits in der für eine Zulassung bedeutsamen Phase 3 der Testung. Über 150 weitere Impfstoffprojekte laufen derzeit.

Heidemarie Holzmann
Der russische Corona-Impfstoff war der erste. Derzeit wird an 150 Impfstoffprojekten gearbeitet. Einige sind bereits zugelassen, ein paar weitere stehen kurz vor ihrer Zulassung.Foto: Adobe Stock

Wie wirken Impfungen, Frau Professor Heidemarie Holzmann?

Alle Impfstoffe basieren auf dem Prinzip, dass der Körper auf ein ihm fremdes Antigen reagiert und aktiv Antikörper produziert sowie spezifische Abwehrzellen, sogenannte T-Zellen, generiert. Darum spricht man auch von „aktiver Immunisierung“. Dazu werden unserem Immunsystem sogenannte Antigene (abgeschwächte oder abgetötete Erreger oder nur bestimmte Proteine eines Erregers) präsentiert, die als fremd erkannt werden. Daraufhin beginnt der Körper, eine Immunität gegenüber dem Erreger aufzubauen. Ein Prozess, der Impfreaktionen wie Rötungen und Schwellungen an der Impfstelle, eventuell Müdigkeit, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen oder Fieber hervorrufen kann. Diese treten gewöhnlich kurz nach der Impfung auf und verschwinden innerhalb weniger Tage.

Für eine Zulassung müssen die Impfstoffe genaue Kriterien in Bezug auf Sicherheit, Verträglichkeit, Immunogenität und Wirksamkeit erfüllen.

Professorin Heidemarie Holzmann

Derzeit sind sogenannte mRNA-Impfstoffe zugelassen, die nach Daten der großen Anwendungsstudien hoch wirksam sind und vor schweren COVID-Erkrankungen schützen. Auf die Daten der kurz vor der Zulassung stehenden Kandidaten wartet man gespannt.

Professorin Heidemarie Holzmann: „Geforscht wird derzeit auf allen Ebenen, und es gibt die unterschiedlichsten Impfstoffkonzepte und -plattformen. Hier gibt es zum Beispiel große  Unterschiede in der Herstellung. Je nach Impfstoffart ist diese unterschiedlich kompliziert, langwierig und kostenintensiv. Für eine Zulassung müssen die Impfstoffe genaue Kriterien in Bezug auf Sicherheit, Verträglichkeit, Immunogenität und Wirksamkeit erfüllen. Wie lange die Immunität anhält, kann erst in den Langzeit- und Anwendungsstudien gezeigt werden.“

Wie sieht es mit den Langzeitfolgen bei mRNA-Impfstoffen aus? Molekularbiologe Martin Moder klärt sachlich auf.

So funktionieren die beiden Impfstoffarten, die derzeit am häufigsten zum Einsatz kommen:

mRNA-Impfstoffe: Zu ihnen gehören die beiden derzeit in der EU zugelassenen Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna. Sie können schnell in großen Mengen hergestellt werden. Bei dieser Form wird dem Körper eine Art „Bauanleitung“ für das virale Spikeprotein (sitzt an der Virusoberfläche) in Form einer Boten-RNA verabreicht, mit dem die eigenen Körperzellen Virus-Antigene selbst erzeugen können. Die werden dem Immunsystem präsentiert und als fremd erkannt. Dadurch kann eine Abwehr und somit ein Impfschutz aufgebaut werden. Taucht dann nämlich das echte Coronavirus auf, ist das Abwehrsystem vorbereitet und kann schwere Krankheitsverläufe verhindern.

mRNA-Impfstoffe gehören zu den genbasierten Impfstoffen. Sie können durch ihren Aufbau das Erbgut eines Menschen aber nicht umschreiben, wie es fälschlicherweise oft angenommen wird. Die Boten- oder mRNA gelangt nicht in den Zellkern, wird also nicht in eine DNA umgeschrieben. Sie wird auch nicht in die menschliche Erbinformation (DNA) eingebaut. Das passiert zudem auch nicht bei einer Infektion mit dem SARS-Coronavirus-2 selbst, bei dessen Vermehrung in der Zelle zigtausende mRNAs hergestellt werden, um neue Viruspartikel entstehen zu lassen.

Martin Moder beweist, dass mRNA-Impfstoffe gar nicht in die DNA eines Menschen eindringen können.

