Heidi Adelwoehrer

Heidi Adelwöhrer: „Ich wollte es als Frau an die Unternehmensspitze schaffen“

Heidi Adelwöhrer hat es nicht nur in die Geschäftsführung des renommierten Büromöbelherstellers Neudoerfler geschafft, sondern auch an die Spitze der Industriellenvereinigung Burgenland. Damit ist sie die erste Frau in dieser Funktion.

Wie können Büros der Zukunft aussehen? Wie soll die Politik mit dem Fachkräftemangel umgehen – und wie die Untenehmer:innen des Landes? Im Interview liefert Managerin und IV-Burgenland-Chefin Heidi Adelwöhrer darauf Antworten. Und gibt spannende Einblicke in ihren ganz persönlichen Werdegang. Warum hat sie etwa vor ihrem Wirtschaftsstudium eine HTL für Chemie besucht?

Fangen wir ganz am Anfang an, bei Ihrer Kindheit. Welche Berufswünsche hatten Sie damals?

Heidi Adelwöhrer: An spezifische Berufswünsche kann ich mich nicht erinnern, aber es hat sich früh gezeigt, dass ich sehr offen und kommunikationsfähig bin. Als Jugendliche habe ich dann die Idee entwickelt, in die Wirtschaft zu gehen und eine Unternehmensführung anzustreben. Ich wollte es als Frau an die Unternehmensspitze schaffen.

Sie haben dann aber eine HTL für Chemie in Wien besucht. Wie ist es dazu gekommen?

Heidi Adelwöhrer: Mein Vater war Doktor der Chemie, und ich hab’ auch eine ältere Schwester, die sich sehr für Wissenschaft interessiert hat. Deshalb sind bei uns zu Hause viele Bücher herumgelegen, und Wissenschaft, speziell Chemie, war immer ein Thema bei uns. Meine Schwester ist dann in die HTL für Chemie in der Rosensteingasse in Wien gegangen, und als sich zwei Jahre später bei mir die Frage gestellt hat, was ich weitermachen soll, hat es geheißen, dass ich sehr kommunikativ und nicht so der wissenschaftliche Typ sei. Ich habe das damals so aufgefasst, dass man es mir nicht zutrauen würde. Und aus dieser Motivation heraus habe ich mir gedacht: „Jetzt erst recht, warum soll ich das nicht schaffen?“ und habe ebenfalls die HTL für Chemie besucht und mit Matura erfolgreich abgeschlossen.

Heidi Adelwöhrer
Managerin und IV-Burgenland-Chefin Heidi Adelwöhrer gibt Einblicke in ihren ganz persönlichen Werdegang.Foto: Karin Hackl Photography

Und wie ist es Ihnen dort gegangen?

Heidi Adelwöhrer: Es hat mir gutgetan, weil es um sehr komplexe Inhalte gegangen ist. Auch wenn diese nicht ganz meinem Talent und meinen Interessen entsprochen haben, habe ich mich durchgekämpft. Davon profitiere ich noch heute. Denn wenn jemand zu mir kommt, um komplexe, technische Themen zu besprechen, wie beispielsweise etwas aus dem Bereich der Kunststoffindustrie, wo viele schon von vornherein den Rollbalken zumachen, sage ich: „Erzählen Sie mir, worum es geht, wir werden eine Lösung finden.“ Dieser Zugang zur Technik ist etwas, das enorm wichtig ist und mich weiterbringt.

Was waren die wichtigsten Stationen Ihrer Karriere?

Heidi Adelwöhrer: Für mich war schnell klar, dass ich nach der HTL an die Wirtschaftsuniversität gehen möchte, weil ich gedacht habe, dass das eine gute Kombination ist. Das war dann auch wirklich meins und ist mir recht leichtgefallen. Was mich auch geprägt hat, war, dass ich nach ein paar Jahren im Berufsleben eine Coaching-Ausbildung gemacht habe, quasi als Gegenpol zu dem technischen, wirtschaftlichen und von Zahlen getriebenen Fokus, der meine Arbeit bestimmt hat. In der Coaching-Ausbildung habe ich mich mit Soft Skills auseinandergesetzt und gelernt, warum manche Dinge so laufen, wie sie laufen. Das hat mir die Augen und auch viele Türen geöffnet.

