Hermann Fleischlos

Wie Hermann Fleischlos den Veggie-Markt umkrempelt

Die fleischlosen Produkte der Leberkäs-Experten Hermann und Thomas Neuburger stießen anfangs auf Ablehnung. Heute gehört ihre Marke Hermann Fleischlos zu den erfolgreichsten am Markt.

Dass Massentierhaltung und täglicher Fleischkonsum Mitschuld am Klimawandel tragen, wurde medial bereits zur Genüge besprochen. Auf das Schnitzerl verzichten und stattdessen den Kohlrabi panieren, das fällt der Mehrheit allerdings immer noch schwer. Vielen graust es auch vorm Fleischersatz Nummer eins, dem Tofu. Zu trocken, zu weich, zu geschmacklos.

Die Frage ist: Kann man Fleisch überhaupt ersetzen, ohne dass dabei der Genuss zu kurz kommt? Hier betreten Hermann und Thomas Neuburger die Bühne. Ein Familienname, der wahrscheinlich vielen ein Begriff ist. Das Unternehmen steht für feinsten Leberkäse – pardon, Neuburger. Denn zum Neuburger darf man bekanntermaßen niemals Leberkäse sagen.

Der Claim „Sagen Sie niemals Leberkäse zu ihm!“ wurde unter anderem durch Spots wie diesen legendär.

Am Fleischmarkt ist das Familienunternehmen also bereits bestens etabliert. Immerhin ist dieser Sager – „Sagen Sie niemals Leberkäse zu ihm!“ – ein kultiger Slogan, den man kennt. Jetzt sind es ausgerechnet die Neuburgers, die sich mit dem Projekt Hermann Fleischlos als erste in der heimischen Fleischersatzindustrie etablierten.

Mit Hermann Fleischlos die Seiten gewechselt

Die Idee dazu kam Hermann Neuburger bereits vor vielen Jahren. Als gelernter Fleischhauer, der den familiären Betrieb übernahm, beobachtete er die Entwicklungen im Umgang mit Tieren mit wachsender Besorgnis. „Da ich leider feststellen musste, dass sich die Fleischindustrie nicht umdrehen lässt, beschloss ich, auf die andere Seite zu wechseln und vegetarische Produkte in Bio-Qualität zu produzieren.“ Nach unzähligen Experimenten brachte er gemeinsam mit Sohn Thomas die Brand Hermann Fleischlos, den österreichischen Vorreiter am Veggie-Markt, heraus. Die Basis dafür: Reis, Pflanzenöl, Hühnerei-Eiweiß, Gewürze und Kräuterseitlinge.

Zahlen und Fakten

Seitdem sprechen die Zahlen für sich: Seit der Markteinführung im Jahr 2016 hat das Vater-Sohn-Duo den Standort in Ulrichsberg um 40 Millionen Euro ausgebaut und 36 Pilzzuchthallen für die vegetarische Produktlinie errichtet. Damit sind die beiden der größte Pilzverarbeiter Österreichs. Das Substrat, aus dem die Seitlinge wachsen, wird nun auch selbst erzeugt. Das Vertical-Farming-Prinzip spart viel Anbaufläche und ist dabei höchst produktiv: bis zu zwei Tonnen Kräuterseitlinge werden pro Tag per Hand geerntet. Seit der Markteinführung hat sich der Umsatz vervielfacht.

Verzicht auf Fleisch: Ein emotionsgeladenes Thema

Spätestens wenn sich jemand im Kreise einer Familienfeier als vegetarisch oder vegan outet, wird klar, dass der Verzicht auf Fleisch ein emotional extrem aufgeladenes Thema darstellt. Schnell teilt sich die familiäre Gesellschaft in zwei Lager, die sich gegenseitig mit Grundsatzfragen bombardieren. Die Heftigkeit dieser Reaktion erstaunte auch Hermann Neuburger: „Ziemlich naiv dachten wir, dass Hermann Fleischlos den Leuten Freude machen wird. In Wirklichkeit waren wir gar nicht so willkommen. Mit dem einfachen Ansatz, ein vegetarisches Lebensmittel für ab und zu anzubieten, haben wir in ein Wespennest gestochen.“

Ziemlich naiv dachten wir, dass Hermann Fleischlos den Leuten Freude machen wird. In Wirklichkeit waren wir gar nicht so willkommen.