Vektorimpfstoffe: Diese Impfstoffe funktionieren ähnlich wie mRNA-Impfstoffe. Ein für Menschen harmloses Virus fungiert hierbei als Transportmittel für die Übertragung der genetischen Information des viralen Spikeproteins in die Zelle – in dem Fall ein abgeschwächtes Schnupfenvirus (= Adenovirus). Bei dem kurz vor der Zulassung stehenden Impfstoff von AstraZeneca ist es beispielsweise eines, das sonst nur bei Schimpansen vorkommt. In der Zelle wird dann ein Prozess in Gang gesetzt, an dessen Ende die Zellen selbst wieder die Antigene (in diesem Fall das Spikeprotein) erzeugen können. Das wiederum veranlasst das Immunsystem zu einer Abwehrreaktion.

Welche Anbieter gibt es derzeit?

Die Anzahl der zugelassenen Impfstoffe wird in den kommenden Monaten rasant wachsen. Derzeit sind drei Impfstoffe von Pharmaunternehmen in der EU zugelassen: jener des deutsch-US-amerikanischen Teams von BioNTech/Pfizer sowie der des US-Konzerns Moderna und seit gerade eben auch jener von AstraZeneca.

Heidemarie Holzmann
Das so genannte Spikeprotein, also diese kleine Zapfen an der Virusoberfläche, spielen bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen eine zentrale Rolle.Foto: Adobe Stock

Comirnaty von BioNTech/Pfizer:

Dieser mRNA-Impfstoffs wird derzeit in Österreich geimpft. Das Mainzer Pharmaunternehmen BioNTech und US-Partner Pfizer erhielten die erste Zulassung weltweit. Zwei Impfdosen im Abstand von 21 Tagen sind für die volle Wirkung notwendig. Schwierig ist hierbei die Verteilung und Verabreichung: Das Präparat muss bei minus 70 Grad Celsius versendet und gelagert werden; bei normalen Kühlschranktemperaturen ist es fünf Tage lang haltbar.

mRNA-1273 von Moderna:

Die Europäische Kommission hat auch den Moderna-Impfstoff für die EU zugelassen. Es handelt sich ebenfalls um einen mRNA-Impfstoff. Nach Angaben des Herstellers soll er mindestens ein Jahr lang wirken. Anders als der Wirkstoff von BioNTech muss er nicht so stark gekühlt werden. Moderna erwartet, dass er bei normalen Kühlschranktemperaturen 30 Tage lang stabil ist. Es sind ebenfalls für jeden zwei Dosen nötig, diesmal im Abstand von 4 Wochen.

AZD1222 von AstraZeneca:

Auf die endgültigen Daten, die zur EU-Zulassung dieses Impfstoffs führten, musste man etwas länger warten. Der Vektor-Impfstoff des britisch-schwedischen Konzerns arbeitet mit dem Schimpansen-Adenovirus, der für uns Menschen nicht krankmachend ist. Der große Vorteil daran ist, dass der Impfstoff den Angaben zufolge bei Kühlschranktemperaturen von zwei bis acht Grad aufbewahrt werden kann.

Johnson & Johnson:

Der US-Konzern könnte schon bald als vierter Hersteller einen Antrag auf Zulassung seines Corona-Impfstoffes in der EU stellen. Auch hier handelt es sich um einen (humanen) adenovektorbasierten Impfstoff. Sein großer Vorteil könnte aber sein, dass nur eine Dosis für einen umfassenden Schutz ausreicht und er leichter zu lagern und zu transportieren ist.

Sputnik V:

Ein kleiner Ausreißer ist der russische Impfstoff Sputnik V: Er wurde vom Gamaleja-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau entwickelt. Der Impfstoff arbeitet mit zwei verschiedenen abgeschwächten humanen Adenoviren. Der Wirkstoff war Mitte August als weltweit erster in Russland erhältlich, allerdings noch vor dem Einleiten der für Vakzine obligatorischen und entscheidenden dritten Studienphase mit sehr vielen ProbandInnen. Inzwischen sollen laut Regierungsangaben 1,5 Millionen RussInnen ohne große Nebenwirkungen damit geimpft worden sein. ExpertInnen bemängeln hier derzeit nicht nur die verfrühten Impfdurchführungen, sondern auch das Fehlen wichtiger Daten.

Sollte man warten, bis man sich einen der Impfstoffe aussuchen kann?