Und aus dieser Motivation heraus habe ich mir gedacht: „Jetzt erst recht, warum soll ich das nicht schaffen?“

Heidi Adelwöhrer

Wie entscheiden Sie, welchen beruflichen Schritt Sie als nächstes setzen werden? 

Heidi Adelwöhrer: Ich frage mich, ob es dem Sinn zuträglich ist oder nicht. Also ob es mir hilft, an die Spitze zu kommen. Während meines Studiums haben zum Beispiel fast alle WU-Student:innen von einem Unilever-Traineeprogramm gesprochen und geträumt. Deshalb habe ich mich auch dort beworben und bin tatsächlich aufgenommen worden. Das war der erste Schritt. Nach zwei Jahren als Trainee habe ich meine ersten Managementerfahrungen gesammelt. Ein weiterer wichtiger Schritt war, dass ich nach St. Gallen in der Schweiz gegangen bin, wo ich in der Beratung tätig war. Ich habe dort täglich mit neuen Menschen und Themen zu tun gehabt, was ich als positiv empfunden habe. Was mich aber gestört hat, war, dass es in der Beratung bei der Empfehlung für den Kunden aufhört. Man ist selten bei der Umsetzung der empfohlenen Schritte dabei – und schon gar nicht, wenn die Auswirkungen spürbar sind. Ich aber möchte Dinge auf die Straße bringen und sehen, ob meine Entscheidungen gewirkt haben. Daher wollte ich zurück in die Wirtschaft und war dann eine Zeit lang im mittleren Management tätig, bis der Ruf in die Geschäftsführung gekommen ist. Es hat sich einfach immer gut ergeben, ich musste mich selten kalt bewerben. Und ich habe einfach gespürt, wo ich hinmuss, um mein Ziel zu erreichen.

Gab es Phasen, in denen Sie daran gezweifelt haben, ob Sie dieses Ziel erreichen werden?

Heidi Adelwöhrer: Ich habe zwei Kinder, sie sind jetzt 13 und 17 Jahre alt. Als sie noch klein waren, habe ich ganz bewusst zurückgesteckt. Da war es auch nicht so klar, ob ich es wirklich bis an die Spitze schaffen werde. Denn wenn man in Teilzeit arbeitet, ist man schon in so einer Schiene drinnen und muss sich fragen, wo die Prioritäten liegen. Man hat sozusagen zwei Hüte gleichzeitig auf. Deshalb lehnte ich in dieser Phase der Familie zuliebe viele interessante Angebote ab. Mir war aber auch klar, dass ich noch einmal richtig durchstarten möchte, und das habe ich auch in mein Netzwerk getragen. Dafür braucht man die volle Unterstützung des Partners, muss gut organisiert sein und sich auch wirklich bewusst dafür entscheiden, dass man das machen und sich voll reinknien möchte. Spaziergang ist das keiner.

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Das Unternehmen Neudoerfler umfasst heute ca. 300 MitarbeiterInnen in der 18.000 m2 großen Produktion.Foto: Neudoerfler/Paul Bauer
Seit 2018 ist Heidi Adelwöhrer als Geschäftsführerin von Neudoerfler Büromöbel.Foto: Neudoerfler/Daniel Gebhart de Koekkoek

Seit 2018 sind Sie Geschäftsführerin von Neudoerfler Büromöbel. Worauf wird es in Zukunft bei der Büroausstattung ankommen?

Heidi Adelwöhrer: Seit ich angefangen habe, hat sich wahnsinnig viel getan. Da gibt es ein paar Schlagworte wie New Work, das in den letzten Jahren langsam begonnen und mit Corona rasant an Fahrt aufgenommen hat. Homeoffice ist mittlerweile zum fixen Bestandteil des Arbeitslebens geworden, und dadurch hat sich auch die Rolle des Büros verändert. Es ist heute der Ort, wo Leute zusammenkommen, sich treffen, wo die Unternehmenskultur gemeinsam gelebt wird und wo kreative Ideen entstehen. Es braucht Kollaborationsbereiche wie Kaffeeküchen, Kantinen, Event- und Fitnessräume oder gemeinsam genutzte Arbeitsbereiche, während man im Homeoffice E-Mails liest, Präsentationen vorbereitet, Berichte schreibt usw. Auch Shared Desk ist ein Thema, also dass man keinen fixen Arbeitsplatz hat. Das kann eine gute Lösung sein, wenn man etwa an einem Projekt arbeitet und sich mit dem Team trifft und dann wieder in Ruhe etwas ausarbeitet und sich dafür wo anders hinsetzt. Und es gibt natürlich auch die Office in Office-Lösung, die man auf vielen Messen sieht, wo man sich unter anderem für Telefonate oder Web-Calls zurückziehen kann. 