Hermann Neuburger, Gründer-Hälfte von Hermann Fleischlos

„Essen ist zu einem Identifikationsobjekt geworden“, legt Sohn Thomas nach. „Fast wie bei einem Verein ist es heute wichtig, was ich esse und welcher Gruppe ich damit angehöre. Die traditionelle österreichische Küche ist konservativ und sehr fleischlastig. Wir sind im ländlichen Mühlviertel daheim, natürlich treffen wir auch hier immer noch auf Skepsis.“

Und das, obwohl man bei Hermann Fleischlos das tierische Original nicht völlig ersetzen, sondern eine gute Abwechslung dazu schaffen will. Der Richtwert für bewussten Fleischkonsum liegt bei zwei bis drei Portionen die Woche, dafür sprechen sich sowohl Ärzte und Ärztinnen als auch KlimaforscherInnen aus.

Hermann Fleischlos
Wenn man es nicht weiß, will man es fast nicht glauben! Diese beiden Gerichte haben noch nie …Foto: Neuburger | Hermann Fleischlos
… Fleisch gesehen! Dafür jede Menge Kräuterseitlinge. Der Geschmack besticht dennoch.Foto: Neuburger | Hermann Fleischlos

Von verbieten kann also keine Rede sein. Aber was könnte dann der Grund für so viel hitzige Debatten um das Thema sein? „Ich visualisiere das für mich immer so: Im Kopf existieren verschiedene Zimmer, die verschiedene Themen enthalten. Ganz weit hinten finden wir ein Zimmer mit Themen wie ‚Ich sollte mehr Bewegung machen‘ oder ‚Ich sollte mich gesünder ernähren‘. Dieses Zimmer ist meistens fest verschlossen. Und jetzt kommen wir von Hermann Fleischlos daher und klopfen an. Die Menschen sagen dann völlig unbewusst: ‚Nein, die Tür machen wir nicht auf, niemand schreibt uns vor, was wir tun sollen.‘ Die Diskussion wird dadurch im Keim erstickt“, erklärt Hermann Neuburger.

Eine Kostprobe von „Hermann Fleischlos“ gefällig? Nein, danke!

Um den KonsumentInnen die Skepsis zu nehmen, setzte man anfangs auf vermehrte Verkostungen – was überraschenderweise nichts bewirkte. „Die Leute wollten gar nicht darüber reden. Sie sind vorbeigegangen. Sobald wir aber sagten: ‚Schauen Sie, da gibt es ein neues Würstl aus dem Mühlviertel‘, haben alle zugegriffen. Erwähnten wir dann, dass da kein Fleisch drinnen ist, sah man den Leuten die Ablehnung fast körperlich an“, erinnert sich Hermann Neuburger.

Hermann Fleischlos
Thomas und Hermann Neuburger (von Links) haben ihre Marke „Hermann Fleischlos“ gut positioniert. Doch Zuckerschlecken war das keines!Foto: Neuburger | Hermann Fleischlos

Es sei nicht so wie bei traditionellem Leberkäse oder Bratwürsteln, denen KonsumentInnen mehr Vertrauen entgegenbringen; man wisse beim vegetarischen Produkt ja schließlich, was drinnen steckt. Würde man eine/n OttonormalverbraucherIn wiederum fragen, welche Zutaten in einem Stück Leberkäse stecken oder welches Fleisch für Debreziner benutzt wird, träfe man vermutlich auf Ratlosigkeit.

Vom exotischen Pilz zum echten Mühlviertler

Beim Thema Fleischprodukte spielt also die Gewohnheit eine große Rolle. Lebensmittel wie Tofu oder Kräuterseitlinge sind in Österreich noch recht neu, zählen aber beispielsweise in Asien zu den alltäglichen Lebensmitteln. Der große Vorteil an den Kräuterseitlingen, die in Hermann Fleischlos stecken, ist der klimaschonende Anbau: Während für ein Kilogramm Fleisch mindestens 20 Kilogramm CO₂ ausgestoßen werden, ist es für ein Kilogramm Kräuterseitlinge hingegen nur ein Kilogramm CO₂.

Warum nicht gleich ganz vegan?

Trotz der passablen Umweltbilanz sind Produkte von Hermann Fleischlos nicht vegan. Hermann Neuburger erklärt den Zusatz von Hühnereiern: „Bei uns stand von Anfang an der Geschmack im Vordergrund. Das andere Thema ist das Mundgefühl, es muss Biss haben. Darum tut sich Tofu in Österreich so schwer. Wir sind diese Konsistenz nicht gewohnt. Ein überzeugendes Produkt, das ohne Helferlein wie Zusatzstoffe auskommt und nicht mit Hochtechnologie erzeugt wird, schaffen wir im Moment noch nicht vegan. Das Hühnerei führt wiederum zur Diskussion mit den VeganerInnen, was auch klar und berechtigt ist. Militanz gibt es leider auf beiden Seiten, da werden wir auch schon mal beschimpft.“ Ein hartes Pflaster, diese Fleischersatzindustrie.