Man kann sich als PatientIn den Impfstoff nicht aussuchen, zumindest noch nicht. Im Moment hängt dies noch von der Verfügbarkeit und der Beschaffenheit der Impfstoffe ab.

Professorin Heidemarie Holzmann: „Weltweit arbeitet man mit Hochdruck daran, also werden im Laufe des Jahres immer mehr Impfstoffe die Zulassung erlangen. Der Impfstoff ist die einzige Waffe, die wir im Kampf gegen die Pandemie haben. Im Moment haben wir allerdings einen Engpass, deshalb werden jene als erstes geimpft, die das größte Erkrankungsrisiko haben. Von den mRNA-Impfstoffen wissen wir, dass sie sehr gut vor der Erkrankung selbst schützen. Einzig, wie gut sie vor der Übertragung schützen, da fehlen noch genaue Daten. Deshalb eignet sie sich am besten für jenes Kollektiv, das die schwersten Krankheitsverläufe hat.“

Der Impfstoff ist die einzige Waffe, die wir im Kampf gegen die Pandemie haben. Im Moment haben wir allerdings einen Engpass, deshalb werden jene als erstes geimpft, die das größte Erkrankungsrisiko haben.

Professorin Heidemarie Holzmann

Es ist im Moment also so, dass man nehmen muss, was man bekommt – und das weckt in vielen Menschen Skepsis. Laut Professorin Heidemarie Holzmann ist diese aber unbegründet: „Die Impfstoffe, die jetzt am Markt sind, sind wirksam, sicher und vertrauenswürdig. Die Daten der sehr großen Phase III-Zulassungstudien mit über 30.000 bzw. 40.000 ProbandInnen sehen sehr gut aus, nur so haben sie nach genauer Prüfung durch die EMA (Europäische Zulassungsbehörde) eine Zulassung erhalten. Hier wurden keine Kompromisse gemacht.“

Dürfen zwei verschiedene Impfstoffarten verabreicht werden?

Da es aktuell keinerlei Erfahrungen zur Immunisierung mit verschiedenen Impfstoffen gibt, wird davon abgeraten, Impfstoffe von verschiedenen Herstellern für die 1. oder 2. Teilimpfung zu verwenden. Beginnt man beispielsweise im Frühjahr mit dem BioNTech/Pfizer-Wirkstoff, sollte die zweite Dosis ebenfalls von diesem Hersteller kommen.

Heidemarie Holzmann
Der Impfstoff von BioNtech/Pfizer war der erste, der zugelassen wurde. Er besteht aus zwei Teilimpfungen.Foto: Adobe Stock | Tobias Arhelger

ExpertInnen gehen aktuell davon aus, dass die Impfung mit großer Wahrscheinlichkeit nicht lebenslang schützen wird und daher immer wieder aufgefrischt werden muss. Von einem Impfschutz für zumindest sechs bis acht Monate kann momentan aber ausgegangen werden. Zum Glück laufen die großen Studien weiter und sind somit immer mindestens sechs Monate voraus.

Soll ich mit der Impfung noch warten?

Mit der Impfung zu warten, nur um sich dann einen der Impfstoffe aussuchen zu können, hält Expertin Heidemarie Holzmann für gefährlich: „Mit der Zeit werden hoffentlich mehrere Impfstoffe am Markt sein, aus denen man wählen kann. Es kann sein, dass manche Impfstoffe für bestimmte Alters- oder Risikogruppen besonders empfohlen werden. Die derzeitigen Impfstoffe schützen vor allem vor einem schweren Verlauf der Infektion, daher werden die besonders gefährdeten Personengruppen (z. B. alte Menschen) geimpft. Sollte ein Impfstoff besonders gut die Virusübertragung verhindern, dann müsste man vor allem die jungen Menschen impfen. Derzeit hat man keine Wahlmöglichkeit. Das heißt aber nicht, dass man sich vor den jetzigen Impfstoffen fürchten muss. Es gibt keinen Grund, sich jetzt nicht impfen zu lassen, es ist die einzige Waffe, die wir haben. Die andere Möglichkeit ist einfach die, Corona zu bekommen – und das ist um vieles riskanter.“

Weiter Informationen:

Gezielte Infos und Antworten auf alle Fragen sowie zum Thema Voranmeldung findest du außerdem unter den folgenden Links:

Credits Artikelbild: Symbolbild: Adobe Stock |

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