Neudoerfler stattet auch Schulen aus. Was kommt da noch auf uns zu?

Heidi Adelwöhrer: Wir haben zum Beispiel die Wirtschaftsuniversität in Wien mit 16.000 Möbelstücken ausgestattet, das ist aber schon zehn Jahre her. Jetzt wollen wir uns wieder mehr auf Schulen fokussieren und haben schon erste Aktivitäten gesetzt. Tatsache ist, dass die Schule sich verändern wird. Wir sind gerade dabei zu erforschen, wo die Reise hingeht und wie Schulen in zehn Jahren aussehen werden. Ich persönlich denke, dass es weg vom Frontalunterricht gehen wird und dass man Inhalte mehr in Gruppen erarbeiten und flexibler sein wird. Aber da kann ich Ihnen beim nächsten Interview sicher mehr erzählen.

Heidi Adelwöhrer hat die HTL für Chemie besucht und mit Matura erfolgreich abgeschlossen. Der Umgang mit komplexen Inhalten hilft ihr heute enorm, Lösungen für technische Themen zu finden.Foto: Karin Hackl Photography

Sie sind die erste Präsidentin innerhalb der Industriellenvereinigung und haben dieses Amt in einer von Krisen gebeutelten Zeit übernommen. Wie schwer oder leicht ist Ihnen diese Entscheidung gefallen?

Heidi Adelwöhrer: Ich war davor Vizepräsidentin und recht überrascht, als man mich gefragt hat, ob ich Präsidentin werden will. Aber ich habe mir gedacht, dass Neudoerfler als renommierter Büromöbelhersteller ein Leitbetrieb im Burgenland ist und der Industriestandort Burgenland eine starke Stimme braucht. Deshalb habe ich gesagt: „Ja, ich mach’ das und übernehme als erste Frau diese Funktion.“

Ein großes Problem sind derzeit die explodierenden Energiepreise. Wie versucht man bei Neudoerfler Energie einzusparen?

Heidi Adelwöhrer: Die Energiepreise belasten uns sehr. Sie waren im Jahr 2022 doppelt so hoch wie 2021, das ist schon dramatisch. Bei Neudoerfler setzen wir seit vielen Jahren kleine und große Maßnahmen im Bereich der Nachhaltigkeit. Wir fertigen beispielsweise nur in Neudörfl, um kurze Transportwege zu gewährleisten. Wir heizen auch nicht mit Gas, sondern mit den Sägespäneresten aus der Produktion. Und wir bauen gerade eine Photovoltaikanlage. Fast alle Dächer werden mit Solarpaneelen bestückt. Wir überlegen auch, ob wir nicht den Parkplatz überdachen und dort ebenfalls Solarpaneele anbringen sollen. 

Welche Schritte kann die Politik setzen, um leistbare Energie sicherzustellen?

Heidi Adelwöhrer: Der Industrie hilft natürlich der Energiekostenzuschuss 2. Das davor war tatsächlich eine Katastrophe und hat zu einer Schieflage mit unserem Nachbarn Deutschland und einem Wettbewerbsnachteil gegenüber diesem wichtigen Handelspartner geführt. Der EKZ 2 ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Denn das Burgenland hat im Bereich Erneuerbare Energien mittlerweile eine Vorreiterrolle eingenommen, allerdings stolpern wir im Ausbau teilweise über fehlende leistungsstarke Leitungen. Die Genehmigungsverfahren dauern wahnsinnig lang und es mangelt an Fach- und Arbeitskräften. Deshalb fordern wir, hier Akzente und entsprechende Maßnahmen zu setzen.