Hermann Fleischlos
Wer sagt, dass in einer Käsekrainer unbedinge Fleisch drinnen sein muss? Die Käserkrainer von „Hermann Fleischlos“ ist vielleicht sogar wesentlich wohltuender als die mit „echtem Fleisch“ …Foto: Neuburger | Hermann Fleischlos

Das Problem bei einigen Fleischersatzprodukten am Markt liegt in den Augen der Neuburgers an der Herstellung: „In Taiwan habe ich mir damals eine hochmoderne Technologie für Fleischersatzprodukte angesehen. Mit dieser großen Maschine namens Extruder wurde ursprünglich Kunststoff verarbeitet. Heute kommt sie für Fischfutter, Erdnusslocken, gewisse Kartoffelchips oder eben Sojaschnitzerl zum Einsatz. Das Problem ist, dass man die Rohstoffe, beispielsweise Sojabohnen, durch massive mechanische und manchmal chemische Prozesse erst aufbereiten muss.“

Wir sind bereits an Forschungen beteiligt, Kunststoff nicht mehr aus Erdöl, sondern aus Milchsäure herzustellen.

Thomas Neuburger, Chef-Hälfte von Hermann Fleischlos

Ob das gesundheitsschädlich ist, darüber streiten sich die ExpertInnen. Für Hermann Neuburger stand allerdings fest, dass er diese Technik für seine Produkte nicht anwenden will. „Als ich diesen Prozess sah, musste ich mich überwinden, das Entstandene überhaupt zu kosten. Ich wollte saubere Lebensmittel erzeugen, ohne Zusatzstoffe.“

Die ewige Plastikdiskussion

KonsumentInnen, die der Umwelt zuliebe auf Fleisch verzichten, ist die Plastikverpackung natürlich ein Dorn im Auge. Immerhin konnte Hermann Fleischlos den Plastikanteil seit Markteinführung bereits zu 80 Prozent reduzieren; verwendet werden auch nur recyclingfähige Rohstoffe. „Der Konsument will in dieser Hinsicht zwei Dinge, die sich nicht gut vereinen lassen“, meint Thomas Neuburger. „Einerseits will er Plastik sparen, was gut ist. Andererseits will er aber ein Produkt, das lange haltbar ist. Unsere Qualität ohne Plastikverpackung ist leider nicht möglich. Wir sind bereits an Forschungen beteiligt, Kunststoff nicht mehr aus Erdöl, sondern aus Milchsäure herzustellen.“

Man werde aber immer wieder darauf angesprochen, warum kein abbaubarer Biokunststoff zum Einsatz kommt. Das stellt für Vater und Sohn noch ein Problem dar: „Biokunststoff wird aus Mais und anderen hochwertigen Lebensmitteln erzeugt, das ist nicht in unserem Sinne. Es gibt Modelle, mit denen man in Zukunft aus landwirtschaftlichen Abfällen Verpackungen erzeugt, das wäre ein unterstützenswerter Ansatz. Die Biokunststoffe, die es bereits gibt, sind leider nur in genau kontrollierten industriellen Kompostieranlagen abbaubar.“

Hermann Fleischlos: Vom Nischenprodukt zum Verkaufsschlager

Vor zehn Jahren waren Bioprodukte eine Nische, heute sind sie allgegenwärtig. Und auch das Marktvolumen für Produkte wie Hermann Fleischlos wächst zusehends. Das Ziel sei, dass Produkte dieser Art nicht mehr als Ersatz gekauft werden, sondern weil sie geschmacklich ebenbürtig sind. Für seine Vision findet Hermann Neuburger noch passende Schlussworte: „Wir wissen alle, dass wir so nicht weitermachen können auf unserer Welt. Wir sehen uns als Leitprodukt bei dieser Welle der Veränderung, die gerade stattfindet. Eben weil wir nicht sagen, wir müssen alle VegetarierInnen und VeganerInnen werden. Wir etablieren lieber einen vernünftigen Fleischkonsum von zwei-, dreimal die Woche und schauen, wo das Fleisch herkommt, nämlich nicht aus Massentierhaltung, damit wir wissen, dass es den Tieren gut geht.“

Der Kräuterseitling

  • Im Gegensatz zu Steinpilzen oder Eierschwammerl lassen sich Kräuterseitlinge äußerst ressourcenschonend züchten.
  • Ähnlich wie Tiere benötigen Pilze organische Nährstoffe für den Stoffwechsel und enthalten daher die Vitamine D2 und B12.
  • Der Kräuterseitling punktet zudem mit den Mineralien Kalium, Kalzium und Phosphor.
  • Dank seiner fleischigen Konsistenz und guten Aromaaufnahme eignet er sich auch unverarbeitet als Fleischersatz.
Credits Artikelbild: Neuburger | Hermann Fleischlos

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