Energiekostenzuschuss 2:

Die Bundesregierung hat am 22. Dezember 2022 den Energiekostenzuschuss 2 (kurz EKZ 2) für Unternehmen und Betriebe präsentiert. Dieser gilt von 1. Jänner 2023 bis 31. Dezember 2023. Mit dem Energiekostenzuschuss 2 werden österreichische Unternehmen in fünf Stufen gefördert. Pro Unternehmen können für 2023 Zuschüsse von 3.000 Euro bis 150 Millionen Euro ausbezahlt werden.

Welche Maßnahmen kann die Politik setzen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen?

Heidi Adelwöhrer: Die Bevölkerungsentwicklung in Europa, und das betrifft natürlich auch Österreich, spielt uns ja nicht gerade in die Karten. Sie lässt den Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung schrumpfen, und daher wird der Anteil jener, die Steuern zahlen und unser System am Laufen halten, kleiner. Hier muss es zu einem Umdenken kommen. Denn die Arbeitswelten werden sich ändern, sie werden flexibler werden, das Pensionsalter wird sich nach hinten verschieben. Daher muss man aus meiner Sicht Maßnahmen setzen, um es für Personen, die länger arbeiten wollen, attraktiv zu gestalten. Dann müssen wir das Potenzial der Frauen nutzen. Dafür braucht es eine qualitätsvolle Kinderbetreuung und Anreize, damit Frauen vermehrt in Vollzeit gehen können. Und zwar in gutbezahlte Jobs, auch auf Führungsebene. Zuwanderung ist ebenfalls ein Thema. Wenn ich in Österreich keine Arbeitskräfte finde, muss ich auf einen Pool an ausländischen Kräften zugreifen können. Zuwanderung sollte daher rasch, gezielt und qualifiziert stattfinden. Das sind einige unserer Forderungen, und dafür muss die Politik die Rahmenbedingungen schaffen.

Ich denke, dass man einiges machen kann, um als Arbeitgeber:in attraktiv zu sein. Dazu zählt meiner Meinung nach neben attraktiven Karriere- und Weiterentwicklungschancen, guter Bezahlung und immer mehr flexiblen Arbeitszeiten auch eine schöne Büroumgebung.

Heidi Adelwöhrer

Was können Unternehmen Ihrer Meinung nach tun, um Fachkräfte zu finden?

Heidi Adelwöhrer: Ich denke, dass man einiges machen kann, um als Arbeitgeber:in attraktiv zu sein. Über Employer Branding spricht heute ja eh schon jede:r. Dazu zählt meiner Meinung nach neben attraktiven Karriere- und Weiterentwicklungschancen, guter Bezahlung und immer mehr flexiblen Arbeitszeiten auch eine schöne Büroumgebung. Wichtig ist auch ein gutes Betriebsklima. Wenn man ein Büro betritt, in dem man sich wohlfühlt, wo die Mitarbeiter:innen per du sind, freundlich miteinander umgehen und der Schmäh rennt, spricht das Kandidat:innen an. Darüber hinaus ist es wichtig, Gesundheitsprogramme anzubieten, Events zu organisieren und den Mitarbeiter:innen Perspektiven zu geben. Wir haben zum Beispiel einen Produktionsleiter, der Karriere mit Lehre gemacht hat, also zuerst die Lehre, dann Matura und dann das Studium. Innerhalb des Unternehmens hat er mehrere Stationen durchlaufen, und heute ist er, wie gesagt, Produktionsleiter und für mehr als 100 Mitarbeiter:innen zuständig.

Gibt es etwas, was Sie noch lernen, erreichen oder verbessern möchten?

Heidi Adelwöhrer: Ich bin ein Fan von lebenslangem Lernen und denke, dass man – egal, wie alt man ist – auf keinen Fall aufhören darf, sich weiterzuentwickeln. Was ich noch lernen möchte, ist, die gesteckten Ziele mit einer gewissen Gelassenheit zu erreichen und zwischendurch auch mal innezuhalten, um mich zu fragen, wie es mir geht, statt von einem Ziel zum nächsten zu hetzen.

Und was würden Sie Ihrem jüngeren Ich mitgeben?

Heidi Adelwöhrer: Ich habe viel gearbeitet und aus meiner Sicht weniger in die Selbstvermarktung investiert. Aber es ist wichtig, sich zu zeigen, natürlich in Kombination mit der richtigen Portion an Einsatz. Denn was bringt’s, wenn man gut ist, aber niemand weiß es? Das war für mich ein wichtiges Learning. 

Lichtblick

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